Portal zum 48h-Lauf
Text: Michael Irrgang, Bild: Martina Stumpf-Irrgang 48h WM, Gloucester
Der 48h-Lauf wird populärer, insbesondere in Europa und zwar nicht nur seitdem es Weltmeisterschaften in dieser Disziplin gibt.
Daher wurden im Zeitraum Dezember 2023 bis März 2024 verschiedene Texte zu dem Thema erstellt und sind hier kurz beschrieben und verlinkt.
Viele haben großen Respekt vor der Herausforderung, aber im Grunde ist es ganz einfach: Einfach loslaufen und nach Plan & Gefühl laufen, gehen, pausieren, essen und trinken. Mit diesen Texten soll all denen Mut gemacht werden, die sich eine Teilnahme vorstellen können. Es gibt Hinweise zum Training und zum Rennen, aber das wichtigste ist die mentale Fähigkeit, im Rennen nicht die Lust zu verlieren und mit einem Lächeln auf der Strecke zu bleiben.
Training 48h-Lauf
Text und Tabellen: Michael Irrgang, Bild: Martina Stumpf-Irrgang
Zunächst werden trainierbare Bereiche vorgestellt, die zur erfolgreichen Bewältigung eines 48h-Laufes wichtig sind. Im zweiten Teil wird eine konkrete Wochenstruktur vorgestellt.
Der 48h-Lauf wird populärer, und zwar nicht nur seitdem es Weltmeisterschaften in dieser Disziplin gibt. Das eigentliche Rennen ist recht komplex und erfordert viele Kompetenzen, die in der Vorbereitung systematisch antrainiert werden können. Auf der anderen Seite ist die Teilnahme an einem 48h-Lauf auch nicht so schwer, denn man kann versuchen, gesund am Start zu stehen und dann loslaufen oder auch wandern. Einfach einmal ausprobieren, ist durchaus ein üblicher Ansatz.
In diesem Text möchte ich ein paar Dinge des Trainings und der Renngestaltung erklären, damit es nicht zu einem chaotischen Abenteuer, bzw. unkalkulierbarem Experiment wird, sondern zu einem schönen Erlebnis. Geplant ist ein weiterer Text, der sich damit beschäftigt, was im Wettkampf zu beachten ist.
Grundsätzlich sind alle Ultralaufpläne auch zur Vorbereitung auf einen 48h-Lauf geeignet, insbesondere die zum 24h-Lauf.
Man sollte allerdings schon mehrere Jahre regelmäßig an 24h-Läufen teilnehmen und am Ende zwar müde, aber nicht verletzt sein, bevor man einen ernsthaften Start mit einer gewissen Leistungserwartung in Erwägung zieht. Trotzdem sollte bei der Premiere zwischen „ich will“ und „ich mach“ etwa 1 Jahr zur Vorbereitung liegen, um das Training strukturiert umsetzen und viele kritische Komponenten ausprobieren zu können. Denn man kann im Wettkampf nur Dinge abrufen, die man auch vorher geübt hat. Daher muss man das langsam laufen oder schnelle marschieren üben, üben und üben.
Das Wichtigste ist, dass man sowohl für das Training als auch den Wettkampf einen sachgerechten Plan, also eine Idee der strukturierten Gestaltung, über den gesamten Zeitraum hat.
Trainieren heißt „sich vorbereiten“ und schließt, je länger der Lauf ist, immer mehr erfolgskritische Faktoren ein, die ausschnittsweise kurz vorgestellt werden.
Erfolgskritische Faktoren
Ernährung: Man verbraucht Unmengen an Energie im Wettkampf und muss lernen, trotz Belastung und ggf. Hitze Energie aufzunehmen und zu verwerten. Genügend Salz und Flüssigkeit natürlich auch, aber vor allem viele Kalorien. Nicht unwichtig sind die Fragen, was schmeckt nach 40 Laufzeit? Worauf habe ich Appetit? Was liefert mir die Nährstoffe, die ich brauche?
Ausrüstung: Man darf nicht frieren, nicht schwitzen, nicht überhitzen, keine Scheuerstellen/Blasen bekommen und sollte natürlich auch keine orthopädischen Probleme bekommen. Also sollte man zum Wettkampf genau wissen, welche Stellen eingecremt oder getapt werden müssen und welche Schuhe auch noch nach 24h passen, wenn die Füße angeschwollen sind.
Mentale Fähigkeiten: Im Wettkampf muss man sich am Anfang sehr zurückhalten, vielleicht langsamer starten als möglich und erste Pausen einlegen, wenn man sie noch gar nicht braucht. Später muss man tapfer und ausdauernd gegen Müdigkeit, Motivations- und Lustlosigkeit ankämpfen, darf weder zu viel noch zu oft gehen oder pausieren. Idealerweise erhält man sich über die Gesamtdauer Achtsamkeit und Lauffreude.
Auch diese mentalen Fähigkeiten kann und muss man üben! Wenn einem das Training zu leicht vorkommt, wird man im Wettkampf nicht in der Lage sein, Schwierigkeiten oder Motivationsprobleme zu überwinden. Also durchaus einmal knackige Trainingseinheiten oder Testwettkämpfe in die Vorbereitung einbauen.
Taktik: Wahrscheinlich kann niemand 48h am Stück laufen. Daher gilt es, den optimalen Mix aus Laufen, langsamen Gehen, schnelles Marschieren sowie kurzen und langen Pausen zu finden. Und das ist sehr individuell! Folglich braucht man einen sehr individuellen, erprobten Plan und, man muss sich natürlich auch an daran halten!
Resilienz: Die Widerstandsfähigkeit gegen Ermüdung aller Art ist der Schlüssel, um lange aktiv auf der Strecke zu sein und fasst in gewisser Weise alle oben genannten Punkte zusammen.
Läuferische Leistungsfähigkeit: Man braucht viel Ausdauer und eine hohe Laufökonomie. Beides bekommt man durch lange Läufe und hohe Umfänge im geplanten Wettkampftempo. Und trotzdem gilt die Regel: Je schneller man 10 km laufen kann, desto höher ist die aerobe Leistungsfähigkeit und damit das Potenzial (auch) für einen 48h-Wettbewerb. Daher schadet ein bisschen Tempoarbeit auch nicht.
Grundsätze zum Training
Der wöchentliche Trainingsumfang und die Länge des langen Laufes sind die entscheidenden Parameter der Vorbereitung, aber nicht nur. Daher ist ein ganz banales Ziel der Vorbereitung, beide Zahlen zu steigern.
Der lange, langsame Lauf ist die wichtigste Einheit, weil sie zum einen perfekt den Fettstoffwechsel und die Ausdauer trainiert, aber zum anderen wettkampfspezifisch ist, weil diese Einheiten etwa im Anfangstempo des Wettkampfes gelaufen werden. Die wöchentliche Standardeinheit sollte sich von 3 auf 5 Stunden steigern. Im Wettkampftraining, der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung gerne auch mehr, bzw. gerne auch im Rahmen von Trainingswettkämpfen. Von der Herzfrequenz schlage ich einen Bereich von 65 bis 70% der Hfmax vor, bzw vom Tempo etwa 60 bis 90 Sekunden pro km über dem Marathonrenntempo.
Man kann in diese langen Einheiten auch sinnvoll Gehabschnitte integrieren. Insbesondere am Anfang, wenn einem die Dauer noch schwerfällt und am Ende, wenn man sich spezifisch auf den Wettkampfrhythmus vorbereitet. Ansonsten eher nicht. Gehabschnitte kann man nach Zeit wie „9,5 min laufen, 0,5 min gehen“ oder nach Distanz „950m laufen und 50m gehen“ planen. Eher ungeeignet ist der Ansatz „nach Gefühl“, was man allerdings häufig sieht.
Man kann den Trainingseffekt der Einheit dadurch verbessern, dass man mit einer gewissen Vorermüdung startet, z.B. weil man am Vortag eine belastende Trainingseinheit gemacht hat oder, wenn man bewusst nicht mehr Nahrung zu sich nimmt, als erforderlich ist.
Tempotraining. Tempotraining hat das Ziel, schneller zu werden. Es schult Kraft, Koordination, verbessert die VO2max und andere leistungslimitierende Faktoren. Durch Tempotraining erhöht man sein läuferisches Potential. Auch wenn das Tempo weit vom Wettkampftempo entfernt ist, ist der Effekt, dass sich auch bei niedrigem Puls das Lauftempo erhöht. Zwei Tempoeinheiten pro Woche sind ausreichend, z.B. einen 30-minütigen Tempodauerlauf oder Wiederholungsläufe wie 8 x 1000 Meter.
Athletiktraining. Die Kräftigung der Rumpf- und Fußmuskulatur ist essenziell für einen guten, verletzungsfreien, ermüdungsarmen Laufstil. Einmal die Woche 30 Minuten laufspezifisches Training ist die minimale Pflicht, zweimal 30 Minuten deutlich besser und zweimal 1 Stunde perfekt.
Besondere Einheiten. Viele Ultraläufer haben sehr gute Erfahrungen mit zwei langen Einheiten an aufeinanderfolgenden Tagen gemacht. Der 48h-Läufer sollte durchaus zweimal 8 bis 10 Stunden laufen oder sogar über mehrere Tage. Auch ein Wanderurlaub ist durchaus zielführend, bei dem man beispielsweise 5 Tage je 10 Stunden wandert! Oder eine mehrtägige Radtour oder eine Woche Trainingslager, in dem Laufen, Wandern, Radfahren und andere Sportarten kombiniert werden. Nach solchen Belastungsspitzen ist es allerdings erforderlich, reichlich Regeneration einzuplanen – daher sollte man solche Intensivblöcke nicht zu oft einlegen.
Wettkämpfe. Wettkämpfe sind eigentlich immer möglich. Unabhängig davon, ob sie als Trainingslauf, Leistungstest und zum Spaß bestritten werden. Dabei sind schnelle Marathons genauso gut geeignet wie 24h-Läufe, Backyards oder 100-Meilen-Trailläufe! Sie bringen Abwechslung ins Training und insbesondere, wenn man gute Ergebnisse anstrebt, schulen sie die Selbstwahrnehmung und andere mentale Faktoren. Aber auch hier gilt: Nicht zu oft, nicht zu hart, auf Regeneration achten.
Fazit: Tempo- und Athletiktraining sind wichtig, aber am wichtigsten ist der regelmäßige, lange Lauf und der Umfang pro Woche. Sowohl im Training, im Trainingslager als auch bei Wettkämpfen darf man sich nicht überfordern, sondern ist gut beraten, die Länge, bzw. den Umfang nur langsam zu steigern. Im Idealfall sollte man in der Lage sein, im Training 6 bis 8 Stunden zu laufen oder bei einem 24h-Lauf verletzungsfrei eine 90%-Leistung abzurufen. Auch vor einem zweimaligen Training pro Tag sollte man nicht erschrecken. Es ist oftmals der sinnvolle Weg, verschiedene Trainingszwecke zu kombinieren.
Konkrete Trainingspläne
Wie könnte nun ein Trainingsplan aussehen? Genauso wie beim Marathon müssen Teilnehmer mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Zielsetzungen systematisch, aber unterschiedlich trainieren. Allerdings spielen die Ziele eine nachgelagerte Rolle, da viele 48h-Teilnehmer ihr Ziel mit „gut durchkommen“ beschreiben würden und nicht mit einer konkreten Kilometerleistung und Wettkampfpace. Weit häufiger als man denkt, richtet sich der individuell optimale Plan auch nach der verfügbaren Zeit und Lust und weniger nach sportwissenschaftlichen Erkenntnissen.
Der folgende Plan richtet sich eher an die Kategorie „ambitionierte Läufer“, der für jeden Einzelfall individuell angepasst werden muss. Bei der Beschreibung hat sich bewährt, die Trainingsstruktur mit Dauer und Typ zu beschreiben. Da kann sich dann jeder selbst seine Distanz und sein Tempo heraussuchen.
In diesem Plan sehe ich zwei Zeitfenster für die Sporteinheiten vor: morgens, d.h. vor dem Frühstück, bzw. nach einem kleinen Snack und abends, d.h. vor dem Abendessen.
Ich benutze für die verschiedenen Typen verschiedene Farbe, die bestimmten Belastungen entsprechen.
Der erste Plan „Start“ wäre eine Startstruktur, mit der die meisten erfahrenen Ultraläufer sofort starten könnten. Von der Phase würde ich dies als „Grundlagentraining“ bezeichnen, in dem der Fokus auf die Entwicklung der Schnelligkeit gelegt wird. Der zweite Plan entspricht der Zielstruktur, d.h. das Training wird allmählich in diese Richtung entwickelt. Aber Achtung: Die Anzahl der Trainingseinheiten und der Gesamtumfang muss langsam gesteigert werden. Als Faustregel gilt: Nur 1 Mehreinheit und 10% mehr Umfang pro Monat!
