Beim winterlichen Stöbern im DUV Kalender stieß ich irgendwann ‚mal auf „Ærø Route 66“, einen 66 km langen Ultra auf der dänischen Insel Ærø.
Als Kieler ist mir Ærø gut bekannt, bis in die frühen 90er gab es eine Fähre von Kiel auf die benachbarte Insel Langeland und direkt auf die Insel und ich verbrachte so manches lange Wochenende mit dem Fahrrad in der „dänischen Südsee“.
Ich wusste also um die Schönheiten, aber auch Herausforderungen der Insel, insbesondere das kupierte Gelände, als ich mich für den Lauf anmeldete.
Wir fuhren am Donnerstagabend ins für uns nahe Fynshav auf der Insel Alsen, von der es dann per Fähre nach Søby auf Ærø ging. Wir hatten uns in ein nettes Hotel auf der anderen Seite der Insel in Marstal eingemietet. Die Fahrt mit dem Auto dauerte dann tatsächlich noch einmal eine halbe Stunde, nach 25 Jahren hatte wir doch tatsächlich die Dimensionen der Insel vergessen. Wir waren die ersten Gäste der Saison und wurden entsprechend sehr freundlich im Hotel aufgenommen.
Am nächsten Tag erkundeten wir die Insel mit dem Auto und stießen auch sofort auf die bereits vorhandene Ausschilderung des Laufs, die tatsächlich perfekt war.
Selten kam ich so entspannt zu einem Wettkampf: in Ruhe konnte ich noch mit meiner Frau im Hotel frühstücken, bevor ich zum nur 10 Minuten entfernten Start ging. Dort gab es dann typisch dänisch eine nette und unkomplizierte Renneinweisung auf Dänisch. Da ich der einzige wirkliche Ausländer zwischen den 125 Starten war, verzichtete ich auf eine Übersetzung, da Roadbook, Ausschilderung und Vorabinfo keinerlei offene Fragen hinterließen.
Die ersten Kilometer gingen noch durch den eher kleinstädtischen Randbereich von Marstal, bevor das Motto der Insel „Allt er vand ved siden af Ærø“ (etwa ‚alles ist Wasser am Rand von Ærø) zum Tragen kam: von nun an ging es fast ständig am Meer oder zumindest in direkter Sichtweite dazu voran. Ich war froh, dass die beste aller Ehefrauen mich zur langen Laufhose gedrängt hatte, es blies ein eiskalter Wind aus Nordost mit bis zu 14m/s. Vor allem auf der zweiten Hälfte der Strecke ging es permanent gegen den Wind an.
Absoluter Höhepunkt der Strecke war bereits frühzeitig der „Downhill“ am ‚Voderup Klint‘ mit einer tollen Fernsicht bis an die Schlei und in die Flensburger Förde hinein – und das bei tollstem Wetter:
Danach folgten ca. 1,5 km am kiesigen bis steinigen Strand, hier zeigte sich, dass meine Schuhwahl doch etwas zu ‚asfaltlastig‘ war, auch später gab es dann doch die eine oder andere sehr trailige Passage.
Bis zum ersten Verpflegungspunkt (Depot) bei km 24 war ich trotz Strand recht flott im 6er Schnitte unterwegs, das rächte sich dann auf den folgenden zwanzig Kilometern bis zum zweiten Depot bei ca. km 44.
Ungewohnte Probleme mit dem Knie, der dann nach dem Umkehrpunkt bei km 30 zur Nordseite der Insel sehr anstrengende Wind, aber auch das ständige auf und ab (das ich als Schleswig-Holsteiner ja eigentlich gewöhnt bin ) ließen meine Durschnittzeit sinken.
Ich traf kaum noch Läufer, die schnellen waren weg, die langsamen recht weit hinter mir, aber noch mehr schienen aufgrund der kalten Bedingungen aufgegeben zu haben.
Irgendwann lief ich ein Stück mit einem Clown, der für die Vereinigung dänischer Krankenhaus-Clowns unterwegs Geld sammeln wollte. Leider waren nur wenige Menschen unterwegs zu sehen – es war einfach zu kalt.
Ab dem zweiten und letzten Depot und mit warmen Tee ausgestattet ging es mir wieder besser – Krise gemeistert! Ich wurde zum Schluss immer schneller, das war auch gut so, denn die letzten 10 Minuten bekam ich dann auch noch Regenschauer mit Graupel ab. Die Strecke führte hier kurz vor dem Ziel noch einmal am Hotel vorbei, doch auch hier stand niemand an der Strecke, obwohl die Hälfte der Gäste Läufer und Ihr Anhang waren. Ich kam als 32. mit einer für mich sehr guten Zeit von 7:24 ins Ziel und war zufrieden und glücklich.
Hier holte ich mir nur noch meine obligatorische Medaille und mein Finisher-Bier ab, danach ging es direkt ins Hotel zum Aufwärmen unter die Dusche.
Die meisten Läufer verließen die Insel noch am selben Abend mit der letzten Fähre, wir jedoch feierten noch ein wenig in einer urigen Hafenkneipe in Marstal.
Ein tolles Laufwochenende mit vielen Eindrücke aus in der dänischen Südsee ging am nächsten Tag in aller Ruhe und mit ‚hygge‘ zu Ende.
Text und Bilder: Jens Kruse, 02.05.2019