Bilstein Ultra, die Zweite – die Kunst mit kleinen Handicap trotzdem ein großes Lauferlebnis zu genießen.
Nachdem ich im vergangenen Jahr hier in Kleinalmerode meine Premiere absolvierte und dabei einfach begeistert war, wollte ich natürlich gerne hier wieder starten.
Ich wusste, man muss sich hier zeitig anmelden, es ist eine kleine feine Veranstaltung.
Die maximale Teilnehmerzahl beträgt 500 Teilnehmer über alle Läufe. Im Programm sind der Halb- sowie ein ganzer Marathon, sowie ein Wandermarathon. Für mich kommt jedoch nur der Ultralauf von 57 Km in Frage. Dieses Limit ist meist schon lange vor dem Anmeldeschluss erreicht und man sollte sich entsprechend frühzeitig anmelden, um sicher einen Startplatz zu ergattern. Die Nachrückerplätze auf der Warteliste sind sehr unsicher.
Ich hatte mich bereits Ende 2017 angemeldet und war trotzdem bis eine Woche vor Start sehr unsicher, ob ich starten konnte. Das hatte jedoch andere Gründe, ich war am 21.04. beim Bleilochlauf, ein kleiner Ultralauf an der Thüringer Grenze über 48Km. Dort bin ich bei einem steilen Downhilltrail etwas zuviel Risiko gegangen. Bei Km 37 stürzte ich und fiel ziemlich unglücklich u.a. auf meinen Brustkorb – ich hörte wenige Zentimeter neben meinem rechten Ohr die Rippe knacksen. Bin nach wenigen Sekunden aufgestanden, schüttelte mich und lief die letzten 11 Km vorsichtig ins Ziel. Klar habe ich es später in der Ambulanz mal röntgen lassen, Befund: die unterste rechte Rippe ist angebrochen – da kann man nix machen, schonen – aber im Prinzip ist alles erlaubt was nicht zu sehr schmerzt. Am meisten schmerzte Niesen, Husten und ungezügeltes Lachen, Laufen konnte ich nach wenigen Tagen wieder zurückhaltend. Am folgenden Wochenende wurde mit 28 und 17 Km mal angetestet und ich war zufrieden. Der Bilstein-Marathon konnte kommen, ich würde auf den Trail-Passagen etwas Vorsicht walten lassen, was nicht ganz einfach ist, schließlich ist das Motto des „Bi-Ma“: flach ist anders – umsonst ist dies ganz sicher nicht.
Nach vier Stunden Fahrt stand ich vor dem ehemaligen Tante-Emma-Laden in Kleinalmerode und holte meine Startunterlagen ab. Anschließend ging’s zur Nudelparty ins Bürgerhaus. Wie vom vergangenen Jahr gewohnt, alles bestens organisiert. Es blieb noch genügend Zeit für ein paar Läuferunterhaltungen. Die Rohwedders liefen mir alsbald über den Weg – ich kenne Cornelia und Karl bestens seit dem Deutschlandlauf im vergangenen Jahr, beide waren beim Nord- Südtrip durch Deutschland dabei. Karl ist seitdem nicht mehr richtig ins Laufen gekommen, hat gesundheitliche Probleme und startet morgen zum Wandermarathon, seine Frau Cornelia wird mit mir morgen beim Ultra am Start stehen.
Bei herrlichen Frühsommerwetter geht’s anschließend ins Hotel nach Witzenhausen. Gleich nebenan lädt ein Biergarten zum Verweilen ein. Doch zulange bleibt keine Zeit, mein Start um 8:30Uhr ist nicht kompatibel mit den Frühstückszeiten hier im Hotel. So werde ich morgen auf dem Weg nach Kleinalmerode einen Bäcker aufsuchen, um mich mit Kaffee zu wecken und eine Kleinigkeit zu essen.
Alles klappt wunderbar und mir bleibt am Start noch Zeit für ein paar nette Unterhaltungen. Weitere Deutschlandläufer und gute Laufbekannte treffe ich an der Startlinie. Mittlerweile bin ich in der Ultralaufszene einfach zuhause und werde vielfach angesprochen. Pünktlich um 8:30Uhr geht es los und ich habe doch ein etwas flaues Gefühl für die nächsten 57 Km durch den Kaufunger Wald und rund um den Bilstein.
Es wird sehr warm werden heute – das ist nichts Neues für mich, wenn auch in diesem Jahr noch nicht sehr erprobt. Doch das Handicap mit der angebrochenen Rippe gibt mir zu denken …. zuviel überlegen und übertriebene Vorsicht ist nicht das, was mich beim Laufen beflügelt. So ist es nun aber mal und ich werde bei den Trails einfach langsamer laufen. Schon nach wenigen Km geht’s erstmals ins Unterholz, übersät mit Wurzeln und Steinen, dazu verwirrendes Licht- Schattenspiel, für mich mit eingeschränkten Sichtfeld eine zusätzliche Belastung. Doch die Freude über die tolle Natur, herrliches Wetter und abwechslungsreiche Wege wiegen das sofort auf. Ich werde hier sicherlich keine tolle Zeit laufen können, aber ein tolles Lauferlebnis haben – das geht mir durch den Kopf, als ich mit gebremsten Schaum wieder mal über einen Trail downhill laufe.