Die morgendlichen Einheiten am Montag und Freitag sind optional und eher für die ganz Fleißigen gedacht. Sie haben eher regenerativen Charakter und tun nicht weh. Dieser Plan ist für die Grundlagenphase gedacht, in welcher der Schwerpunkt auf Tempo und Athletik liegt.
Ein konkreter Plan könnte so aussehen:
Montag ist der Ruhetag, alle anderen Tage haben einen Tempo- oder Kraftanteil. Am Dienstag werden bei dieser typischen extensiven Intervalleinheit 10,5 km etwa im Halbmarathontempo gelaufen und am Donnerstag ist bei der intensiven Intervalleinheit das Tempo etwa 30 sec pro km schneller. Beide Einheiten sollten mit Steigerungsläufen und etwas Lauf-Abc vorbereitet werden. Man darf hier nicht überziehen und muss erst das Laufgefühl für die für Ultraläufer ungewohnte Bewegung entwickeln.
Alternativ kann man auch einen einstündigen Traillauf vorsehen.
Am Freitag ist das Ziel, etwa 30 min schnell zu laufen, d.h. es können im Mittelstück auch 6 oder auch 9 km sein. Insgesamt dauert diese Einheit keine Stunde! Am Samstag folgt ein Fahrtspiel, gerne im hügeligen Gelände. Die Einheit hat abwechselnde Intensitäten, im Durchschnitt aber über 80% Hfmax und sollte sich „mittelintensiv“ anfühlen. Am Sonntag gibt es morgens ein ganz gemütliches Training über 3 Stunden, bevor abends noch einmal Athletik trainiert wird.
Warum mittwochs und sonntags Athletiktraining? Weil die Mitglieder der LG Ultralauf an diesen Tagen an einem Online-Training teilnehmen können.
Der Plan wird monatlich immer ein klein wenig angepasst, bis er etwa dieser Zielstruktur entspricht.
In Summe sind es bei täglichen Laufeinheiten zwischen 14 bis 18 Stunden, zusätzlich 2 Krafteinheiten je 1 Stunde und 2 Stunden schnelles Walken. Insbesondere, wer plant, längere Abschnitte zu wandern, sollte mindestens einmal pro Woche das schnelle Marschieren üben.
In der Zielstruktur kommen am Montag und Freitag zusätzliche, ganz leichte Einheiten hinzu. Am Dienstag wurde die Anzahl von 15 auf 20 erhöht und in diesem Beispiel eine andere Variante ausgewählt. Hier wären auch andere Varianten von „Extensiven Wiederholungsläufen“ möglich, wie z.B. 5 x 2 km schnell (also Halbmarathontempo) mit 500m Trabpause. Die intensiven Wiederholungsläufe am Donnerstag wurden durch die frühere Samstagseinheit ersetzt. Dadurch wird nun auch unter der Woche ein langer Lauf absolviert. Der Samstagslauf ist jetzt flach und die Dauer kann auf bis zu 6h schrittweise ausgedehnt werden. Auch der Sonntagslauf wird etwas verlängert und könnte 4 Stunden in Anspruch nehmen.
Achtung: Dies sind Belastungswochen und dürfen auf gar keinen Fall jede Woche trainiert werden. Stattdessen sollte man je nach Regenerationsbedarf nach 2 oder 3 Wochen eine Regenerationswoche einlegen.
Dieser Plan ist sehr zeitaufwändig und alleine vom zeitlichen Umfang für die meisten nicht zu schaffen. Das macht nichts, man sollte, wenn eine Einheit nicht passt oder man eine Pause braucht, sie ersatzlos streichen.
Der Zeitbedarf ist sicher der Knackpunkt. Grundsätzlich sind die Regenerationsfähigkeit und die orthopädische Belastung weitere kritische Punkte, auf die man achten muss. Hier ist eine gewisse Erfahrung nötig.
Wie oben erwähnt, setzt man wirksame, sinnvolle Trainingsreize, wenn man ab und zu aus diesem Schema ausbricht und Trainingsblöcke einstreut, wie beispielsweise 3 Tage laufen zu 6 bis 8 Stunden oder einen Wettkampf absolvieren. Etwa alle 4 bis 6 Wochen kann man einen Wettkampf von 100km bis 24h ins Training integrieren. Kürzere Wettkämpfe gehen eigentlich immer statt des üblichen Wochenend-Blockes.
Für die Vorbereitung wünsche ich euch viel Spaß, eine Verbesserung eurer Leistungsfähigkeit sowie anhaltende Gesundheit und Motivation.
Wettkampfgestaltung bei einem 48h-Lauf
Text, Tabellen und Grafiken: Michael Irrgang
Drei Bereiche verdienen höchste Aufmerksamkeit: Renntaktik, Ernährung und mentale Fähigkeiten. Insbesondere eine kluge Renntaktik entscheidet über die Anzahl Kilometer und Platzierung. Die Taktik besteht aus einer klugen Verteilung von Laufen, Gehen und Pausieren. Lieber viele kurze oder wenige lange Pausen/Gehabschnitte? In diesem Text werden verschiedene Ansätze vorgestellt und zwei wichtige Kennzahlen definiert:
- Prozent des aktuellen 24h-Leistungsvermögens am ersten Tag.
- Prozent der Kilometer am zweiten Tag im Verhältnis zu der Kilometerzahl am ersten Tag – dem Tempokonstanzfaktor.
Vorstellung der Weltrekordläufe von Camille Herron und Yannis Kouros.
Wenn das Wettkampftraining beendet ist, beginnt die Tapering-Phase.
Etwa 2 Wochen vor dem Wettkampf gilt es, die aufgebaute Form zu halten, kleinste Verletzungen auszukurieren, sich voll zu regenerieren und sich für den Wettkampf einen detaillierten Plan zu überlegen, falls nicht schon zuvor geschehen.
Aufgrund der Komplexität des Wettkampfes ist das zugegebenermaßen ziemlich schwer, aber trotzdem ist es für die meisten Läufer hilfreich, den Wettkampf einmal im Kopfkino ablaufen zu lassen. In diesem Text möchte ich ein paar Anregungen dazu geben, wie man das Rennen planen und gestalten kann. Im nächsten Text folgt dann ein konkreter Plan als Beispiel.
Zu betrachtende Aspekte
Renntaktik: Mit welcher Geschwindigkeit möchte ich anfangs laufen? Nach welchem Rhythmus erfolgt der Wechsel zwischen Laufen und Gehen? Wie ändert sich die Pace und die Lauf-Gehverteilung im Laufe der Stunden? Wie viele Pausen möchte ich einlegen und wie lang sind sie jeweils? Wozu dienen sie? Zum Schlafen, Essen, Ausruhen, Massieren-lassen oder für Hygiene?
Gut ist, wenn man sich schon Monate vorher eine grobe Struktur überlegt. Auf jeden Fall sollte man Erfahrungen aus mehreren 24h-Läufen haben. Besser noch sind Erfahrungen aus Mehrtagesläufen, denn so manch ein plausibel erscheinender Plan funktioniert leider nicht.
Verpflegung: Bezüglich Verpflegung ist der Unterschied zwischen 24h und 48h nicht groß, da die in der Muskulatur gespeicherten Kohlenhydrate nicht lange halten und man sehr früh darauf achten muss, dass sich KH-Aufnahme und KH-Verbrauch die Waage halten. Man verliert zwar pro Tag ca 1 kg Fett, aber bei einem 2 Tageslauf sollte das für die allermeisten von uns nicht kritisch sein. Eine allgemeine Empfehlung, was man essen sollte und was eher nicht, ist schwer. Aber etwas abstrakt formuliert, gilt: Was sich bei einem 24h-Lauf bewährt hat, ist auch für 48h gut. Basische Kohlenhydrate mit einem niedrigen glykämischen Index scheint auf alle Fälle richtig zu sein. Je länger das Rennen, desto weniger erscheinen Gels geeignet zu sein, Riegel schon eher, aber besser noch richtig feste Nahrung, wie Kartoffeln, Reis, Brot. Fette eher nicht und, ob Eiweiße hilfreich sind, wird kontrovers diskutiert. Möglicherweise unterstützt die Einnahme während des Rennens bereits die Regeneration. Mit 250 bis 400 kcal pro Stunde sollten die meisten Läufer auskommen. Ich fange etwa in Stunde 2 mit dem Essen an und versuche, etwa die Hälfte der Energiemenge in flüssiger Form einzunehmen.
Wichtig sind auf jeden Fall genügend Mineralien, insbesondere Salz und Magnesium. Es gibt in verschiedenen Fachtexte Hinweise darauf, dass die Muskelerregbarkeit der limitierende Faktor bei ganz langen Ultraläufen ist. Wenn jemand also nach 24 Stunden total kraftlos ist, mangelt es eher nicht an Energie oder Willenskraft, sondern daran, dass die Muskeln aus „chemischen Gründen“ nicht mehr arbeiten können. Daher haben viele auch sehr gute Erfahrung mit geringen Mengen von Trockenobst wie Pflaumen, Datteln und Feigen gemacht.
Mentale Fähigkeiten: Das große Ziel ist, sein maximales Potential abzurufen und das ist, je länger der Wettkampf dauert, umso schwieriger und abhängig von den mentalen Fähigkeiten. Es gibt zwei mentale Aufgaben: Bezüglich Renntaktik-Disziplin muss man in der ersten Hälfte Kräfte sparen also Pausen machen, langsamer laufen und Gehabschnitte einbauen, obwohl man das „gefühlt nicht braucht“. In der zweiten Hälfte gilt es fokussiert zu kämpfen und möglichst viel Zeit auf der Strecke zu verbringen. Neben der Fokussierung auf seinen Plan ist der zweite Aspekt die Achtsamkeit. Man muss kleinste Störungen wahrnehmen und entsprechend reagieren, um größere Krisen zu vermeiden.
Zur Aufrechterhaltung der Motivation ist es häufig sinnvoll, sich kurzfristige Zwischenziele zu überlegen, z.B. bis zur nächsten Mahlzeit in 2 Stunden auf der Bahn zu bleiben oder erst xx km vollzumachen und dann eine Pause einzulegen. Je schwieriger die Situation ist, desto kurzfristiger sollten die Ziele sein. Beispielsweise könnte gegen Rennende das Ziel zweckmäßig sein, die aktuelle 2km-Runde in unter 15 Minuten zu beenden. Da der Fokus sehr volatil ist, gilt es, alle erlaubten Möglichkeiten zu nutzen: Betreuer können motivierend auf die Athleten einwirken oder Musik hören oder mit kurzen Mantras positive Selbstgespräche führen. Die Begleitung von Betreuern auf der Strecke ist nützlich, aber oft nicht erlaubt und sollte respektiert werden, allerdings können sich Teammitglieder oder allgemein Wettkampfteilnehmer untereinander begleiten und unterstützen.
Die größte Gefahr bei einem 48h-Lauf besteht darin, am zweiten Tag zu viele und zu lange Pausen zu machen. Das zu verhindern, insbesondere, wenn man ziemlich müde ist und der Traum von dem ganz großen Ziel schon geplatzt ist, ist die ganz große Kunst der mentalen Fähigkeiten.
Renntaktik
Zurück zur Renntaktik, die individuell recht unterschiedlich sein kann.
Eine recht einfache Analyse ist der Vergleich der erzielten Kilometer der zweiten zur ersten Wettkampfhälfte, dem
Tempokonstanzfaktor nach Christoph Wenzel.
(Link: Artikel Perfekte Renneinteilung bei einem 24h-Lauf).
Jemand der bei einem 24h-Lauf in den ersten 12 Stunden 100km läuft und in den zweiten 12 Stunden 80 km schafft, hat einen TKF von 80. Er empfiehlt eine einigermaßen gleichmäßige Renngestaltung mit einem TKF von über 90%, was in der Praxis nur sehr selten eingehalten wird.
Vergleich des TKFs bei den besten Teilnehmern der letzten 48h-Weltmeisterschaft:
Die Gesamtergebnisse waren auf den ersten Blick sehr gut, aber wenn man sich die Zahlen etwas genauer anschaut, kann man sich gleich doppelt wundern. Da werden von den besten Läuferinnen und Läufern am ersten Tag unglaublich viele Kilometer gelaufen und am zweiten Tag im Verhältnis recht wenige! Die besten 6 der Gesamtwertung haben einen TKF von 59% bis 69%.
Die Empfehlung für den 24h-Lauf von 90% ist bei einem 48h-Lauf nicht zu halten, da man neben der Ermüdung, die zu einem geringeren Tempo führt, einfach mehr Pausen braucht. Da fehlen dann schnell 1 bis 2 Stunden auf der Strecke am zweiten Tag.
