Laufgemeinschaft der Deutschen Ultramarathon-Vereinigung e.V.

Erstmalig starte ich beim Mauerweglauf am 12.8.2017 den Versuch, als Zugläufer eine Gruppe auf eine Zielzeit von 23:45 zu führen. In diesem Text erläutere ich meine Taktik. Wer sich anschließen möchte, schließe sich einfach an.

100Meilen Logo der mauerweglaufVor einiger Zeit ist mir bereits die Idee gekommen, einmal als Zugläufer 100 Meilen in einer bestimmten Zeit zu laufen. Das Rennen vom ersten bis zum letzten Meter zu planen und minutiös umzusetzen. Man könnte im Vorfeld die Sekunden messen, die man zum Trinken, zum Flasche füllen, Garderobenwechsel und Toilettengang benötigt, man könnte ein Anfangs- und ein Endtempo planen und von einem linearen Tempoverfall ausgehen. Der Rest wäre Mathematik. Aber das klappt leider nicht. Insbesondere nicht in einer Gruppe. Läuft man allerdings nach Gefühl, ist es auch nicht gut. Viele laufen anfangs zu schnell und brechen in der zweiten Rennhälfte mehr als nötig ein.

Vielen Läufern sind Zugläufer eine riesige Hilfe, um bei einem Marathon ihr Potential auszuschöpfen. Zugläufer können das Tempo gut steuern und eine Renntaktik umsetzen, die sich massenhaft bewährt hat. Nur welche Taktik hat sich denn bei 100 Meilen bewährt? Zunächst gibt es zwei verschiedene Konzepte, eines für die Gut-Ausdauer-Trainierten. Die sollten an den VPs kurze Pause machen und möglichst gleichmäßig durchlaufen. Dem „Schlecht-Trainierten“ helfen systematische Erholungsphasen von Anfang an, im Idealfall kurze Gehpausen, zur Not retten später auch längere Aufenthalte an den Versorgungsstationen, um phasenweise laufen zu können. Meine Taktik wird ein Mittelweg sein, sich aber eher an die „Langsamläufer“ orientieren.

Beim Mauerweglauf hat eine Zeit unter 24h den Reiz, dass man hierfür nach amerikanischen Vorbild eine Gürtelschnalle bekommt. Daher habe ich mir die Zielzeit 23:45 Stunden ausgesucht, aber mit ein bisschen Fantasie kann man die Taktik auch auf andere Zielzeiten übertragen.

24h Stunden zu laufen muss auch Spaß machen. Die Idee ist, den Lauf zu genießen, mit offenen Augen entlang der ehemaligen Mauer zu laufen und sich durchaus ab und zu Zeit nehmen, um sich etwas anzuschauen, durchzulesen oder zu fotografieren. Im Idealfall unterfordern sich die Teilnehmern der Gruppe. Vermutlich reicht eine Marathonzeit im Bereich von 4:15 bis 4:30 Stunden, um in der Gruppe locker mitzulaufen und sich den Buckle zu holen.

Ein Plan muss möglichst einfach sein und plausibel. Daher beginne ich bei der Erstellung immer so, dass ich mir Prinzipien überlege und dann langsam die Gesamtzeit in immer kleinere Abschnitte runterbreche. Dann fasse ich die Details wieder zu einer mittleren Aggregationsstufe zusammen. Dieser Plan wird dann ausgedruckt, mitgenommen und möglichst eingehalten. Meine wichtigste Planungsgröße ist die Uhrzeit, bzw. Laufzeit, nach der ich jeden VP verlassen möchte. Eine weitere Regel ist, dass ich nach jedem VP erst einmal 1 Minute gehe. Das hat die Vorteile, dass die Verpflegung besser aufgenommen und einem das Wiederanlaufen erleichtert wird. Und wer am VP länger braucht, kann schnell wieder zur Gruppe aufschließen. Aber auch die normalen Gehabschnitte in der Länge von 15 bis 30 Sekunden möchte ich recht früh einstreuen, anfangs vielleicht alle 15 Minuten, später häufiger. Im Laufe des Rennens wird das Lauftempo etwas langsamer, andererseits häufen sich die Gehabschnitte, daher wird das Bruttotempo immer langsamer. Mit dem Bruttotempo steure ich das Tempo zwischen den VPs. Dennoch ist es gemäß Plan erforderlich, auch gegen Ende des Laufes noch wesentliche Teile zu laufen. Die Spalte Pause ist vorgesehen für Fotos, Sightseeing, Umziehen, Ampeln o.ä. Hier steckt eine gewisse Reserve drin. Aber es ist natürlich wichtig, dass man einigermaßen pünktlich am VP ankommt.