Nach der ersten 9Km-Schleife sind wir wieder nahe Kleinalmerode, biegen aber vorher ab und erreichen den ersten VP. Noch ist die Wärme kein Thema, aber es ist erkennbar, das wird noch. Strahlend blauer Himmel – von der Teilnahme 2017 weiß ich jedoch, ein Teil der Strecke ist im geschützten Wald, da ist es sicherlich erträglich. So bestätigt sich das auch und auf den Höhen des Bilsteins weht gelegentlich eine frische Brise …. herrlich!
Wieder mal sehe ich einen Marathon-Wanderer vor mir (an der Start-Nr. leicht erkennbar), Sie sind bereits eine Stunde vor uns gestartet und nun werden immer wieder welche überholt – doch diese Statur vor mir kenne ich doch: hochgewachsen und schlank – na klar, das ist der Karl Rohwedder. Ich begrüße Ihn und wünsche alles Gute weiterhin auf seiner Wanderung. Das Feld zieht sich relativ schnell auseinander und verliert sich auf der Strecke, doch das ist bei der detaillierten Markierung kein Problem. Die alle 5 Km eine Distanzangabe sowie ca alle 6-7Km ein VP, alles Bestens organisiert, das Orga-Team vom BiMa versteht sein Handwerk – hier gilt der Grundsatz Läufer wissen am besten, was Läufer brauchen.
Es geht weiter nach dem Motto – flach ist anders, immerhin sind das 1.500 Hm verteilt auf die 57 Km. Doch ich bin einigermaßen erstaunt, wie gut sich das Laufen mit dem Handicap anfühlt – meine Rippe macht sich kaum bemerkbar. Genauso hatte ich es erhofft und nach den Trainingsläufen fast erwartet. Ich kenne meinen Körper nach so vielen Trainings und Wettkämpfen doch schon sehr genau und kann es einschätzen was ich mir zumuten kann und was ich besser sein lasse.
Mit diesem Gefühl laufe ich weiter dem Bilstein entgegen, doch erstmals geht es über eine Art Hochebene. Hier gibt es jede Menge Wind – genau deshalb hat man hier eine Art kleiner Windpark gebaut und wenn man so ganz nah an den Rotoren vorbeiläuft ist es fast ein beklemmendes Gefühl, denn so ganz lautlos sind diese gewaltigen Rotorblätter natürlich nicht. Meine Erinnerung sagt, es geht anschließend etwas bergab, bevor es anschließend den langgezogenen Aufstieg zum Bilstein hochgeht.
Da bin ich im vergangenen Jahr fast komplett hochgelaufen und genauso werde ich es diesmal auch wieder versuchen – ganz gelingt es mir nicht, doch viele Gehpausen muss ich nicht einlegen. So erreiche ich die Bilsteinhütte mit der Blasmusik davor fast im Plan, der da lautet nicht allviel über einen 6er-Schnitt zu laufen. Bei Km 45 und 4:51Std ist die höchste Stelle erreicht und ich darf mich auf reichlich KM im Downhill-Modus freuen.
Ich habe noch die Reserven und kann es gut laufenlassen, gelegentlich ist ein Km unter 5min drin – doch ich weiß, der BiMa ist zum Schluß noch mal etwas fies. Das hat sich der Streckenplaner Gerno Semmelroth nicht nehmen lassen und ein paar „kleine Gemeinheiten“ zuletzt eingebaut – ich kann’s Ihm nicht verübeln….
Und was solange gut gegangen ist, 3 Km vorm Ziel geht’s schief – eine kleine Unaufmerksamkeit, einmal den Fuß nicht hoch genug gehoben…. Ich bleibe an einen eigentlich unscheinbaren Stein auf dem Feldweg hängen und falle im gemäßigten Tempo nach vor. Ein nicht für möglich gehaltener Reflex – ich drehe mich beim Fallen automatisch nach links, ich falle auf’s Knie, nicht weiter schlimm, es blutet und die Schürfwunde ist reichlich verdreckt. Doch meine rechte Seite mit der angebrochenen Rippe bleibt unversehrt!
Alles nochmal gutgegangen …. Ich rapple mich hoch und laufe weiter – kein Problem …. nur etwas Ärgern über die Unachtsamkeit. Doch die letzten Steigungen, die da noch anstehen erfordern meine Konzentration und Kraft … für’s Jammern bleibt keine Zeit und auch wenig Grund. Ich stelle fest, es werden doch einige Minuten über die 6Stunden bis ich ins Ziel komme. Der letzte KM entschädigt wieder etwas, einige Zuschauer stehen da und feuern an, Kleinalmerode und damit das Zielbanner naht – noch den letzten Hügel hinunter, der Moderator kündigt mich bereits an, die letzte Rechtskurve dann über die Ziellinie. Ich stoppe meine Uhr bei 06:07:10Std und bin damit bei den Männern auf Platz 31. In der AK M55 belege ich den 3.Platz.
Glücklich über mein Finish gehe ich zu den Sanitätern und lasse mir meine Schürfwunde am linken Knie desinfizieren. Nach dem Duschen im Sportheim genieße ich noch das reichhaltige Kuchenbuffet und einige nette Läuferunterhaltungen.
Mein Fazit zum Bilstein-Marathon: Absolut empfehlenswert!
Eine Stunde später mache ich mich auf dem Heimweg.
Ergebnis:
31. 99 Roland Krauss 1962 m Senioren M55 LG Ultralauf 6:07:10
Text und Fotos: Roland Krauss 15.05.2018