Von den 55 Startern gibt es obige Verteilung auf TKF-Bereiche. Obwohl die meisten im Bereich zwischen 60 bis 79 % liegen, erscheinen mir diese Werte nicht ideal, weil zu niedrig. Sie sind vermutlich dem Umstand geschuldet, dass anfangs fast alle viel zu schnell gestartet sind. Logischerweise hatten alle große Ziele, waren hoch motiviert und gut ausgeruht. Ob sie wirklich zu schnell gestartet sind, prüfen wir später. Als weitere Ursache kommen die Wettbedingungen in Fragen. Sie waren nicht so gut, wie man es von einem Bahnrennen erwarten konnte, denn es gab doch ordentlich Wind, der gefühlt 75% der Zeit von vorne kam. Schaffte man es unter erhöhter Kraftanstrengung am ersten Tag einigermaßen seine geplante Pace zu halten, so fällt es dann doch irgendwann auf, dass die Reserven aufgebraucht sind und man wird spätestens am zweiten Tag deutlich langsamer!
Lediglich 2 Personen haben einen Wert von über 90%. Die beiden, die einigermaßen gleichmäßig liefen und sich ihre Ressourcen also optimal eingeteilt haben, waren allerdings zwei ältere Wanderer mit einem unterdurchschnittlichen Ergebnis.
Am anderen Ende der Statistik stehen außerdem 7 Personen, die gar keine Kilometer am 2. Tag gelaufen, bzw. gewandert sind oder nur sehr wenige.
Dass das so sicher nicht geplant war, zeigt die Problematik des 48h-Laufes: Man kommt fast nie ohne größere Krisen durch! Manchmal sind die Läufer gar nicht zu optimistisch schnell gestartet, sondern haben Scheuerstellen, Blasen oder Magenprobleme oder was auch immer bekommen. Das kostet manchmal ein paar Stunden zur Pflege oder Erholung, bis man das Rennen wieder aufnehmen kann oder führt im Extremfall sogar zum vorzeitigen Rennabbruch. Aber diese großen Krisen kommen immer erst in der zweiten Rennhälfte und sind oft Ursache für eine schlechte Kilometerleistung an Tag 2. Insofern gehören zur guten Renngestaltung auch eine gewisse Selbstwahrnehmung inklusive eines klugen Krisenmanagements, um große Krisen zu vermeiden oder schnell zu überwinden.
Ein weiteres Beispiel für einen Tempokonstanzfaktor im 48h-Lauf:
Vom 48h-Rennen in Unna liegen ebenfalls die Zwischenergebnisse nach 24h vor. In der Endabrechnung hatten die besten 4 Teilnehmer einen durchschnittlichen TKF von fast 75% und das obwohl die Strecke mit den vielen Höhenmeter schwer zu laufen war. An diesem Tag wurde das Rennen klar am zweiten Tag entschieden: Vorne platzierte sich, wer auch am zweiten Tag viele Kilometer schaffte. Die TKF-Spitzenwerte von über 80% schafften nur die sehr erfahrenen Michael Vorwerg und Walter Zimmermann, Jan-Philipp Struck lief als Veranstalter etwas außerhalb der Konkurrenz mit.
Weltrekordläufe von Camille Herron und Yannis Kouros
Schaut man sich die Zwischenergebnisse des aktuellen Weltrekordlaufes der Frauen durch Camille Herron an, kann man ein paar taktische Feinheiten erkennen. (Link Artikel: Bericht zum Rekordlauf mit einem Link zu allen Rundenzeiten).
Da für dieses Rennen alle Rundenzeiten vorliegen, habe ich das Rennen in acht 6-Stundenblöcke eingeteilt und ausgewertet:
Die dritte Spalte zeigt die gelaufenen Gesamtkilometer und die vierte Spalte die km innerhalb des 6-Stunden-Abschnittes. Als Pause habe ich alle Rundenzeiten von größer als 5 Minuten genommen und die normale Laufzeit abgezogen. So komme ich auf eine unglaublich kurze Gesamtpausendauer von fast 5 Stunden. Am ersten Tag hat sie weniger Pausen eingelegt, die aber länger waren, z.B. in der ersten Nacht. Dagegen hat sie in den letzten Stunden nur noch sehr kurze Pausen gemacht, dafür häufiger. Die vorletzte Spalte zeigt die Zeit auf der Strecke und die letzte die Pace ohne Pausen.
Diese Tabelle verdichtet die Daten auf den ganzen Tag. Camille hat am 2. Tag 82% der Kilometerleistung vom ersten Tag geschafft – das ist ein recht hoher TKF. Sie hatte sich am zweiten Tag etwa eine halbe Stunde mehr Zeit für Pausen gegönnt und war im Durchschnitt ca 1 Minute pro Kilometer langsamer. Schwer zu sagen, ob diese Taktik perfekt war – manchmal lohnt sich eine Pause zum Ausruhen oder Massieren-lassen, weil man dann wieder schneller laufen kann. Trotzdem sind diese drei Zahlen vom zweiten Tag absolut bemerkenswert und sind für die meisten 24h-Läufer nicht zu schaffen. Offenbar hat sie für das Training und die Wettkampftaktik noch Verbesserungspotential erkannt und angekündigt, in diesem Frühjahr ihren Weltrekord anzugreifen.
Ebenfalls beeindruckend sind die Kennzahlen von Yannis Kouros, der 1995 im April eine Bestleistung über 24h aufstellte und schon vier Wochen danach einen Weltrekord über 48h. Dabei übertraf er beim 48h am ersten Tag seine kurz vorher aufgestellte 24h-Bestmarke. Am zweiten Tag schaffte er noch 185km. Wenn man die Zahlen im Verhältnis setzt, ergibt sich ein Wert von 101% seiner 24h-Bestleistung am Tag 1 des 48h-Laufes. Am Tag 2 schaffte er 65% seiner Kilometerleistung vom ersten Tag. In Summe ergibt sich eine Gesamtleistung, die 166% seiner 24h-Bestleistung entspricht.
Im Folgejahr war er noch besser in Form und lief im April bei einem 24h-Lauf 295km, was damals Weltrekord bedeutete und lief wieder vier Wochen später in Surgére (Frankreich) einen 48h-Weltrekord. Interessanterweise lief er am ersten Tag fast exakt die gleiche Distanz, was 97% seiner neuen 24h-Bestleistung entsprach. War sein Ziel, sich am ersten Tag „etwas“ zu schonen, um am zweiten Tag mehr Reserven zu haben, so hat der Plan nicht ganz geklappt. Er überbot zwar den Weltrekord um 2 km, aber gemessen an seiner 24h-Bestleistung, die ja 12 km besser war, war seine Leistung 1995 mit 166% höher einzustufen als die Leistung ein Jahr später.
Camille Herron hatte eine andere Renntaktik. Sie lief am ersten Tag 89% ihrer 24h-Bestleistung und am zweiten Tag 82% der Leistung von Tag 1. Interessanterweise entspricht ihre 48h-Leistung ebenfalls 161 % ihrer damaligen 24h-Bestleistung.
Klar ist, dass man am zweiten Tag weniger Kilometer schafft, wenn man am ersten Tag mehr Kilometer läuft. Aber der Ansatz: am ersten Tag 10 km weniger zu laufen, um am zweiten Tag 20 km mehr zu schaffen, ist offenbar zu optimistisch gedacht und trifft in diesem Fall zumindest nicht zu, obwohl die besonderen Umstände der beiden Läufe nicht bekannt sind. Trotzdem erscheint mir die Strategie von Camille besser als die von Yannis, der am ersten Tag nahe an seiner Bestleistung begann.
Bei der nächsten Weltmeisterschaft im 48h-Lauf Anfang Juni in Ungarn steht Aleksandr Sorokin auf der Startliste und man kann sicher sein, dass auch er den bestehenden Weltrekord angreifen wird. Obwohl der 48h-Lauf von der taktischen Gestaltung eine gewaltige Komplexität hat, die es unmöglich erscheinen lässt, beim Debut eine optimale Leistung zu erzielen, gibt es wohl niemanden in der Szene, der ihm das nicht zutraut.
Neben dem idealen TKF ist eine andere Frage, wie viele Kilometer man im Verhältnis zur aktuell möglichen 24h-Leistung am ersten Tag anstreben sollte? Erst im Vergleich zu dieser Zahl kann man erst beurteilen, ob ein Läufer überhaupt zu schnell war.
Die erste Spalte hinter dem Namen zeigt die 24h-Bestleistung, die bei den meisten aus den letzten 2 Jahren stammt, lediglich bei Sagan ist sie von 2016 (der Wert ist möglicherweise zu niedrig) und bei Soikkeli aus 2020. Meine Leistung ist von 2018 und nicht meine Bestweite von 2009, entspricht aber vermutlich meinem aktuellen Leistungsniveau. Auch bei Herron ist die Distanz aus dem Jahr 2019.
Logisch ist: Wer man ersten Tag näher an seinem Limit läuft, am zweiten Tag müder ist und entsprechend weniger Kilometer schaffen kann. Insofern gilt es, die beiden Werte „% der 24h-Bestleistung am ersten Tag“ und „Leistungsverlust am zweiten Tag (Tempokonstanzfaktor, TKF)“ so zu wählen, dass die Gesamtleistung nach 48h den höchsten Prozentwert seiner 24h-Bestleistung hat.
90% scheint ein ganz guter Ausgangswert für den ersten Wert zu sein. 10% weniger Kilometer am Tag 1 bedeutet beispielsweise, dass man seine normale 24h-Pace läuft, aber jede Stunde 6 Minuten zusätzliche Pause einlegt oder etwas langsamer läuft und zusätzlich 1 Stunde Pause am Stück einlegt.
In der folgenden Tabelle sieht man wieviel Prozent der 24h-Bestleistung bei unterschiedlichen TKFs und „%24h-BL am Tag 1“ herauskommen sowie eine Bewertung.
Wie ist die Tabelle zu lesen? Nehmen wir einmal die grüne Zahl 167 in der Mitte der fünften Zeile und betrachten jemanden, der 200km in 24h laufen kann. Dann bedeutet 167%, dass er 167% seiner 24h-Bestleistung in 48 Stunden erreichen kann, was 334km wären. Die linke Zeilenüberschrift „90“ bedeutet, dass er mit 90% seiner Maximalleistung am ersten Tag das Rennen beginnt, also mit 180 Kilometer. Die Spaltenüberschrift TKF 85 bedeutet, dass er 85% der Leistung vom ersten Tag am zweiten Tag schafft, also 85% von 180km, gleich 153km.
Zur Veranschaulichung der Farben und deren Bedeutung schauen wir uns die Zeile zu den 90% der BL an Tag 1 an. Wer so ambitioniert startet, kann meines Erachtens im Idealfall am zweiten Tag immer noch 80 bis 85% der Kilometer des ersten Tages schaffen. Zumindest, wenn man verletzungsfrei durch den zweiten Tag kommt und mental nicht einbricht. Schafft man nur 70% so verschenkt man Potential. 75% sind gut, aber möglicherweise hätte man bei einer hohen Motivation noch mehr schaffen können. Bei einem TKF von „nur“ 70 % oder noch weniger ist es denkbar, dass in der zweiten Nacht eine vierstündige Schlafpause gemacht wird. Dann ist man zwar ausgeruht und kann schneller laufen, schafft aber nicht die Kilometerzahl, die möglich wäre, hätte man nur 2 Stunden geschlafen. Einen Tempokonstanzfaktor von über 90% halte ich für ausgeschlossen, wenn man schon am ersten Tag eine gute Leistung abgeliefert hat. Daher habe ich diese Zellen in rot eingefärbt. Der TKZ beim 48h hat aber sehr viel mit den mentalen Fähigkeiten zu tun! Wer 18 bis 20 Stunden auf der Strecke ist und „so gut es geht läuft“, kann mindestens einen TKZ von 75 erzielen. Das Problem ist, dass man schlicht die Lust verliert, wenn die Beine müde und kraftlos sind und man trotz Einsatz von Willensleistung keine ordentliche Pace mehr hinbekommt. Dann wird oft länger gesessen und gewandert als notwendig.
Schaut man sich in der vorherigen Tabelle die Werte für Mäkinen und Durry an, die mit 77% und 78% ihrer 24h-Bestleistung am Tag 1 eher vorsichtig gestartet sind, so haben sie im Vergleich zu den anderen Top-10-Läufern zwar einen höheren TKF-Wert, aber auch nicht so überragend, um einen Top-Wert in der Spalte 48h-Gesamtleistung im Verhältnis zur 24h-Bestleistung zu erzielen. Der „% Gesamtwert“, der die 48h-Leistung im Verhältnis zur 24h-Bestleistung zeigt, von 133%, bzw. 140% deutet im Vergleich zu den anderen Mitläufern an, dass sie etwas hinter ihren Möglichkeiten blieben.
Als Fazit empfehle ich, mit 90% der 24h-Bestleistung zu starten. Allerdings kennt man sein aktuelles Leistungsvermögen nicht, daher der relative Vorschlag „kontrolliert mutig“ zu starten. Dass jemand im Rahmen eines 48h-Laufes eine 24h-Bestleistung aufstellt, wie bei der letzten WM Viktoria Brown, ist höchst ungewöhnlich, aber möglich. Wenn man dann am zweiten Tag noch einen guten TKF von 80 bis 85 erzielt, hat man im Nachhinein alles richtig gemacht.
