Laufgemeinschaft der Deutschen Ultramarathon-Vereinigung e.V.

Text: Jonathan Gakstatter, Bilder: Manuel Steiner, 12.11.2022
Unter dem etwas sperrigen Titel verbirgt sich die im Rahmen der Corona-Pandemie entstandene Team-WM im Backyard-Laufen. Hier duellierten sich 2022 insgesamt 37 Nationen. Das Konzept ist relativ einfach:
Jedes Land stellt 15 Läufer*Innen die sich mit Ihren bisherigen Leistungen in einem anderen Backyard qualifiziert haben. Die Teams laufen dann an einem festen Standort innerhalb ihres Landes einen klassischen Backyard. Der Clou ist, dass in 36 anderen Ländern ebenfalls zum gleichen Zeitpunkt ein Backyard startet und die Nationen gegeneinander Laufen. Die Rundenzahlen aller Läuferinnen und Läufer und Läufer werden am Ende zusammengezählt und das Land mit den meisten Runden gewinnt.
Das Team:
Das Team Germany war bunt gemischt, an der Spitze Veranstalter, Badwater-Finisher und auch Altersklassenweltrekordler im 24h-lauf Michael Ohler, der mit einer Vorleistung von 50 Runden die beste Individualleistung vorweisen konnte. Ihm folgten Hendrik Boury mit 42, Marko Möhler mit 41 und Matthias Dippacher mit 31 Runden. Rund um die 30h Marke sammelten sich dann einige Läufer, Rene Strosny, Ralf-Ortwin Ernst, Willi Böhm, Patrick Obert, Norman Mascher-Aspensjö, Wolfgang Neuweiler, Christoph Wurm, Tim Weißbach und aus dem Team LG Ultralauf Matthias Kröling, Klaus Mantel und ich.
Bild1Das Team Germany
Ganz klar besteht das Team nicht nur aus den Läufern, sondern auch aus dem Organisations- und Helferteam. Hierzu gehörten unter anderem Alex Holl als Co-Organisator und Statistikbeauftragter, Michaels Frau, Manuel Steiner als Fotograf und gute Laune-Stifter und viele viele mehr! Die Aufzählung ist längst nicht vollständig und ich hoffe es wird mir verziehen nicht alle Namen in Erinnerung zu haben. Ich möchte mich aber auch nochmal hier ausdrücklich bei allen für dieses „Lauffest“ bedanken – ohne das gesamte Team wären die Rundenzahlen deutlich geringer ausgefallen.

