Tempotraining
Text: Michael Irrgang
2009 gab es die ersten Trainingspläne für den 24-Stundenlauf zur Vorbereitung auf die Meisterschaften in Stadtoldendorf.
Viele Leser hatten Elemente davon in ihr Training aufgenommen und entweder ein tolles Debut hingelegt oder ihre Bestleistung gesteigert. Für viele war es ein perfekter Lauf nach einer Phase des optimalen Trainings und so stellt sich berechtigt die Frage, ob man das Ergebnis noch steigern kann?
Meistens kommt dann die Antwort, dass man nicht mehr Zeit zum Training hat.
Mag sein. Blieben die Fragen nach der Trainingseffizienz und –effektivität; also danach, ob man die richtigen Trainingselemente hat und ob man diese Einheiten auch richtig durchführt? Und dann ist man schnell bei der Frage:
Wie viel Tempotraining braucht eigentlich ein Ultraläufer?
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Einleitung
Braucht ein Ultraläufer überhaupt Tempotraining? Viele laufen ja gerade deswegen Ultra, weil sie glauben, dort gute Resultate ohne Tempotraining erzielen zu können. „Bei den Ultras zählt die Erfahrung mehr als alles andere“, ist eine der vermeintlichen Weisheiten aus der Szene. Stimmt allerdings nicht! Jedes Jahr gibt es richtig gute Debütanten, die auf kürzeren Strecken flott sind und insbesondere bei Mehrtages- und 24-Stundenläufen den etablierten Läufern das Fürchten lehren.
Ich möchte in diesem Aufsatz den Weg aufzeigen, durch Tempotraining seine Leistung zu steigern, bzw. zu erhalten. Zunächst sollte im Training allerdings die Ausdauer und der Fettstoffwechsels verbessert werden, im Wettkampf helfen einfacher die trivialen Aspekte „weniger Pausen“ und „weniger Gewicht“, um beim 24-Stundenlauf mehr Kilometer zu erzielen. Aber irgendwann hat man diesbezüglich alles ausgereizt: „mehr laufen“ geht dann nur noch über „schneller laufen“! Wer schneller auf den ganz langen Strecken unterwegs sein will, muss zunächst auf den „Kurzstrecken“ sein Leistungsvermögen verbessern. Wer das „schnelle Laufen“ verlernt hat, kann es wieder erlernen, aber auch Läufer, die schon flott unterwegs sind, können sich durch die beschriebenen Methoden insgesamt aber insbesondere auf den „Langstrecken“ verbessern.
Dass der Plan, „schneller zu laufen“, nicht so einfach umzusetzen ist, hat wahrscheinlich schon jeder einmal gemerkt: Dazu braucht man keinen 24-Stundenlauf, da reicht ein 10km-Lauf und ein wenig Mathematik: Um bei einem 10km-Lauf die Bestzeit um 1 Minute zu verbessern, muss man jeden Kilometer „nur“ 6 Sekunden schneller laufen! So einfach ist das! Etwas schneller als letztes Mal beginnen und dann Tempo halten!
Wenn man jedoch irgendeine Strecke häufig gelaufen ist und „sein Limit“ erreicht hat, sind 6 Sekunden pro Kilometer ziemlich viel. Um diese Steigerung zu erreichen, muss man quasi „auf einem anderen Niveau“ laufen. 10 Kilometer – Marathon – 100 Kilometer – 24-Stundenlauf; die einzelnen Wettkampftempi stehen in einem „direkt-proportionalem Verhältnis“ zu einander, wie der Mathematiker sagen würde, d.h. ändert sich ein Wert, ändern sich alle anderen Werte in einem bestimmten Verhältnis. Verbessert man seine Bestzeit auf den kurzen Strecken (10km oder Halbmarathon), so wird man womöglich auch auf den Ultrastrecken entsprechend schneller laufen können. Häufig zu sehen: Viele Läuferinnen und Läufer erzielen in den Unterdistanzen sehr gute Ergebnisse, wenn sie sich intensiv auf einen Ultra vorbereiten. Beispielsweise neue Marathonbestzeit aus dem Training für einen 100km-Lauf.
Die konkreten Trainingsvorschläge sind eher an ambitionierte, ältere 24-Stundenläufer ausgerichtet denn an gemütliche Breitensportler. Vermutlich werden sie eher für die Männer und Frauen geeignet sein, die ihre Leistung von 200 km auf 220 km bzw. von 180 km auf 200 km steigern wollen. Ausprobieren und davon profitieren kann aber sicherlich jeder. Neue Trainingsformen setzen immer neue Reize und helfen dem Sportler sich weiterzuentwickeln. Außerdem bringen sie Spaß und Abwechslung ins Training.