Wie weit kann man nun bei bekanntem 24h-Lauf-Niveau bei einem 48h-Lauf laufen? Wie schon beschrieben, wird man bei einer Premiere kaum eine Chance haben, sein Potential auszuspielen, dennoch gilt es, so lange es geht eine kluge Renntaktik umzusetzen. Die Empfehlung ist, mit 90% des aktuellen Leistungsvermögens vom 24h-Lauf zu beginnen. Die obige Tabelle zeigt für verschiedene 24h-Niveaus für den ersten Tag 3 Werte (A bis C) mit 85%, 90% und 95% des Niveas. Für Tag 2 habe ich einmal die sehr guten Werte 75%, 80% und 85% angenommen, die durchaus realisitisch sind, wenn man mental keinen Hänger hat und auch sonst, sich die Krisen in Grenzen halten, sondern lediglich die Müdigkeit führt zu einer geringeren Geschwindigkeit und mehr Pausen. Eine sachlich korrekte Prognose wäre vermutlich, einen hohen %-Wert für Tag 2 bei einem niedrigen Wert für Tag 1 anzunehmen, aber im Sinne von minimal, realistisch und maximal, habe ich den geringen Wert (blaue, linke Spalte) aus dem Wert A berechnet und entsprechend den Wert E aus dem Wert B und den höchsten Wert F auf Basis von C, was mir allerdings absolut unrealistisch erscheint. Addiert man nun die minimalen, realistischen und maximalen Werte der beiden Tage, so ergibt sich eine gewisse Bandbreite mit einem realistischen Wert in der Mitte auf der vorgeschlagenen Basis von 90%/80%.
Ein 48h-Wettkampfplan
Text: Michael Irrgang
Basierend auf den Empfehlungen zur Renngestaltung wird exemplarisch gezeigt, wie ein Wettkampfplan aussehen könnte und wie man ihn im Training validiert.
Wie im letzten Artikel zur Wettkampfgestaltung beschrieben, verspricht eine kluge Renneinteilung über die Gesamtdauer die beste Leistung. Wenn man am ersten Renntag mutig aber nicht übermütig startet und am Ende etwa 90% seiner Bestleistung vom 24h-Lauf stehen hat, kann man mit viel Willenskraft am zweiten Tag 80 bis 85 der Kilometer vom ersten Tag am zweiten Tag hinzufügen und das bestmögliche Resultat erzielen.
Dabei ist es offensichtlich, dass man im Wettkampf nicht einfach im Wohlfühltempo loslaufen kann, denn dann rennt man viel zu schnell los, hat nach 6 Stunden zwar beachtlich viele Kilometer eingesammelt, aber bevor das Rennen richtig losgeht, ist man im Krisenmodus und kann sein mögliches Ergebnis nicht mehr erzielen.
Wenn „Laufen-nach-Gefühl“ nicht funktioniert, stellt sich die Frage, ob „Laufen-nach-Plan“ besser ist und wie so ein Plan aussehen könnte. Es ist auf jeden Fall der bessere Ansatz, allerdings benötigt man bei der Planung eine gewisse Erfahrung und dann natürlich auch eine hohe Plandisziplin, also Bereitschaft, den Plan bestmöglich einzuhalten. So gut der Plan ist, er kann nie genau umgesetzt werden. Daher ist es wichtig, bestimmte Elemente „abstrakt zu formulieren“ wie „ich bin täglich an 23 Stunden mindestens 45 min auf der Strecke“. Aber auch auf Störungen sollte man sich vorbereiten, also beispielsweise ungeplante Pausen, z.B. durch eine Massage.
Wie könnte nun eine konkrete Renntaktik aussehen?
Wie geht man bei der Erstellung vor und testet den Plan?
Das möchte ich in diesem Text mit meinem Plan für die anstehende 48h WM beispielhaft beschreiben.
Manche würden sicher noch genauer planen und viele Bemerkungen hinzufügen. Diese sind manchmal für die Betreuer wichtiger als für einen selbst. Denn eine Aufgabe der Betreuer ist, über die Einhaltung des Planes zu wachen. Es ist auch gar nicht so verkehrt, im Wettkampf in den Plan ein paar Ist-Ereigenisse zu notieren, seien es Zwischenergebnisse oder besondere Vorkommnisse wie „Salztablette gegeben“. Sockenwechsel, Nachcremen, Kleidungswechsel oder eine Massage plane ich nicht, sondern nutze dafür die vorgesehenen, geplanten Pausen.
Bei einem wichtigen Rennen fange ich relativ frühzeitig und grob mit der Planung an und ergänze den Plan dann regelmäßig. Die Granularität des Plans ist sicher recht individuell und spiegelt die Erfahrung des Athleten wider. Plant man zu grob, ist es wenig hilfreich, Plant man zu detailliert, so hat man im Wettkampf relativ schnell Planabweichungen, was immer ein wenig irritierend ist. Da ist jeder so ein wenig anders und muss für sich einen guten Weg finden.
Als erstes plane ich max 5 Prinzipien:
1. Gehabschnitte sind ca 20 sec / 50m lang.
Meist laufe ich die ersten Runden und überlege mir dabei günstige Abschnitte dafür, z.B. Bergauf- oder Gegenwindpassagen. Die Gehabschnitte werden im Laufe des Rennens nicht länger, sondern häufiger, d.h. die Laufpassagen werden immer kürzer. Sollte es notwendig sein, lege ich innerhalb der 3stündigen Laufabschnitte eine zusätzliche 3-Min-Pause am Pavillon ein.
2. Ernährung während des Laufens.
Ultrasports Buffer u.ä. Energiegetränke (150kcal/h), kein Wasser! Dazu Kleinigkeiten wie Salzstangen, Riegel, Obst (150kcal/h) alle zwei Runden; regelmäßig Salztabletten, je nach Wetter 4 bis 6 tagsüber, 2 bis 3 nachts. Am offiziellen Versorgungspunkt setzte ich mich nie hin, bleibe höchstens kurz stehen, beginne dort einen Gehabschnitt.
3. Alle 6h richtige Mahlzeiten (400 – 600kcal)
Dazu nutze ich gerne das Angebot des Veranstalters, esse allerdings in unserem Pavillon, um Zeit mit den Betreuern zu verbringen.
4. In der ersten Nacht 30 min Schlafpause, in der zweiten 60 Minuten.
Diese könnte man durch Mantras ergänzen wie:
– Ich mache möglichst keine ungeplanten Pausen.
– Ich gehe nie mehr als 3 Minuten am Stück.
– Ich laufe stets mein eigenes Rennen und lasse mich von anderen weder bremsen noch antreiben.
– Ich bleibe bis zum Rennende auf der Strecke.
Danach beginne ich, meine Excel-Tabelle zu füllen.
In diesem Fall habe ich mir überlegt, dass ich in 3-Stundenabschnitte plane, die außer nach dem Start immer mit einer Pause beginnen. Alternativ kann man auch nach Kilometer planen. In Ungarn ist eine Runde ca 2 km lang. Dann würde man beispielsweise die Blöcke in 10 Runden-Abschnitte (etwa 20 km) einteilen. In England bei der letzten 48h WM kam ich mit den 3-Stundenabschnitten allerdings gar nicht klar. Zum einen erschienen mir die Laufabschnitte unglaublich lang und es ist mir schwergefallen, über 2 Stunden am Stück auf der Strecke zu bleiben. Zum anderen gab es die Mahlzeiten im 4-Stunden-Rhythmus. So habe ich relativ spontan meinen Plan auf einen 2-Stundenrhythmus umgestellt. Wichtig sind, dass sich dadurch die Zwischenergebnisse nicht ändern sollten.
Das ist der Plan für die ersten 24 Stunden:
Ich habe 8 Laufabschnitte pro Tag. Der zweite Laufabschnitt steht in Zeile 10. Er endet nach 6h Wettkampfzeit und geht von 13:10 Uhr bis 16:00. Meine Durchschnittspace beträgt 7:00 min / km, pro Runde, die ca 2 km lang ist, mache ich 2 Gehabschnitte, die etwa 50 m lang sind, einen bei der Verpflegung, den anderen „gegenüber“. In dieser Dauer von 2:50 fallen aber auch ungeplante, kurze Pausen an, wie Toilettengänge, Jacke anziehen oder auch mal mit den Betreuern reden. Dafür ist ein gewisser Puffer eingeplant und es ist völlig ok, wenn ich ohne Störungen durchkomme und entsprechend 500m mehr als vorgesehen schaffe. Die durchschnittliche Abschnittspace lasse ich mir auf der Uhr anzeigen und passe so gut es geht darauf auf, dass sie weder überschritten noch unterschritten wird. In diesem Laufabschnitt möchte ich 24,3km laufen und habe nach 6h dann 51km geschafft. Wenn ich nach 16 Uhr das nächste Mal am Pavillon vorbeikomme, mache ich dort eine 10minütige Pause, in denen ich mich hinsetze, die Schuhe ausziehe, die Beine hochlege, etwas esse, mich mit den Betreuern unterhalte und mich ausruhe. Diese kurzen Pausen optimal zu nutzen, ist rennentscheidend. Ein nasses Trikot würde ich wechseln, Schuhe wechsle ich so sowieso jedes Mal, wobei ich wahrscheinlich immer zwischen zwei Paar wechsle, höchstens drei. Hier halte ich mich an die bewährte Weisheit, im Wettkampf möglichst keine Entscheidungen treffen zu müssen. Ansonsten jedes Mal mögliche Scheuerstellen kontrollieren, ggf. mit einem Waschlappen reinigen und eíncremen. Sockenwechsel und Füße eincremen ggf alle 12 Stunden mindestens in Verbindung mit der Schlafpause. Wenn ich nicht gerade das Gefühl habe, überhitzt zu sein, ziehe ich mir in jeder Pause eine Jacke über oder decke mich in meinem Stuhl mit einer Decke zu, um bloß nicht auszukühlen. Denn je länger das Rennen, umso schwieriger wird es, nach einer Pause wieder auf „Betriebstemperatur“ zu kommen.
Die Pausenabschnitte sind kurze (bis 10 Minuten) in blau oder lange geplante Pausen in grün. Ich gehe davon aus, dass ich eine bequeme Sitzmöglichkeit am Pavillon habe, wo ich auch meine Füße hochlegen und essen kann. Darüber hinaus plane ich eine Schlafmöglichkeit im Zelt zu haben. Hier erscheint mir eine räumliche Distanz zum Renngeschehen wichtig zum Abschalten.
Die Pausenzeit umfasst die komplette Zeit vom Verlassen der Strecke bis zum Wiederbetreten. Wahrscheinlich nehme ich mir einen Timer mit und stelle so ein, dass er 2 Minuten vor Pausenende anfängt, laut zu piepsen! Bei den Schlafpausen gehe ich anders vor. Hier beginnt die Zeit erst zu laufen, wenn ich im Schlafsack liege und endet mit dem Wecken. Am ersten Tag plane ich 30 Minuten Schlafzeit um 4 Uhr, in der zweiten Nacht 60 Minuten um 1 Uhr. Entsprechend ist die Pausenzeit 15 Minuten länger als die geplante Schlafenszeit.
Ein wichtiger Punkt bei der Umsetzung ist, dass es keine Rückschau und keine Prognosen gibt, sondern die gesamte Aufmerksamkeit gilt dem aktuellen Abschnitt, egal ob Pause oder Laufabschnitt. Beim Laufabschnitt gilt es in erster Linie die geplante Pace zu halten, im Pausenabschnitt die Dauer einzuhalten. Wenn man einmal zu einer Massage muss, dann fehlt einem eine halbe Stunde oder 4 Kilometer. Idealerweise kann man sie auf eine geplante Pause legen, ansonsten ist die Zeit einfach weg und fehlt. Wahrscheinlich werden zwischen 2 und 5 Krisen kommen, die jeweils Zeit und Kilometer kosten und dazu führen, dass die geplante Abschnittsleistung nicht geschafft wird. Das weiß ich, aber ich kann sie nicht einplanen!
Wenn ich es schaffe, diesen Plan exakt durchzuziehen, laufe ich in den ersten 12 Stunden 95,1 km und in den zweiten 12 Stunden 83,3 km und habe stolze 178,4km auf dem Tacho stehen, was mir sehr optimistisch erscheint.
Der zweite Tag sieht ähnlich dem ersten aus und hat 8 weitere Laufabschnitte und 8 Pausenabschnitte. Addiert man die Kilometer und die Laufzeit auf 12- bzw. 24-Abschnite, so ergeben sich in der linken Tabelle folgende Splitt-Leistungen:
Daraus kann man einen Tempokonstanzfaktor von 83% berechnen. Nun habe ich ein wenig mit der „24h-Bestleistung“ gespielt und schließlich 195km eingetragen. Dann wären die geplanten 178km etwa 92% davon und die Gesamtleistung würde 167% der 24h-Bestleistung betragen. Die 195 km sind aktuell unrealistisch, aber es bleibt ja noch Zeit zum Training und damit zur Formverbesserung. Möglicherweise sollte ich kurzfristig meinen Plan etwas reduzieren, aber als erster Ansatz steht er genau so und wird nun im Training validiert.
