Vereinskollege Franz Holzleitner hatte sich entschieden, nicht beim Iller-Marathon zu starten. So hoffte ich bis zur Grenze, wo mein Auto steht etwas schlafen zu können. Doch Franz wurde selber müde, auch eine Kaffeepause änderte daran nix, so fuhr ich weiter, dann eben ohne Schlaf heute Abend starten. An der Grenze verabschiedeten wir uns, Franz legte sich wohl erstmal hin, ich beeilte mich, da mein Navi mir angezeigt hat es wird knapp vor 17:30Uhr, um das Marathonziel in Kempten zu erreichen. Von dort würde mich ein Bus zum Start nach Immenstadt bringen. Ich habe so mein Auto am Ziel und das war für mich ein entscheidender Vorteil. Doch der Verkehr war zähflüssig, es war nicht zu schaffen und so steuerte ich nach Immenstadt. Dort bevölkerte sich gerade das Anmeldegelände im Schulzentrum neben dem Auwaldstadion, auf dessen Laufbahn der Marathon und später der Illertrail gestartet wurde. Ich ging mich schurstracks nachmelden und bekam dort auch noch einen Kaffee und Kuchen. Als ich die anderen Läufer mit Leuchtwesten sah, fiel mir ein, ich habe meine zuhause vergessen – dabei habe ich ja bei meinen vorhergehenden Starts schon welche bekommen, da sie zur Pflichtausrüstung gehört. Nun ist sie eben zuhause und ich kramte aus meinen Auto die Warnweste heraus; die erfüllte auch den Zweck. Der Akku meiner Stirnlampe war bereits wieder gut geladen und eine Reservetaschenlampe wurde im Trinkgurt verstaut, Gels und Trinkflaschen neu bestückt und die Laufklamotten entsprechend gewählt -auch heute versprach es gutes Laufwetter (eher zu warm) zu werden. Ein Abendlauf in die nacht hinein, hat eben auch den Vorteil, dass man nicht so abhängig von der Sonneneinstrahlung ist. Es wurden noch ein paar Fotos geschossen und vom Marathon4You-Reporter Greppi musste ich mir anhören: „Da behaupten manche, ich hätte einen an der Klatsche, da schaue Dir den Roland an – vor 12Std in Biel gefinisht und nun hier“ – na ja so ganz Unrecht hat er ja nicht, aber ich empfand das nun nicht als „besonders ungewöhnlich“. Bevor es zum Start ins Stadion hinübergeht traf ich noch meine Lauffreunde Udo (Pitsch) und Kraxi, sie haben einen klassischen „Doppeldecker“ geplant und wollen morgen früh dann beim Frankenweg-Lauf starten, einem sehr trailigen Marathon mit 1.000HM – und ich gestehe, ich habe mir dort auch einen Platz reservieren lassen, vorbehaltlich der Tatsache, dass ich alles wohlbehalten überstehe …. Was hatte da Greppi eben über mich gesagt?
Im Schulzentrum vom Immenstadt kurz vor dem Start
20Uhr Auwaldstadion, der Startschuß fiel und ca 200 Marathonis bzw Staffelläufer starteten zu einer ersten Stadionrunde, dann ging es raus aus dem Stadion und direkt ans Illerufer. Ich war gespannt, wie sich meine Beine in Kürze anfühlen werden, so 12Std nachdem sie 100km gerannt sind und nun wieder 42km laufen sollen. Der erste KM in 5:10, doch das will ja nix heißen, ich spürte den Vorwärtsdrang und die Frische in meinen Beinen hielt sich in Grenzen, aber damit hatte ich ja gerechnet und ein Finish unter 4:30 Std würde mich schon sehr überraschen. Ich kannte die Strecke in großen Teilen (auch hier gab es eine Streckenänderung gegenüber dem letzten Jahr), sie hatte kaum HM, die einzigen Schwierigkeiten könnten ein paar Wurzeln und Steine werden, wenn man sie nicht beachtet. Wir liefen zum großen Teil am Illerufer entlang. Dabei liefen wir erst mal von Kempten weg, also Richtung Sonthofen. Nach ca 9km überquerten wir die Iller und hatten somit den Wendepunkt erreicht. Nun ging es wieder gen Immenstadt und ich griff relativ schnell zum ersten Gel, nur in keinen Hungerast hineinlaufen, es wird schwer genug. Bei KM16 liefen wir wieder an Immenstadt vorbei, doch auf dieser Illerseite war wenig von der Stadt zu sehen. Als wir wieder mal die Iller überliefen und uns der Weg ein Stück vom Ufer wegführte, stand dort ein Betreuer und ermahnte uns, die Stirnlampen sollten unbedingt eingeschaltet werden. Na klar, die Dämmerung war weit fortgeschritten. Es war wohl überfällig und so lief ich nun mit dem Leuchtkegel vor mir. Die Schritte fielen schwerer und meine Pace war eher schon bei 5:45, als bei 5:30 und wie nicht anderes zu erwarten näherte sie sich den 6min pro KM, bei VP’s bin ich schon darüber. Nichts was mich bei diesem Lauf verunsichern müsste, ich musste es hinnehmen, auch meine Ressourcen sind begrenzt – doch der Wille war ungebrochen. Er sagte weiter so, weiter so, du schaffst das und daran zweifelte ich nun bei KM30 auch nicht mehr. Ein kleines Stück über Landstraßen mit einem kleinen Hügel war mir aus vorangegangenen Teilnahmen bekannt. Doch bald liefen wir wieder nahe der Iller. Die ersten Geher sammelte ich ein, auch einige langsameren Läufer durfte ich überholen – ich redete mir ein, so langsam kannst du gar nicht sein, wenn du hier überholst – alles relativ!