Das „Rennen“:
Pünktlich um 14Uhr bei uns in Deutschland startete der Wettkampf dann für alle 37 Nationen. Wir starteten in die erste Runde mit etwas Regen und auf der Tagstrecke durch den Kandler Forst. Die Tagstrecke wurde von 8-19Uhr gelaufen und die Nachtstrecke von 19-8Uhr.
Ich setzte von Beginn an meine eigene „Taktik“ um, dies hieß feste Gehpausen mit dazwischen sehr lockerem Jogging. Ich lief von Beginn an ausschließlich nach Puls, mit dem Ziel in den Gehpausen nicht über 110s/m und beim Laufen nicht über 130s/m zu gelangen. Ich pendelte mich bei Rundenzeiten im Bereich von 45-47min ein, was sich aus für die nächste Stunden nicht ändern sollte.
Meine Erholungsbereich hatte ich direkt neben Matze Kröling, und durfte so auch von seinem herausragenden Support in Form von Volker und Phillip profitieren.
Um 19Uhr gings dann auf die Nachtstrecke, diese ist relativ eintönig. Sie startet mit einer Pendelstrecke zum Waldschwimmbad und läuft dann weiter zu einer Runde auf der ehemaligen 100KM-DM Strecke in Kandel. Also zwei lange Geraden mit Verbindungsstrecken. Die Runde wird abgeschlossen durch eine Runde um das Stadion und erst dann darf man ins Stadion und die letzten 250m ins Ziel laufen.
Leider hatten wir relativ früh zwei Ausfälle zu beklagen, Willi und Patrick mussten aus verschiedenen Gründen aussteigen, sie haben beide ihr Bestes gegeben und unterstützen auch nach Ihrem aussteigen das restliche Team. Mein erste Nacht lief auch alles andere als optimal, gerade die Runden 12-15 fielen mir sehr schwer, ich hatte mit Übelkeit und Bauchschmerzen zu kämpfen, glücklicherweise gab sich das Ganze dann aber wieder. Spannend in der ersten Nacht war die Witterung, es war zwar nicht kalt, dafür aber sehr neblig was dazu führte, dass quasi alles im Start- und Zielbereich von Kondenswasser bedeckt war. Alles was im Freien lag, egal ob Klamotten, Schuhe oder sonstiges wurde dementsprechend nass, am nächsten Tag wurden daher in der Sonne alle Versuche gestartet um die durchnässten Sachen zu trocknen. Mein persönliches Highlight am ersten Tag waren die Jungs und Mädels aus Berlin die doch tatsächlich einen Pizzaofen aufgebaut haben – neben der Schankanlage für das Bier versteht sich.
Auf der letzten Nachtrunde die um 7Uhr startet wurde es dann zum Ende hin hell, damit stand auch dem Wechsel auf die Tagrunde nichts mehr im Wege und so ging es ab 8Uhr wieder in den Wald. Das Team war weiterhin mit 13 Läufern unterwegs und sehr stabil. Langsam aber sicher näherten wir uns dem „Zwischenziel“ von 24h. Kurz davor muss Klaus nach 22 Runden leider aussteigen – auch er hat eine hervorragende kämpferische Leistung gezeigt! Nachdem wir die ersten 24 Runden absolviert hatten zeigte sich die enorme Qualität die Veranstaltung, ohne zu überlegen standen die verbleibenden 12 Läufer direkt wieder an der Startlinie. Für mich selbst lief es nach der ersten Nacht wieder gut, die Beine waren noch locker, der Puls niedrig – und das wichtigste: Ich konnte ausblenden, dass es kein Ziel gibt, in meinem Kopf gibt es immer nur die nächste Runde – das klappt noch sehr gut. Leider musste das Team Germany auf den nächsten zwei Runden weitere Teammitglieder abgeben, Ralf-Ortwin und Christoph stiegen mit über 100Meilen aus dem Rennen aus.
Bild2Gute Stimmung am Start
Immer noch zu zehnt näherten wir uns langsam aber sicher der nächsten Zwischenetappe, nach 30Runden erreicht man die 200KM-Marke. In Runde 30 machte es Wolfgang dann ganz besonders spannend, nach 59:20min kam er ins Ziel und knackte damit die 200KM-Marke und stellte eine PB auf. Er startete auch noch in die nächste Runde, musste dann aber leider aussteigen.
Meine eigenen Runden liefen weiterhin immer identisch ab, die gleichen Gehpausen, die gleichen Laufpassagen und auch immer ähnliche Rundenzeiten 45-48min. Allerdings ging es für mich nun auch in unbekanntes Gebiet, länger als 30h war ich bis dahin noch nie gelaufen und vor allem keine zweite Nacht. Vor dem Wechsel auf die Nachtstrecke wechselte ich das erste Mal die Socken und Schuhe. Das Ganze gestaltet sich aufgrund einer Blase am Ballen relativ spannend, es ging allerdings alles gut und der Wechsel war Gold wert. Die Beine fühlten sich wieder gut an und auch die Blase stellt keine Probleme mehr da. Langsam aber sicher näherten wir uns dem Montag und somit Runde 35. Bislang machte mir die 2te Nacht noch keine Probleme – das sollte sich aber dann doch noch deutlich ändern.
Nach 34 Runden hatten wir es dann geschafft, mit der nächsten Runde liefen wir dann schon in den Montag. Rene und Tim waren hier leider nicht mehr dabei, die Beiden sind nach 33 bzw. 34 Runden ausgestiegen was 221 bzw. 228KM entspricht – fantastische Leistungen und beide haben alles was ging für das Team gebracht. Nach der ersten Runde am Montag und damit 35 Runden musste leider auch Marco aussteigen, er hatte Knieprobleme und konnte daher nicht weitermachen. Auch er hat bis zum Schluss alles gegeben und nahezu jede Runde angeführt und die meisten davon unter 40min beendet.
Da waren wir also noch zu sechst und ich sah mich ehrlicherweise als nächsten der aussteigen muss. Ich hatte ein großes Tief, zwar konnte ich meine Rundenzeiten noch einigermaßen halten allerdings machte mir die Müdigkeit sehr zu schaffen. Auf meinen Gehpassagen fiel ich in einen Sekundenschlaf und auch beim Laufen fehlte die Konzentration. Die anderen wirkten alle noch sehr fit, Matthias D. kämpfte zwar auch schon ziemlich hat aber einen überragenden Kampfgeist. Obwohl er beim Gehen im Zielbereich mehr humpelte als ging zog er eine Runde nach der anderen durch und kämpfte weiter. Auch Norman hatte Probleme, allerdings weder mit dem Schlaf, noch mit den Beinen. Er hatte schon seit einigen Runden starke Schmerzen in der Schulter und musste daher nach 38 Runden aussteigen. Das kam für alle sehr überraschend, Norman wirkte die ganze Zeit sehr locker und topfit. Es tat mir für ihn sehr leid das er aussteigen musste, allerdings war ich in diesem Moment ehrlicherweise zu sehr mit mir selbst beschäftigt als das ich ihm gegenüber das richtig ausdrücken konnte. Eine Runde später stieg dann auch Matthias D. aus, er hat wie alle bis zum Schluss gekämpft und neben einer PB auch über 261KM zurückgelegt.
Bild3Bild4
Pause in der Nacht
Nun ging es also auf Runde 40, es war irgendwann zwischen 5 und 6 Uhr morgens und ich war einfach nur fertig. Ich war sicher nach dieser Runde auszusteigen, ich wollte einfach nicht mehr und bis es wärmer und wieder hell wird war es gefühlt noch ewig weit hin. Auf der Runde um das Bienwaldstadion lief Matze zu mir auf. Ich weiß nicht mehr genau welche Worte wir gewechselt haben, aber Matze beendet die Diskussion mit: „Jetzt komm, jetzt auszusteigen wäre auch doof!“ Für ihn in diesem Moment vielleicht ein einfacher und logischer Satz, für mich ein ganz wichtiger Moment, in diesem Moment fiel meine Entscheidung: „Bis es hell wird werde ich nicht aufgeben!“ So ging es also auf Runde 41 und dann auch auf Runde 42 wo es langsam hell wurde. Die Runde 42 lief ich gemeinsam mit Michael und Matze, es wurde hell und mir ging es direkt besser. Als Matze dann die 300KM-Marke ins Spiel brachte setzte sich diese sofort in meinem Kopf fest. Noch ein paar Runden auf der Tagrunde und dann ist diese magische Marke gefallen.
Die Runde 43 lief ich dann gemeinsam mit Matze, auf Runde 44 waren wir vier verbleibenden Läufer sogar alle gemeinsam unterwegs. Die letzte Runde lief ich dann bis zum Einlauf ins Stadion gemeinsam mit Hendrik – er versuchte mich auch noch davon zu überzeugen, dass 48 oder sogar 50h doch auch toll wären – aber mein Entschluss stand fest:
„Ich steige nach 45 Runden aus, von außen betrachtet für einige wahrscheinlich schwer nachzuvollziehen. Die Rundenzeiten sind noch solide und auch körperlich geht es irgendwie noch weiter. Mein Kopf hat aber entschieden das ich hier Schluss mache, 45 Runden hätte ich vorher mir selbst nicht zugetraut, ich habe mit dem Backyard-Format meinen Frieden geschlossen und in diesem Moment entschieden das Rennen am für mich perfekten Zeitpunkt zu beenden.“
Auch Matze kämpfte sich durch Runde 45, eine absolut unfassbare Leistung für mich. Er konnte die Wochen vor dem Backyard aufgrund von Fußproblemen nicht laufen und hatte ab der ersten Runde Schmerzen, 45 Runden sind da für mich schlicht und einfach Wahnsinn.