Validierung der Wettkampfgestaltung
Hat man nun so einen Plan fertig, so gilt es nun, ihn zu validieren und die Wettkampfgestaltung zu proben. Man kann eigentlich sofort und regelmäßig seinen bisherigen langen, langsamen Lauf durch die ersten beiden Laufabschnitte inklusive der ersten Pause ersetzen. Für mich würde das bedeuten, dass ich in 6 Stunden ca 51 km laufe und nach 3 Stunden etwa 10 Minuten pausiere. Der Einfachheit halber, würde ich kontinuierlich auf meiner langen Trainingsrunde 9,5 min langsam, also etwa im 6:30er Tempo laufen und dann 30 sec gehen. Wenn ich am Ende ein durchschnittliches Lauftempo von 6:45 bis 7:00 min pro km schaffe, wäre das super, aber dieses langsame Laufen muss ich erst wieder lernen. Wenn der Puls im Bereich 60 bis 65% des Maximalwertes ist und dort auch bleibt, wäre es perfekt. Diese Einheit kann man gar nicht oft genug trainieren. Jede Woche scheint mir absolut angemessen und anstrengend darf sie sich auch nicht anfühlen. Dreimal, vielleicht in der 5., 4. und 3. Woche vor dem Wettkampf würde ich eine 9-Stundeneinheit einlegen; mit drei Laufabschnitten und zwei 10minütigen Pausen. Wenn das langsame Tempo passt und sich der Lauf total easy anfühlt, dann stimmt der Plan, ansonsten würde ich den Plan überdenken und ggf anpassen.
Ebenfalls ist es eine gute Idee, die Taktik im Rahmen eines 24h-Laufes zu testen, aber eine 90%-Leistung der aktuellen Bestleistung ist schon eine enorme Belastung und muss gut in den Trainingsplan passen. In diesem Fall ist es allerdings so, dass mit Sittard Ende März ein idealer Wettkampf zu einem günstigen Zeitpunkt ansteht. Sittard hat ebenfalls eine 2km-Runde und so lässt sich das Rennen ganz gut simulieren. Aber es ist eine andere Jahreszeit, es gibt keine richtigen Mahlzeiten und auch von der Atmosphäre vermutlich nicht vergleichbar. Daher sollte man den Rennverlauf nicht zu kritisch auswerten. Bei einem Test-24h-Lauf wie in Sittard kommt es nicht auf die Pace und die Kilometerleistung an, aber man kann ganz testen, ob die Pausen lang genug sind, um sich zu erholen. Ein weiterer Grund in Sittard zu laufen ist, dass sich viele vom Team Germany dort treffen und gemeinsam laufen und sich so eine prima Gelegenheit ergibt, sich auszutauschen und weitere Details der Anreise und Betreuung zu besprechen. Denn eins ist auch von großer Wichtigkeit, dass man die Vorbereitung nutzt, um Optimismus und Vorfreude zu generieren. Und der zweite Tag wird uns allen leichter fallen, wenn wir als Team auftreten und uns gegenseitig unterstützen. Und da ist ein gemeinsamer Testwettkampf von unschätzbarem Wert.
ChatGPT Trainingsplan für 48h
Text und Dialogpartner von ChatGPT: Fabian Benz, Anmerkungen: Michael Irrgang, 27.12.2023
Was kommt heraus, wenn man Künstliche Intelligenz einen Trainingsplan für einen 48h-Lauf erstellen lässt, kann man hier nachlesen.
Vorwort
Jeder, der mal ChatGPT ausprobiert hat, ist vermutlich schockiert und/oder begeistert zugleich, wie verblüffend diese „künstliche Intelligenz“ ist. Man darf sich dabei schon mal die Frage stellen, ob ChatGPT nicht sogar einen Trainer ersetzen und einen Trainingsplan erstellen kann.
Insbesondere im Ultramarathon gibt es ja leider recht wenig Literatur bezüglich Trainingspläne und je länger die Ultramarathons werden, umso weniger findet man überhaupt Trainingsempfehlungen. Trainingspläne für einen 48-Stundenlauf sind schon äußert rar. Aber es gibt ja „zum Glück“ ChatGPT und ich habe mich gefragt, ob ChatGPT mir einen Trainingsplan erstellen kann.
Für 2024 habe ich als mögliche Wettkampfziele festgelegt, dass ich am 7.4.24 einen 6-Stundenlauf absolvieren möchte und als weiteres „Highlight“ einen 48-Stundenlauf am 1.6.24.
ChatGPT kennt mich persönlich überhaupt nicht, zumindest gehe ich jetzt einmal davon aus. (Aber vielleicht irre ich mich da auch und sämtliche Daten aus meinem PC, Handy, Facebook, Instagram, Garmin, WhatsApp etcpp werden von ChatGPT oder einer sonstigen Macht überwacht.) Aus diesem Grund habe ich mich bei ChatGPT zu Beginn vorgestellt und auch meine potentiellen Ziele genannt, wobei anzumerken ist, dass ich bewusst (für mich) extrem hohe Ziele gestellt habe und mich auch als „ambitionierten“ Ultramarathonläufer vorgestellt habe, nicht, um damit jetzt anzugeben, sondern um bewusst ChatGPT herauszufordern, um einen sehr ambitionierten Trainingsplan zu konstruieren. Z.B. 75 km in 6-Stunden habe ich bisher noch nie und nicht mal ansatzweise geschafft und werde ich sehr wahrscheinlich auch nächstes Jahr nicht laufen. Und beim gesteckten Ziel von 410 km auf 48 Stunden sei anzumerken, dass dies sicherlich schon unverschämt frech und arrogant definiert ist, denn der Deutsche Rekord liegt bei 420 km und der Altersklassen-Weltrekord in meiner Altersklasse liegt sogar bei knapp unter 400 km. Auch liegt mein Trainingspensum aktuell nicht ansatzweise bei 140-160 Wochenkilometer. Aber ich wollte in der Zielsetzung ChatGPT bewusst herausfordern, um einen sehr ambitionierten Trainingsplan zu erhalten.
Damit ChatGPT etwas mehr über meine bisherigen Leistungen weiß und um das Training idealerweise auf meine bisherigen Leistungen abzustimmen, habe ich ChatGPT beispielhaft einige (teils mehrere Jahre zurückliegende) Leistungen bei unterschiedlichen Ultramarathonveranstaltungen genannt.
Nachfolgend findet ihr dann meine Konversation mit ChatGPT und natürlich den Trainingsplan, den ChatGPT mit vorschlägt. Viel Spaß beim Lesen und ggf. Nachtrainieren.
Anmerkung vorweg: Wird ChatGPT künftig einen Trainer ersetzen? Ich glaube, so schnell wird dies nicht der Fall sein. Der Plan von ChatGPT ist durchaus nicht komplett weltfremd, wie ich finde. Ich war ehrlicherweise positiv überrascht, aber aus Trainersicht gibt es durchaus einige Punkte, die man kritisch bei dem vorgeschlagenen Plan anmerken kann, aber das soll hier in diesem Artikel nicht das Thema sein. Anzumerken ist jedoch auch, dass ich ChatGPT nachträglich korrigieren bzw. abändern musste, denn beim Trainingsplan-Teil für den 48 Stundenlauf nach dem erfolgten 6 Stundenlauf hat ChatGPT auch 3 Trainingsphasen mit jeweils 4 Wochen geplant und völlig ignoriert, dass mit diesen 3×4 Wochen das Enddatum vom 1.6.24 nicht eingehalten wird, wie vorab definiert. Ich habe daher den Plan von 3×4 Wochen auf 3×2 Wochen abgeändert, damit das Enddatum auf den 1.6.24 rausläuft.
ChatGPT hat gar nicht die initial angegebenen Leistungen hinterfragt, ob sie überhaupt aktuell sind (oder wie bei mir schon teils mehrere Jahre zurück liegen) und es wird auch nicht der aktuelle Fitnessstand berücksichtigt… wie viel trainiere ich aktuell überhaupt? Welches Lauf/Trainingsniveau habe ich aktuell, es findet kein „Eingangstest“ oder Leistungsdiagnostik und auch das Aufstellen eines Planes über 5 Monate ohne Anpassung des Leistungsniveau ist kritisch zu sehen. Die Benefits von einem Trainer sind ja, dass er das Training gezielt auf das Leistungsvermögen des athleten ausrichtet basierend auf Leistungstest/Diagnostik und das Training regelmäßig, idealerweise auch kurzfristig, den aktuellen Umständen und in Interaktion mit dem Athleten anpasst. ChatGPT hätte mindestens beim Ziel „410 km über 48h) kritisch nachfragen sollen, ob das überhaupt realistisch ist, denn 410 km sind immerhin über 10 km mehr als der aktuell bestehende Altersklassenweltrekord.
Beim Plan von ChatGPT fehlt jegliche Trainingsempfehlung, wie die Taperingphase ablaufen soll (immerhin 4 Wochen vor dem 6h-Lauf) und diese 4 Wochen unmittelbar vor dem Wettkampf ist ja durchaus sehr wichtig
Nun zum Dialog:
Dialog mit ChatGPT
Fabian
Hallo ChatGPT
ChatGPT
Hallo! Wie kann ich Ihnen helfen?
Fabian
Ich bin ein ambitionierter Ultramarathon Läufer. Meine Bestleistung auf 100 km beträgt 9 Stunden. Zudem bin ich 246 km in 33 Stunden gelaufen und 213 km in 24 Stunden. Meine Bestzeit auf 50 km beträgt 3:45 Stunden. Aktuell trainiere 160-180 km pro Woche verteilt auf 6-8 Trainingseinheiten.
ChatGPT
Das ist beeindruckend! Herzlichen Glückwunsch zu solch beeindruckenden Leistungen im Ultramarathon. Es scheint, als ob Sie sehr hart arbeiten und diszipliniert trainieren. Mit solchen Zeiten und Distanzen haben Sie sicherlich eine fundierte Laufbasis. Wenn Sie konkrete Fragen oder Anliegen bezüglich Ihres Trainings, Ernährung, Regeneration oder anderer Aspekte des Ultramarathonlaufens haben, stehe ich zur Verfügung, um Ihnen so gut wie möglich zu helfen. Was möchten Sie besprechen oder erfahren?
Fabian
Danke für das Kompliment. Ich möchte am 1.6.24, also in 5 Monaten einen 48 Stundenlauf absolvieren und hierbei 410 km erreichen. Zudem möchte ich am 7.4.24 einen 6 Stundenlauf absolvieren und hierbei 75 km schaffen.
ChatGPT
Es ist großartig, dass Sie solch ambitionierte Ziele verfolgen!
Fabian
Danke für das Kompliment. Kannst du mir bitte für diese beiden Zielen einen Trainingsplan erstellen? Start des Trainings soll am 1.1.24 sein. Bitte plane zunächst bis zum 7.4.24 das Training für den 6 Stundenlauf. Hierbei möchte ich pro Woche etwa 120-180 km laufen. In der Woche nach dem 7.4.24 dann zunächst eine Woche Ruhewoche mit wenig Training und plane dann das Training für den 48 Stundenlauf am 1.6.24. Hierbei möchte ich dann 140-220 km pro Woche trainieren. Bitte gib für das Training einen Tempobereich in Minuten pro Kilometer an.