Ein heranrausendes Auto von hinten – ich vermutete zunächst einen Sani – reißt mich aus meiner Lethargie, doch es entpuppte sich als ein Quad, der vermutlich zum Veranstalter gehörte. Ich war doch irritiert, wie heftig das Fahrzeug an mir vorbei düst, dabei reichlich Staub aufwirbelte und meine Sicht mit der Stirnlampe erheblich einschränkte. Der Spuk war jedoch so schnell vorbei, dass er zumindest bewirkte, dass ich wieder etwas munterer wurde. So versuchte ich mit der Kraft, die noch in meinen Beinen steckte ein klein wenig zu forcieren und so erreichte ich irgendwann den letzten Staffelwechselpunkt bei KM35. Ob da überhaupt noch ein Läufer auf seinen Vorläufer wartete, kann ich gar nicht feststellen – Viele können es nicht sein, es ist schon recht ruhig hier.
Nun also das letzte Stück des Iller-MA, auch diese 7KM schaffte ich noch. Zwei langsame KM mit ca 6:30min konnte ich kompensieren, anschließend lief ich wieder unter 6min pro km und die Freude auf ein baldiges Finish ließ doch noch ein paar Kräfte frei werden – herzlich willkommen, die kann ich gerade sehr gut brauchen. Ich guckte gar nimmer auf die Uhr und mutmaßte irgendwann noch ca 1,5KM, das nächste Schild traf mich, wie eine Keule: Da steht ganz frech, noch 3KM. Was soll’s dann eben noch diese drei. Ich lief nach Kempten rein und war einfach froh, ich hatte es bald geschafft. Noch ein KM – Hurra, gleich werde ich das Ziel am AÜW (Allgäuer Überlandwerk), dem Hauptsponsor, erreichen und etwas leckeres essen und trinken – das süße Zeug (Isogetränke und Cola) war zwar notwendig, aber ich hatte es soooo satt! Da vorne die ausgeleuchte Brücke – geradezu illuminiert ist sie, ein tolles Bild, noch eine Kurve und dann ging es dem Zielbogen entgegen.
Wenige Meter vor dem Finish ging es in Kempten über diese toll ausgeleuchtete Brücke
Auf der Zielgeraden standen links und rechts Feuerschalen mit lodernden Flammen – TOLL! Mit 4:11 Std blieb ich weit unter meiner (befürchteten) Zeit und war ganz glücklich, wie das heutige Abend so gelaufen war. Ich begrüßte Kraxi, schon fast eine Stunde im Ziel – Udo kam kurz nach mir ins Ziel. Wir holten unsere Kleiderbeutel tranken ein Bier und schon fröstelte es uns. Sofort zum Duschen ins Illerstadion (10min Fußweg). So eine heiße Dusche konnte wirklich (in so einem Moment) etwas ganz Besonderes sein! Udo und Kraxi machten sich kurz danach auf dem Weg zum Auto, sie wollten direkt zum Frankenweglauf in die Fränkische Schweiz (ca 320km nach Gasseldorf bei Ebermannstadt) durchfahren, um eventuell noch etwas im Auto zu schlafen. Der Start war um 8Uhr, jedoch war der gemeinsame Aufbruch zum Startpunkt bereits um 7:30Uhr.
Ich musste nun noch auf meinen Rücktransport nach Immenstadt warten, da ich den ersten Bus um 0:30Uhr nicht mehr erreichen konnte, fuhr der nächste erst um 2:00Uhr – das war der Nachteil, den ich hatte, da ich es vor dem Start nicht schaffte mein Auto hier in Kempten zu parken. Ich bekam grade noch was zu Essen und setzte mich kurz hin, dann ging es zum Bus. Ein großes Hallo, als ich einstieg – hier sitzen mindestens 5-6 Bekannte im Bus, an Schlaf war nicht zu denken. Ich bin um 2:30Uhr bei meinem Auto angekommen und gab meinen Zielort ins Navi ein. Es würd knapp werden, wenn ich irgendwo, irgendwie ein wenig schlafen wollte. So fuhr ich einfach sofort los auf die Autobahn. Wie erwartet setzte nach ca 30min heftige Müdigkeit ein – raus an die Raststätte, doch ich konnte nicht schlafen, war total überdreht. Also den größten Becher Kaffee, den ich kriegen konnte und weiterfahren – nach weiteren 50km traute ich mich nicht mehr weiterfahren, das Risiko für mich und andere Verkehrsteilnehmer wurde mir zu groß – ich bin bereits 48Std auf den Beinen und mit selbigen 142KM gelaufen – ZU VIEL?!? Dann döste ich etwas im Auto und als ich aufwachte, merkte ich, es ist nun nicht mehr zu schaffen, die weite Fahrt, nachmelden, neu umziehen und mich fertig machen. Ich beschloss auf das i-Tüpfelchen zu verzichten, es war hier und jetzt nicht machbar, auch wenn es eventuell läuferisch möglich gewesen wäre.
Später wird mir Udo von einem heftigen, trailigen Frankenweg-Marathon berichten, der in seiner Erinnerung wesentlich harmloser „abgespeichert“ war. Also war das wohl auch okay so, dass ich darauf (gezwungenermaßen) „verzichtet“ hatte.
Ich schlief zwei Stunden im Auto und fuhr trotz allem relativ entspannt nach Hause und schlief erst mal eine Runde. Ich dachte ich bin trotzdem reif für das: RACE ACROSS GERMANY
Text und Bilder: Roland Krauss 21.6.2017