In Runde 46 starteten wird dann zwar noch zu viert, allerdings stieg neben Matze und mir auch Michael aus. Neben dem herausragenden Finish beim Badwater hat er dieses Jahr noch den 24h-Weltrekord in seiner Altersklasse verbessert und macht dann noch 300KM im Backyard voll – da fehlen mir die Worte. Obwohl nicht alle, ich möchte sagen das er ein großes Vorbild, sowohl menschlich als auch als Läufer ist!
Damit blieb nur noch Hendrik übrig, der hat das ganze Rennen in einer für mich beeindruckenden Lockerheit durchgezogen. Er hatte eine sehr gute Taktik und auch die Pausen für die Verpflegung und Power-Naps optimal genutzt. Er lief die Runde 46 in 33:25 (4:59min/km) – wenn das kein verdienter Sieger ist weiß ich auch nicht.

Bild5Verdienter Sieger mit 46 Runden: Hendrik Boury
Das Team Deutschland belegt am Ende Platz 14 von 37 Teams weltweit, souveräner „Mannschaftssieger“ wird die USA, die Belgier Ivo Steyaert und Merijn Geerts laufen 101 Runden und stellen damit einen neuen Weltrekord im Backyard-Format auf.

Danke
Was soll ich sagen, für mich war es ein überragendes Erlebnis in der Backyardfamilie in Kandel. Das kann man an den Superlativen im Text sicher auch erkennen Das Erlebnis kann mir niemand mehr nehmen und das wird mir für viele zukünftige Herausforderungen Motivation geben.
Ich kann mich nur nochmal bei allen Helfern bedanken, die haben mindestens genauso viel geleistet in den zwei Tagen und davor und danach wie wir Läufer.

Zuletzt möchte ich noch einige Links teilen:
German Backyard TV – Youtube-Kanal von Heiko Hoenmanns, er hat im Vorfeld an den Backyard Videoporträts aller Läufer und weitere Interviews erstellt:

https://www.youtube.com/channel/UCCRSQBUkuKP3J8x7VyQwzFA

Manuel Steiner Photography – Manuel hat die ganzen fantastischen Fotos gemacht von denen ich nur einen Bruchteil verwendet habe:

https://www.instagram.com/steiner_photography/?hl=de

Bericht von Tim Weißbach zum Satellite Backyard:

https://pfadsucher.com/2022/10/19/backyard-ultra-satellite-championships-2022/

 

 

 

 

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