ChatGPT
Verstanden, ich werde einen Trainingsplan für den 6-Stundenlauf bis zum 7.4.24 erstellen, gefolgt von einer Ruhewoche und daran anschließend einem Trainingsplan für den 48-Stundenlauf bis zum 1.6.24. Beachten Sie jedoch, dass diese Pläne an Ihre individuellen Bedürfnisse und Ihren aktuellen Fitnesszustand angepasst werden sollten. Es ist ratsam, vor Beginn eines intensiven Trainingsprogramms einen Arzt oder Sportmediziner zu konsultieren. Denken Sie daran, dass Ernährung, Regeneration und mentale Vorbereitung ebenfalls entscheidende Faktoren sind. Passen Sie die Pläne nach Bedarf an und hören Sie auf Ihren Körper. Es könnte auch hilfreich sein, einen Laufcoach zu konsultieren, um einen individuell angepassten Plan zu erstellen. Hier sind die Pläne:
ChatGPT-Trainingsplan-Vorschlag für den 6-Stundenlauf am 7.4.24
6-Stundenlauf bis zum 7.4.24 – Ziel: 75 km
Wochen 1-4: Grundlagen legen (120-140 km pro Woche) (1.1.24 – 28.1.24)
- Montag: 15 km leichter Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Dienstag: Intervalltraining (z.B., 5×1 km mit 2-min Pause) – (4:30-5:30 min/km)
- Mittwoch: 20 km lockerer Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Donnerstag: Fahrtspiel (unterschiedliche Geschwindigkeiten) – (5:30-6:30 min/km)
- Freitag: Ruhetag oder leichter Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Samstag: 25 km lockerer Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Sonntag: 35 km langsam, aber stetig (6:00-7:00 min/km)
Wochen 5-8: Intensität erhöhen (140-160 km pro Woche) (29.1.24 – 25.2.24)
- Montag: 20 km leichter Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Dienstag: Lange Intervalle (z.B., 6×2 km) – (4:30-5:30 min/km)
- Mittwoch: 30 km lockerer Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Donnerstag: Fahrtspiel (5:30-6:30 min/km)
- Freitag: Ruhetag oder leichter Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Samstag: 35 km lockerer Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Sonntag: 45 km langsam, aber stetig (6:00-7:00 min/km)
Wochen 9-12: Spezifisches Training (160-180 km pro Woche) (26.2.24 – 24.3.24)
- Montag: 20 km leichter Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Dienstag: Lange Intervalle (z.B., 6×2 km) – (4:30-5:30 min/km)
- Mittwoch: 30 km lockerer Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Donnerstag: Fahrtspiel (5:30-6:30 min/km)
- Freitag: Ruhetag oder leichter Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Samstag: 35 km lockerer Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Sonntag: 45 km langsam, aber stetig (6:00-7:00 min/km)
Wochen 13-14: Tapering und Erholung (120-140 km pro Woche) (25.3.24 – 7.4.24)
- Reduzieren Sie die Laufumfänge allmählich, um sich auf den Wettkampf vorzubereiten.
Nach dem 6-Stundenlauf: Ruhewoche mit wenig Training (8.4.24 – 14.4.24)
ChatGPT-Trainingsplan-Vorschlag für den nachfolgenden 48-Stundenlauf am 1.6.24
48-Stundenlauf bis zum 1.6.24 – Ziel: 410 km
Wochen 1-2: Grundlagen legen (140-160 km pro Woche) (8.4.24 – 14.4.24)
- Montag: 20 km leichter Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Dienstag: Intervalltraining (z.B., 5×1 km mit 2-min Pause) – (4:30-5:30 min/km)
- Mittwoch: 25 km lockerer Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Donnerstag: Fahrtspiel (unterschiedliche Geschwindigkeiten) – (5:30-6:30 min/km)
- Freitag: Ruhetag oder leichter Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Samstag: 30 km lockerer Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Sonntag: 40 km langsam, aber stetig (6:00-7:00 min/km)
Wochen 3-4: Intensität erhöhen (160-180 km pro Woche)
- Montag: 25 km leichter Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Dienstag: Tempotraining (z.B., 8×800 Meter) – (4:30-5:30 min/km)
- Mittwoch: 35 km lockerer Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Donnerstag: Fahrtspiel (5:30-6:30 min/km)
- Freitag: Ruhetag oder leichter Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Samstag: 40 km lockerer Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Sonntag: 50 km langsam, aber stetig (6:00-7:00 min/km)
Wochen 5-6: Spezifisches Training (180-200 km pro Woche)
- Montag: 30 km leichter Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Dienstag: Lange Intervalle (z.B., 6×2 km) – (4:30-5:30 min/km)
- Mittwoch: 45 km lockerer Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Donnerstag: Fahrtspiel (5:30-6:30 min/km)
- Freitag: Ruhetag oder leichter Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Samstag: 50 km lockerer Dauerlauf (5:30-6:30 min/km)
- Sonntag: 60 km langsam, aber stetig (6:00-7:00 min/km)
Woche 7: Tapering und Wettkampf
Einschätzung von Michael
Künstliche Intelligenz wird eher früher oder später die Trainingsplanung bereichern und vielleicht schon bald die Trainingspläne im Internet ersetzen, aber in vielen Fällen, insbesondere im Spitzensport nicht die Trainer. Spätestens, wenn man der Maschine noch Zugriff auf seine GARMIN-Daten o.ä. erlaubt, können sie sicher gute Pläne erstellen. Denn dann weiß sie, wann man am liebsten trainiert, kennt Trainingsvorlieben und läuferische Fähigkeiten; kann mit Leichtigkeit VO2max und den Riegel’schen Ermüdungskaktor ausrechnen, kann gut Laufökonomie, Stärken und Schwächen einschätzen und aufbauend darauf einen passenden, individuellen Plan auf der Basis bewährter Schablonen für individuelle Ziele erstellen.
Trainingsplangeneratoren gibt es bereits einige, die hinterlegte Trainingsmuster mit der 10km-Zeit kombinieren. Aber vermutlich nicht für den Ultrabereich und mit Sicherheit nicht für den Spitzenbereich im 48h-Lauf. Da ist dann tatsächlich „künstliche Intelligenz“ gefragt, denn es gilt, bewährte Trainingsmuster für den Marathon auf die neue Distanz zu extrapolieren.
Fabian hat viele Details genannt, die auf den ersten Blick etwas widersprüchlich erscheinen. 3:45 auf 50km ist ziemlich gut und entspricht einem Durchschnittstempo von ca 4:30 min/km. Im Vergleich dazu scheinen seine Leistungen über 100km und 24h eher schlecht, insbesondere vor dem Hintergrund seines genannten Trainingsfleißes mit einem sehr hohen Umfang.
Nun hat Fabian selbst eine Bandbreite für Umfang und Anzahl Trainingseinheiten gegeben und ChatGPT hält sich daran. Spannend wäre gewesen, was der Plan enthalten hätte, wenn nicht. Hätte das Programm nachgefragt? Ebenfalls spannend wäre gewesen, wenn sich die Frage auf den 6h-Plan beschränkt hätte. 75km ist schon ziemlich flott und ohne gezieltes Tempotraining nicht zu schaffen. Allerdings reicht seine Tempofähigkeit fast aus und das zweite Ziel , seine Ambitionen beim 48h-Lauf, ist deutlich anspruchsvoller und der Zeitraum zwischen den Läufen sehr knapp. Daher macht es durchaus Sinn, ab Januar schon in ein echtes 48h-Lauf-Training einzusteigen und den 6h-Lauf als Testwettkampf mitzunehmen. Das würde erklären, warum das 6h-Training eher wie das 48h-Training aussieht.
Dagegen spricht allerdings, dass ChatGPT auch für den 48h-Lauf einen 3×4 Wochen-Plan erstellt und den Termin schlicht ignoriert hat. Also vermute ich, dass ChatGPT bei der 6h-Vorbereitung nicht schon den 48h-Lauf im Hinterkopf hatte.
Zu dem Plan im Detail:
Die Notation der Einheiten ist recht kurz, gibt aber die nötigsten Daten an. Die Bandbreite des Tempos ist mir persönlich zu groß. Üblicherweise gibt man bei Intervalleinheiten nur die Pace der schnellen Segmente und auch die Länge der Trabpause an. Dass man sich ein- und ausläuft, wird hier als Vorgabe unterschlagen. Als Tempo wird 4:30 bis 5:30 min/km angegeben. Für die 50km-Zeit als Referenz kann man von einem Marathon-Tempo von 4:15 und 10km-Tempo von 3:50 min/km ausgehen. Da ist die Vorgabe total falsch und auch die Anzahl 5 etwas niedrig.
Das Fahrtspiel ist außer dem Tempobereich gar nicht beschrieben. Ich selbst nutze diese Einheiten als Tempoeinheiten, die mal mittelintensiv, mal hochintensiv ausfallen, je nach geplanten Durchschnittspuls, bzw. Durchschnittspace, falls die Strecke flach ist.
ChatGPT unterscheidet zwischen einem leichten und einem lockeren Dauerlauf. Das macht Sinn, obwohl das Tempo gleich langsam ist. Bei 15km erscheint die Einheit leicht, falls man eine Stunde länger unterwegs ist, wird es trotz des langsamen Tempos anstrengender, also in Summe „locker“.
Freitag Pause oder leicht und am Wochenende zwei lange Läufe, samstags etwas kürzer, dafür schneller. Absolut ok. Allerdings sind mir die Zeitvorgaben viel zu langsam: 5:30 bis 6:30 min/km am Samstag und am Sonntag noch einmal 30 Sec langsamer! Immerhin möchte Fabian in Kürze 6h ein Tempo von etwa 4:45 – 4:50 min/km laufen. Mein Vorschlag wäre, dieses Wettkampftempo am Samstag zu üben, also am Samstag 4:45 min/km und am Sonntag vielleicht 5:45 min/km.
Fazit der Trainingswoche:
Die Wiederholungsläufe sind schwach, Tempodauerläufe gibt es nicht, das Wettkampftempo wird nicht geübt. Dafür ist der Umfang und damit die zeitliche Belastung sehr hoch. Das ist sicher kein „intelligentes Training“, welches für berufstätige Läufer immer von Zeiteffizienz geprägt ist.
Nach vier Wochen gleichen Trainings folgt der nächste Block. Hier wird der Umfang noch einmal um 20 km erhöht, in dem die Einheiten am Montag, Mittwoch, Samstag und Sonntag jeweils um 5 km erhöht werden. Die gleiche Steigerung erfolgt nach weiteren 4 Wochen. Nun sind diese vier Einheiten richtig lang, dazu kommt die Tempoeinheit am Dienstag und das Fahrtspiel am Donnerstag. Sind das jetzt 6 Kerneinheiten? Mein Vorschlag ist, die leichten Einheiten leicht zu lassen und die Steigerungen nur in den dauerbetonten Kerneinheiten, also ggf. das Fahrtspiel verlängern, aber insbesondere die Einheiten am Samstag und Sonntag. Die Steigerung um 20 km pro Woche finde ich grenzwertig, aber ok, vielleicht kann man nach 2 Wochen die Einheiten am Mittoch und Sonntag erhöhen und nach 4 Wochen die anderen beiden. Die Länge der langen Läufe mit 35 und 45 km finde ich ok, obwohl ich sie – wie zuvor schon erklärt – viel schneller laufen lassen würde.
Monatsperiodisierung mit Regenerationswochen nutzen nicht viele Läufer, halte ich aber bei dem hohen Umfang für sinnvoll. Sie verhindern Übertraining und Verletzungen und bedeuten nicht wie oft angenommen einen Form-Rückschritt, sondern eher eine Form-Stabilisation, auf dessen Basis eine weitere Steigerung möglich ist.
Zum 48h-Lauf-Training:
Zwischen den Wettkämpfen liegen etwa 8 Wochen, also 1 Woche Regeneration, 3 Blöcke zu 2 Wochen, 1 Woche Tapering. Im Grunde geht das, wenn die Grundlagen bereits gelegt sind. Dann kann man durchaus 6 Wochen spezifisch trainieren, allerdings würde ich schon 2 Wochen vor dem Wettkampf das Training reduzieren.
Schaut man sich die Einheiten an und vergleicht sie mit dem Plan für 6h fällt eine verblüffende Ähnlichkeit auf. Insbesondere die total unüblichen 5 x 1000 und 8 x 800 machen mich stutzig, die 5 x 2000 finde ich ja gut, aber die anderen Wiederholungsläufe eher nicht.
Der Umfang wird nochmals erhöht, und zwar in ziemlich hohe Bereiche! Im letzten Belastungsblock werden Montag 30km, Dienstag Intervalle, Mittwoch 45 km, Donnerstag Fahrtspiel, Freitag Pause/Leicht, Samstag 50 km und am Sonntag 60km gelaufen. Abgesehen davon, dass man die vorgegebenen „180 bis 200 km“ deutlich überschreitet, ist das echt heftig! Vermutlich kriegt man diese Einheiten zeitlich als Vollzeitbeschäftigter gar nicht hin, aber selbst, wenn das „wissenschaftlich fundiert sinnvoll“ ist, so würde ich befürchten, dass der Athlet sich nicht nur körperlich auslaugt, sondern auch mental ausbrennt. Solche Trainingsblöcke kann man in einem Trainingslager machen. Für umfangsintensive Belastungsblöcke bieten sich hierfür ein paar Feiertage an, aber diese müssen zwingend auch kurzfristig regeneriert werden.
Wenn ich mir die Balance zwischen Tempo- und Ausdauertraining anschaue, sind mir insbesondere im 6h-Laufplan die Tempoeinheiten viel zu wenig. Auch bei einem 48h-Lauf würde ich in Blöcken Tempo trainieren, aber das spezifische Wettkampf-Training ist klar ausdauerorientiert.
Die Balance zwischen Belastung und Regeneration ist ebenfalls nicht ausgewogen. Da fehlen mir Ruhetage und Regenerationsphasen – muss ja nicht gleich eine ganze Woche sein. In dem Plan ist halt „viel vom Gleichen“. Vielleicht ist das als mentale Vorbereitung bewusst gemacht? 48h im Kreis rennen, ist ja auch nicht von Abwechselung geprägt. Im Training ist es aber durchaus möglich, Ausdauereinheiten auf das Rad zu verlegen oder auch einmal eine niedrigintensive Wanderung einzuplanen. Das ständige Drehen von langsamen 30 bis 40 km-Runden finde ich sehr langweilig und unmotivierend.