Plan1

Die große Planungs-Tabelle

Die Nettolaufzeit ist also etwa 20:45, dazu kommen etwa 1 Stunde „Lauf-Pausen“ und 2 Stunden „VP-Pausen“. Hier ist lediglich bei den größeren VPs, die ja Dropbackstations sind, etwas mehr Zeit eingeplant, ansonsten sind 3 Minuten nicht viel. Das reicht allerdings zum Flasche auffüllen, etwas essen und trinken und ein wenig Smalltalk. Als leistungsorientierter Läufer würde ich versuchen, hier mit 30 Minuten in Summe auszukommen. Viele der 24h-Läufer brauchen allerdings ab und zu eine Pause, in der man sitzt und beispielsweise eine Portion Nudeln isst. Ich selbst werde vermutlich weder einen Dropbag abgeben noch größere Mahlzeiten zu mir nehmen, aber ich muss mich bei diesem Plan ja an die Bedürfnisse der Gruppenmitglieder orientieren.

Plan2

Der Plan zum Mitnehmen

Diese Tabelle nehme ich mit. Sie bietet mir alle Informationen, die ich brauche. Zur Interpretation erkläre ich einmal den Weg vom VP 5 zu VP 6. Der VP 5 wird ungefähr um 9:54 Uhr verlassen. Dann haben wir 4 km bis zum nächsten VP vor uns, für die ich genau 31 Minuten Laufzeit berechnet habe. Das entspricht einem durchschnittlichen Tempo von 7:45 min je km. Das heißt allerdings nicht, dass wir sooooo langsam laufen, sondern es schließt auch ein, dass wir zwischendurch gehen oder ein Foto machen oder vor einer roten Ampel warten. Am VP 6 bleiben wir dann bis 10:35 Uhr bevor wir zur nächsten Etappe aufbrechen.

Für wen ist die Zugläufer-Gruppe sinnvoll? Natürlich für alle, die in Begleitung die 24h-Schallmauer durchbrechen wollen, insbesondere für die, die noch nicht viel eigene Erfahrung haben. Es gibt sicherlich auch welche, die zunächst einmal 34 km bis zum VP 6 mit der Gruppe starten und dann aber ohne lange Pause weiterlaufen und eine Zielzeit von 20 Stunden schaffen. Auf der anderen Seite gibt es vielleicht welche, die die ersten 100 km alleine laufen, sich aber über die Nacht der Gruppe anschließen. Vermutlich werden viele, von denen, die wir im letzten Renndrittel überholen, versuchen, sich der Gruppe anzuschließen und dann gibt es vielleicht auch welche, die ebenfalls knapp unter 24h laufen wollen, aber bewusst nicht in der Gruppe laufen wollen. Die laufen üblicherweise mal 100m vor der Gruppe und mal 100m dahinter - dennoch dient die Gruppe immer der Orientierung.

Ich bin schon sehr gespannt, wie sich die Gruppendynamik entwickeln wird. Das Ganze ist ein Experiment, ein erstmaliger Versuch, über eine so lange Distanz eine geplante Taktik mit einer unbekannten Gruppe umzusetzen. Wichtig ist, dass der Plan kein Dogma ist, sondern nur eine Orientierung. Wenn erforderlich, werden wir aus Rücksicht auf Gruppenmitglieder aufeinander warten. Wir werden niemanden unterwegs vergessen oder bei gesundheitlichen Problemen alleine zurücklassen, sondern mindestens bis zum nächsten VP begleiten. Wird es überhaupt eine Gruppe geben? Nach meiner Beobachtung starten die Läufer, die 24h anstreben alle schneller. Möglicherweise werde ich daher auch ganz am Ende des Feldes alleine starten. Wird es ein „Wir-Gefühl“ geben, ein Kern, der die ganze Zeit zusammenbleibt? Wie wird die Gruppe mit Krisen umgehen?

Es wird spannend, ich freue mich auf das Ereignis und würde mich freuen, wenn sich viele mir anschließen würden, im Vertrauen, dass der Plan gut ist. Spannend ist ja auch, dass der Lauf im Internet live verfolgt werden kann, da an den meisten Checkpoints Zeiten elektronisch erfasst und direkt ins Internet gestellt werden. So kann jedermann verfolgen, wie gut ich es schaffe, meinen Plan einzuhalten.

Logo: Veranstalter, Text und Tabellen: Michael Irrgang, 8.8.2017