Es ist immer wieder beeindruckend zu beobachten, welche Entwicklungen die Teilnehmer eines Ultramarathontrainingslagers in den drei Tagen machen. Die meisten trainieren doch etwas variantenarm und deren Motorik scheint ein wenig eingerostet. Aber schon am ersten Abend, wenn in einer Turnhalle ein paar Laufspiele und -übungen auf der Agenda stehen, erwacht eine verkümmerte Leistungsfähigkeit. Später folgen dann noch einige praktische Teile wie Laufschule / Lauf-abc sowie theoretische Grundlagen zur Trainingsplanung und -gestaltung und wenn die Teilnehmer dann mit vielen neuen Ideen und hochmotiviert im Alltag wieder ihr Training aufnehmen, fallen meist kurze Zeit später schon die Bestzeiten reihenweise.
Je nach Bedarf und Vorkenntnissen muss jeder die Vorschläge für sich ein wenig anpassen. Auch oder gerade die Läufer der mittleren Leistungsklasse, können von diesen Trainingselementen stark profitieren. Daher ist es mir einerseits wichtig, die zugrundeliegenden Prinzipien verständlich zu erläutern und andererseits die Trainingspläne möglichst konkret zu gestalten.
Der Text greift ein Thema auf, zu dem es bisher keine Literatur gibt. Es sind allerdings viele Erfahrungen und Meinungen eingeflossen. Mir ist mir schon klar, dass einige Experten das Training, andere die Erklärungen für falsch halten. Wenn ihr mir Feedback gebt, kann ich in einer eventuell folgenden Version meine Angaben präzisieren oder korrigieren. Mein Vorschlag soll durchaus zum Diskutieren anregen, sei es bei Laufveranstaltungen oder beim nächsten DUV-Trainingslager. Insgesamt soll es ein Beitrag zur Weiterentwicklung des Ultramarathontrainings sein.
Im Text verwende ich meist die männliche Form „Läufer“, um eine gute Lesbarkeit sicherzustellen. Alle Aussagen gelten jedoch gleichermaßen für „Läuferinnen“.
Fazit
Tempotraining ist für viele ein ungewohntes und unbeliebtes Trainingselement. Viele Argumente sind allerdings unbegründet: Wiederholungsläufe erfordern beispielsweise keine 400-Meter-Bahn. Auf der anderen Seite bestehen durchaus Verletzungsrisiken, sowie Gefahren der Überforderung und Überlastung. Schnell-laufen erfordert eine andere Bewegung als der typische, durchaus ökonomische Ultraschlurfschritt: Schrittlänge, -frequenz und Atmung muss aufeinander abgestimmt sein. Die Bein- und Armbewegung erfordert ein hohes Maß an Koordination, um nicht nur schnell, sondern immer noch flüssig und locker zu laufen. Es ist allerdings eine Bereicherung, diese etwas andere Lauftechnik zu erlernen.
Interessanter Weise kann durch gezieltes Tempotraining das Wettkampftempo auf allen Distanzen gleichzeitig gesteigert werden, also nicht nur auf den Sprintstrecken, sondern auch beim 100km- und 24-Stundenlauf. Daher lohnt sich ein Einstieg in diese Trainingsmethodik für alle. Der Weg führt über intensive Wiederholungsläufe über 200 Meter-Intervalle zu den extensiven Wiederholungsläufen. Der Erfolg lässt sich beispielsweise durch regelmäßige Leistungstests oder Teilnahmen an 10 km- bis Halbmarathonwettkämpfen ganz gut ablesen.
Hat man eine homogene Trainingsgruppe, können Tempoeinheiten auch richtig Spaß bereiten. Für Läufer, die unter der Woche nur wenig Zeit zum Training haben, bieten sich intensive Einheiten an, die zeitlich kurz, aber sehr wirksam sind. Stichwort: Qualität statt Quantität – also lieber 10 schnelle als 20 langsame Kilometer! Ich möchte durchaus alle ermuntern, so einen Trainingsblock einmal durchzuziehen! Tempoläufe bringen Abwechslung ins Training und die Leistungssteigerung ist relativ schnell sicht- und messbar!
Viel Spaß und viel Erfolg!
Michael