Aber es gibt auch etwas Positives. Auf den ersten Blick fand ich den Plan von ChatGPT meinem zum 48h-Lauf recht ähnlich. Als festen Block steht das Wochenende mit zwei langen Läufen. Umfang und Tempo passen durchaus. Dann bietet sich der Dienstag für Tempoarbeit an, denn das ist die einzige Einheit, in die man wirklich ausgeruht gehen sollte. Daher habe ich am Montag Ruhetag, ChatPGT schlägt leichtes Training vor. Wenn der Dienstag hart ist, ist der Mittwoch eher locker und am Donnerstag kann man eine anspruchsvolle Einheit einlegen, wie z.B. ein zweistündiges Fahrtspiel. Bei mir klar als Kerneinheit definiert, bei ChatGPT ist das Fahrtspiel nicht gut beschrieben. Der Freitag ist so ein komischer Übergangstag. ChatGPT ist sich da auch nicht sicher und schlägt zwei Alternativen vor. Ich habe einen kurzen Tempodauerlauf eingeplant, aber eigentlich passt er nicht so gut.
Fairerweise muss ich allerdings sagen, dass ich nur eine Musterwoche vorgestellt habe und keinen Plan.
Fazit:
Ein Plan basiert immer auf ein paar Informationen und viele Annahmen. Einen guten Plan zu erstellen für 75km/6h oder 410km/48h mit den von Fabian gegebenen Informationen ist schlicht nicht möglich.
Trainingspläne oder Beispiele gibt es kaum. Daher gibt es einfach zu wenig Daten, um überhaupt brauchbare Trainingsmuster zu erkennen, die man als Basis für neue Pläne verwenden könnte. Und selbst wenn man wüsste und berücksichtigen würde, wie die Leute, die 48h laufen, trainieren, so entspricht das sicher nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen, welche Einheiten wirklich sinnvoll sind, denn die Läufer trainieren in erster Linie die Einheiten, zu denen sie Lust haben.
Pläne müssen immer auch zur Persönlichkeit passen und die einzelnen Motive der Läufer befriedigen. Beispielsweise, dass Training Spaß machen muss. Damit sich der Athlet gut aufgehoben fühlt, gehört, dass der Läufer von seinem Training berichtet und vom Coach Feedback erhält. Das kann alles eine künstliche Intelligenz-Maschine nicht, aber sie kann vielleicht den Trainern helfen, das wäre doch schon einmal eine coole Sache.
Laufbericht: Gelungene Premiere des 48h-Laufes in Unna
Text: Michael Irrgang, Bilder: Michael Irrgang (mi), Martina Stumpf-Irrgang (msi)
Anfang Juni 2023 fand in Unna seit über 10 Jahren zum ersten Mal wieder ein 48-Lauf in Deutschland statt, der die Tendenz hat, sich dauerhaft zu etablieren.
Seit 2011 gab es in Deutschland keinen 48h-Lauf mehr, aber die Dürreperiode scheint überwunden. Denn Jan-Philipp Struck und Mario Windelschmidt veranstalteten am ersten Juni-Wochenende in Unna ein tolles Laufwochenende, in dessen Mittelpunkt ein 48h-Lauf stand, bei dem ca. 20 Frauen und Männer starteten.
Die 48h-Läufer der LG Ultralauf: Volker Greis, Michael Irrgang, Dieter Brendemühl, Michael Vorwerk und Miriam Kudermann (Bild: msi)
Start des 48h-Laufes, Bild: msi
Die Teilnehmer konnten aber auch 24, 12, 6 oder 3 Stunden laufen. Das führte dann in Summe zu einem Teilnehmerfeld von ca 150 Läuferinnen und Läufer und rechtfertigte den hohen, organisatorischen Aufwand, den die beiden mit all ihren Helfern betrieben. Gemäß vieler Berichte hat es sowohl allen Teilnehmern als auch den Veranstaltern megagut gefallen und so ist eine Wiederholung im nächsten Jahr schon fest geplant, lediglich den geplanten Termin wollten die beiden Organisatoren noch nicht verraten. Die Orga war wirklich spitze, die Zeitnahme, Liveverfolgung im Internet, der supergut ausgestattete VP, die Musik und Moderation im VP-Bereich, die Stimmung im VP-Bereich und auf der Strecke und selbst das Wetter hätte nicht besser sein können. Ein besonderer Dank geht an die Familie von Mario. Seine Kinder haben die ganze Zeit über unter anderem am VP geholfen – so nett, zuvorkommend und ausdauernd – das gab der Veranstaltung noch einmal eine ganz spezielle, familiäre Note.
Der gut ausgestattete und bestens bediente Versorgungspunkt, Bild: msi
Die Strecke war landschaftlich schön und abwechslungsreich, aber mit reichlich Höhenmetern und einigen „Trailabschnitten“ ausgestattet. Damit eignete sie sich eher nicht für Bestleistungen, was den meisten Teilnehmern einerseits ziemlich egal war, andererseits dazu führte, dass einige viel zu ambitioniert ihr Rennen begannen und dann später einbrachen.
Tolle musikalische Motivation gab es auf der Strecke, Bild: mi
Kerstin Conrad lief 12h, Bild: mi
Die frisch gemähte Wiese machte einigen der Teilnehmer zu schaffen, Bild: mi
Die LG Ultralauf war zahlen- und leistungsmäßig gut vertreten und hatten einen eigenen Pavillon. Alle gingen sehr motiviert aber kontrolliert ihr Rennen an und man unterstütze sich so gut es ging. Interessanterweise gingen die 48h-Läufer Dieter Brendemühl und Michael Vorwerk erst vor einer Woche bei der Deutschen Meisterschaft über 24h an den Start und zeigten sich gut erholt. Michael wurde mit einer Leistung von über 240km 2. Mann und dritter der Gesamtwertung. Und Dieter, immerhin in der M80 startend, zeigte sich tags und nachts auf der Strecke und drehte beständig seine Runden. Ebenfalls eine beeindruckende Leistung zeigte Miriam Kudermann. Auch sie wollte ursprünglich nach Braunschweig, stürzte aber auf dem Weg zum Bahnhof und blieb zu Hause. Quasi als Ersatz startete sie in Unna und lief ein unglaublich souveränes Rennen. Ihre Leistung von über 260 km bedeuteten nicht nur im Rennen den zweiten Gesamtplatz und Platz 1 der Frauen, sondern auch Platz 21 der ewigen Deutschen Bestenliste. Und weil das alles so gut geklappt hat, wird sie wohl auch bei der 48h Weltmeisterschaft im August in England starten.
Siegerehrung: Mario Luther (24h), Dieter Brendemühl, Michael Irrgang, Michael Vorwerk, Miriam Kudermann (alle 48h), Bild: msi
Platz | Teilnehmer | KM | M/W | AK | Verein | |
48-Stunden-Lauf | ||||||
1. | Michael Irrgang | 282,31 | 1. M | 1. M55 | LG Ultralauf | |
2. | Miriam Kudermann | 260,89 | 1. W | 1. W45 | LG Ultralauf | |
3. | Michael Vorwerg | 243,37 | 2. M | 1. M65 | LG Ultralauf | |
19. | Dieter Brendemühl | 109,03 | 16. M | 1. M80 | LG-Ultralauf | |
24-Stunden-Lauf | ||||||
4. | Mario Luther | 138,23 | 2. M | 1. M60 | LG Ultralauf | |
15. | Michael Petry | 91,5 | 11. M | 2. M55 | LG Ultralauf / Team Erdinger Alkoholfrei | |
16. | Andreas Rösler | 79,82 | 12. M | 2. M60 | LG Ultralauf | |
21. | Michael Flory | 27,25 | 15. M | 3. M60 | Lauffreunde Bönen/LG Ultralauf | |
12-Stunden-Lauf | ||||||
2. | Ralf Führer | 101,24 | 1. M | 1. M55 | LG Ultralauf/BSG JVA Essen | |
4. | Kerstin Conrad | 97,35 | 3. W | 1. W50 | LG Ultralauf | |
25. | Natascha Baum | 33,09 | 9. W | 1. W35 | LG Ultralauf | |
6-Stunden-Lauf | ||||||
42. | Ilo Thöß | 23,36 | 20. W | 4. W55 | LG Ultralauf |
Mein Rennen hatte ich als Test für die 48h-WM genau geplant. Das Problem bei einem 48h-Rennen ist nämlich, dass es höchst individuell ist, wie oft und wie lang man sinnvollerweise Pausen einlegen sollte, um letztendlich das Endergebnis zu optimieren. Genauso wenig wie man nicht seine Ernährungsstrategie für einen 24er bei einem Marathon testen kann, kann man seinen Pausenbedarf für einem 48er bei einem 24h-Lauf testen. Mein Plan bestand aus 16 3-Stundenabschnitten, die vom ersten Abschnitt abgesehen alle mit einer Pause begannen. Die meisten waren 10 oder 15 Minuten lang, in der ersten Nacht gab es eine 30minütige Pause in der zweiten eine 60minütige. Das passte sogar erstaunlich gut! Lediglich das Tempo, was ich dachte, laufen zu können, war ob der Strecke viel zu optimistisch und musste ich schnell um 1 min pro km reduzieren. Die Müdigkeit, Blasen, Krämpfe und andere Muskelbeschwerden waren erstaunlich gut beherrschbar, obwohl meine Laufhaltung gegen Ende alles andere als frisch aussah und ich noch einiges an Optimierungsmöglichkeiten gefunden habe. Insgesamt hat meine Pausenstruktur und mein recht einfaches Ernährungskonzept wunderbar funktioniert, so dass ich bis zum Schluss noch ganz gut laufen und auf diese Weise einige Kilometer machen konnte. Dass es dann am Ende zu Platz 1 reichte, lag in erster Linie daran, dass die schnelleren Läufer vorzeitig ihr Rennen beenden mussten und andere, die sich ihr Rennen ebenfalls klug eingeteilt haben, halt langsamer waren. Durch Miriam und mir sind die ersten Streckenrekorde gesetzt und können im nächsten Jahr gerne überboten werden.
Grundsätzlich kann jeder, der mehrere 24h-Läufe erfolgreich absolviert hat, auch 48h laufen. Den ersten Tag läuft man etwas langsamer, mehr Gehabschnitte oder längere/mehr geplante Pausen und am zweiten Tag kann man noch gut 60 bis 70% der Kilometer des ersten Tages schaffen, wenn man am ersten Tag nicht überzockt. Doch Vorsicht mit der Mathematik, um sein Potential auszurechnen, insbesondere auf der Strecke im Bornekamp in Unna.
Abendstimmung mit Vollmond, Bild: mi
Ein 48h-Lauf hat seine eigene Faszination und die Gemeinschaft der Ultraläufer wäre Jan-Philipp und Mario dankbar, wenn sie ihren Lauf etablieren würden. Also dann: Bis zum nächsten Jahr!
Laufbericht: Unerwartet Weltmeister
Text: Michael Irrgang, Fotos: Michael Irrgang, Martina Stumpf-Irrgang, Thrishul Cherns, Fabian Benz, 17.08.2023
Im August 2023 fand in Gloucester die 2. Weltmeisterschaft über 48h statt, an dem ein kleines Team aus Deutschland erfolgreich teilnahm.
Die Überraschungen des Ultralaufes bringt oft plötzliche Wendungen: meist von der Euphorie in den Krisenmodus. Nur in ganz seltenen Fällen dreht sich das Schicksal ins Positive und so gewann ich total überraschend den Altersklassen-Weltmeistertitel im 48h-Lauf.
Meine Anmeldung zur Weltmeisterschaft im 48h vom 11. bis 13. August in Glouster, England, fand ich schon ziemlich mutig und die Vorbereitung verlief leider auch nicht optimal. So fuhren wir letzten Mittwoch mit vollbepacktem Auto und gemischten Gefühlen nach England. Abends angekommen, trafen wir bereits Michael Bohm mit seiner Partnerin Steffi. Mit ihnen besichtigten wir am Donnerstag die Sehenswürdigkeiten der Stadt Gloucester.
Gruppenbild vor der Kathedrale, Bild: Michael
Die Kathedrale war sehr beeindruckend. In ihr wurden Teile der Harry-Potter-Filme gedreht. Auch die Fußgängerzone und die Docks zeugten von früherem Handel und Wohlstand.
Race director Paul Corderoy zusammen mit dem Präsidenten der Gomu Trishup Cherns, Foto: Martina
Von der Möglichkeit, nachmittags die Tartanbahn zu testen, machten wir keinen Gebrauch, obwohl wir großen Respekt vor dem weichen Boden hatten, zumal man ja die Hälfte der Strecke auf Kurven unterwegs sein würde. Ich hatte 8 Paar Schuhe dabei und wollte spontan welche auswählen, die zum Einsatz kommen sollten.
Eröffnungsfeier, Bild: Michael
Abends trafen wir bei der „Eröffnungsfeier“ die übrigen Teammitglieder aus Deutschland. Thrishul Cherns, der Präsident der GOMU (Global Organization of Multi-Day Ultramarathoners), begrüßte die ca 60 Läuferinnen und Läufer sowie deren Betreuer. An einem Getränke-und Pizzawagen konnte man für sein leibliches Wohl sorgen -gegen Bares und Karte.
Gemütliches Treffen, Bild: Martina
Pizzabäcker bei der Arbeit, Bild Martina
Es sollte die zweite Ausrichtung der 48h-Weltmeisterschaft werden, nachdem es im letzten Jahr bei der Gründung der GOMU bereits die Premiere gab. Die Freunde der Mehrtagesläufe sind begrenzt und so gab es ein großes Wiedersehen. Ich kannte tatsächlich auch einige der Teilnehmer von meinem 6-Tagelauf im letzten Jahr in Ungarn. Der Abend war nett, aber kurz, um möglichst ausgeruht am nächsten Morgen am Start zu stehen.
Gruppenfoto der Läufer, Foto: Martina
Aus Deutschland nahmen drei Männer, drei Frauen und drei Betreuer teil. Fabian Benz (Startnummer 15) war zwar top trainiert, bekam aber bereits im Laufe des erstens Tages orthopädische Probleme und beendete vorzeitig nach gelaufenen 162 Kilometern das Rennen. Simone Durry (13) lief wie üblich ein solides Rennen und befand sich meist im Bereich der Plätze 3 bis 5. Am Ende sollten es über 313 km werden. Ein sehr starkes Debut mit noch etwas Luft nach oben. Bei Michael Bohm (14) lief es anfangs sehr gut, er hatte aber an diesem Tag kein Mittel gefunden, die schleichend zunehmende Müdigkeit in den Griff zu kriegen. Am Ende erreichte er von den 36 gestarteten Männern mit einer Leistung von über 233km Platz 16. Edda Bauer (17) ist mit ihren 79 Jahren ein Phänomen ihresgleichen. Sie nimmt im Bereich der Mehrtagesläufe viele Veranstaltungen weltweit mit, ist mehrfache Weltrekordhalterin und war erst vor drei Wochen beim anspruchsvollen Trail-Wettkampf der LG Ultralauf im Schwarzwald. Am Ende der 48 Stunden erreichte sie 212 Kilometer und von den 23 Frauen den 15 Platz. Erwartungsgemäß gewann sie ihre Altersklasse und wurde Weltmeisterin. Miriam Kudermann (18) hatte reichlich Pech mit der Anreise und kam erst am Vorabend des Starts an. Nachdem sie sehr frühzeitig mit Kreislaufproblemen zu kämpfen hatte, wurde sie vorrübergehend aus dem Rennen genommen. Dennoch ließ sie es sich nicht nehmen, nachdem sie am nächsten Tag „grünes Licht“ bekam und wieder starten durfte, wieder in den Wettbewerb einzusteigen und noch ca 100km zu laufen.
Dem Vorbericht (LINK) war bereits zu entnehmen, dass wir Männer in diesem erstklassigen Feld keine Aussichten auf eine vordere Platzierung hatten. Selbst mit der Mannschaft schien ein Podestplatz unmöglich, obwohl es nur 6 Länder gab, die in Teamstärke (2 Personen) antraten.
Start, Bild: Martina
Pünktlich um 10 Uhr Ortszeit erfolgte der Start und einige rasten – wie nicht anders erwartet – in einem schier unglaublichen Tempo los. Der lange in Führung liegende Dan Lawson aus England lief in den ersten 6 Stunden über 74km! Aber auch seine Verfolger waren nicht weit dahinter! Aber das Rennen hat ja nach 6 Stunden überhaupt noch nicht angefangen. Man könnte sogar darüber nachdenken, dass der erste Tag nur zum Warmlaufen und Einrollen dient. Man benötigt einen Rhythmus zwischen Gehen, Laufen und Pausieren, muss genügend essen und trinken, häufig dieKleidung wechseln und immer schauen, dass man fokussiert im Rennen bleibt. Gerade der Punkt der Fokussierung auf seinen individuellen Plan ist von entscheidender Bedeutung, um nicht wertvolle Zeit zu verschwenden oder seine Energie irrational zu verpulvern.
Miriam und Simone, Bild: Martina | Edda, Bild: Martina |
Fabian, Bild: Trishul | Fabian und Simone, Bild: Martina |
Michael B, Bild: Trishul | Michael I, Bild: Trishul |
Unser Betreuerteam Patrick, Steffi und Martina, Bild Martina
Meine Taktik war, zunächst alle drei Runden einen kurzen Gehabschnitt einzulegen und bis zur ersten Nachtpause mich alle 2 Stunden kurz hinzusetzen. Ansonsten gab es alle 2 bis 3 Runden etwas zu trinken und zu essen. Das Wetter war warm und sehr windig. Der Wind war teilweise so blöd: von vorne kommend kühlte er und 100m später wurde man geschoben, sodass einem schnell zu warm war. Aber insgesamt passte das Wetter an diesem Tag ganz gut und ich schwamm so im Mittelfeld mit. Nach 12 Stunden hatte ich ca 92km geschafft und war – wie alle – schon ziemlich müde.
Jetzt beginnt der spannende, taktische Moment. Manche ruhen sich sehr lange aus, um später schneller laufen zu können, manche bleiben auf der Strecke und marschieren stundenlang, aber ich bevorzuge neben den häufigen, kurzen Pausen nachts immer eine längere Pause, d.h. in der ersten Nacht von 30 Minuten, in der zweiten von 60 Minuten. Die erste Nacht war irgendwie nicht so gut, denn obwohl ich gefühlt gar nicht so viele Pausen eingelegt hatte, hatte ich nach 24h gerade einmal 162 km auf der offiziellen Anzeige, also nur 70 km in den zweiten 12 Stunden geschafft. Aber jetzt war die Sonne wieder da, das Frühstück war gut und ich fühlte mich gar nicht sooooo schlecht. Also weiter. Da ich nur in den Pausen auf den Liveticker nach meinen offiziellen Kilometern schaute, weil meine Uhr viel zu viel anzeigte, habe ich plötzlich wahrgenommen, dass ich auf Platz 10 liege. Für den Platz hatte ich mich zuvor gar nicht interessiert, aber Top 10 hört sich super an!
Da ich der einzige war, der mittlerweile jede Runde 50 Meter wanderte und dann 350 Meter lief, bin ich von den Momenten abgesehen, in denen ich gehend andere begleitete, kaum mit anderen Läufern zusammengelaufen. Dennoch war die Kommunikation innerhalb unseres deutschen Teams großartig. Kaum ein Überhohlvorgang ohne anerkennende Worte und ein Vorbeilaufen an unseren Pavillons ohne motivierende Durchhalteparolen.
Der Samstag ist der gefühlte zweite Tag von drei, der nach der ersten Nachtpause beginnt und mit Beginn der nächsten Nachtpause endet. An einige Dialoge mit anderen Mitläufern kann ich mich noch ziemlich wörtlich erinnern, aber ich weiß gar nicht mehr so genau, ob es an diesem Tag regnete. Das Gehirn radiert unwichtige Details aus der Erinnerung einfach aus! Viele Erinnerungen habe ich nicht mehr an diesen Tag! Bis 22 Uhr, also im dritten 12 Stundenabschnitt bin ich ca 72 km gelaufen und habe sogar vorrübergehend Platz 8 gesamt und Platz 1 in der AK erreicht! Altersklassen-Weltmeister? Wie hört sich das an? Das schien mir nur eine Momentaufnahme zu sein, denn für mich stand jetzt eine längere Schlafpause an, auf die ich nicht verzichten wollte. Mit einem Minimum an Hygiene und Klamottenwechsel sind da schnell 2 Stunden weg.
Wie erwartet bin ich dadurch wieder auf Platz 10 zurückgefallen mit 4, bzw 6 km Rückstand auf die vor mir liegenden Männer. Und es regnete, was mir gar nicht gefiel. Der eine war allerdings jetzt nicht auf der Strecke, sodass ich die 6 km innerhalb einer Stunde mehr als ausgeglichen hatte und den anderen, der seit Stunden nur noch wanderte, überholte ich alle 3 Runden. Die Zuversicht auf den WM-Titel wuchs. Das Wetter war in der zweiten Nachthälfte ziemlich übel. Die Luft war die ganze Zeit schon schwül, aber nun regnete es ordentlich, mal mehr mal weniger, dazu bließ der störende Wind.
Aber es blieb warm. Und so hatte ich immer das Gefühl, falsch gekleidet zu sein und wechselte alle 10 Minuten die Jacke: mal ganz aus, dann Windjacke, dann doch besser wieder die Regenjacke. Das Läuferfeld lichtete sich etwas auf der Strecke. Doch ab dem Frühstück für die letzten 3 Stunden wurde das Wetter wieder trockener.
Alle 4 Stunden gab es einen Richtungswechsel, Bild: Martina
Morgenstimmung, Bild: Michael
Bei einer weiteren Pause stellte ich fest, dass ich nun sogar auf Platz 7 lag und Platz 6 in Reichweite ist. Unfassbar. Mir war klar, dass meine beiden ärgsten Verfolger in der Altersklasse keine Gefahr darstellten, da sie nur wanderten und nicht den Eindruck vermittelten, Kraft für einen Endspurt zurückzuhalten. Aber anderen, jungen, schnellen Läufern war durchaus zuzutrauen, dass sie sich das Rennen schlecht eingeteilt hatten und zu einem Endspurt fähig sind. Und so sollte es auch kommen.
Mit nahendem Rennende wurde ich zunehmend entspannter und begann ein wenig zu trödeln. Die letzten zwei Stunden hatte das Rennen plötzlich einen anderen Charakter. Man lief nicht mehr gegeneinander, sondern unterhielt sich voller Anerkennung für den Kampfgeist, den Fleiß stundenlang auf der Strecke zu bleiben oder die Leistung. In dieser Phase wanderte ich viel, obwohl ich hätte laufen können.
Doch plötzlich informierte mich Michael Bohm darüber, dass mein 6. Platz in Gefahr sei. Luke Ivory aus Schottland lief im 4er Schnitt seine Runden und war damit etwa doppelt so schnell als ich. 8 Runden Vorsprung sind da schnell weg! Also nicht lange überlegen, sondern Jacke ausgezogen, Ärmel hochgekrempelt und so schnell laufen, wie es eben noch geht. Das war zugegebenermaßen nicht einfach nach ca 286 km und 40 Minuten durchhalten muss ich das Tempo ja auch noch.
„Schnell laufen“ hieß zunächst eine Runde in einem Tempo von 6:20 min pro km. Doch ich konnte mich von Runde zu Runde steigern und lief 8 Runden später, genauer in der 723. Runde meine schnellste Runde in 2:06, was einem Tempo von 5:15 min/km entspricht.
Da war mir Michael Bohm eine riesengroße Hilfe, der zunehmend wanderte, oft mit dem Handy in der Hand und mich mit Zwischenständen regelmäßig versorgte. Auch Fabian Benz der zum Anfeuern noch einmal an die Strecke kam, legte sein Handy nicht weg und signalisierte irgendwann, dass mein Platz sicher sei. Ich konnte in der Phase nicht mehr rechnen und lief einfach so schnell ich noch konnte weiter. Es war eine groteske Situation. Die meisten hatten mit dem Rennen abgeschlossen und begannen sich zu feiern, aber Luke und ich rannten am Limit um den völlig bedeutungslosen 6. Platz und wurden von den anderen Läufern und Betreuer kopfschüttelnd angefeuert.
Für die letzte Runde hat Fabian mir dann noch die Fahne gereicht, die ich gerne zeigte. Bild Fabian
Rennende! Bild: Martina
Nach 48 Stunden erfolgte ein Schuss und man ließ kleine Sandsäckchen, die mit der eigenen Startnummer beschriftet waren, fallen. Mit Fabian Benz und Michael Bohm waren wir ein gutes Männerteam und erreichten immerhin den 4. Platz in der Nationenwertung.
Später traf ich dann Luke und gratulierte ihm zu diesem großartigen Endspurt. Im Inneren war ich allerdings etwas sauer, dass er mir diese Strapaze abverlangt hat, obwohl es auch ein klitzeklein wenig Spaß gemacht hat.
Die Siegerehrung war erfreulich kurz. Geehrt wurden die ersten drei der Einzel- und Nationenwertung. Die Altersklassensieger wurden nicht öffentlich geehrt, sondern sie konnten sich ihre Urkunde abholen. Und so sieht sie aus:
Nach der Ehrung brachen wir schnell auf, weil wir nachmittags noch durch den Eurotunnel aufs Festland mussten, wo wir in Veurne, Belgien einen Regenerationstag an der Nordsee eingeplant hatten.
Diesen begannen wir mit einem Stadtrundgang inklusive der Besichtigung des St. Nikolaus-Turmes – selbstverständlich mit Besteigung – und der St.-Walburgakirche, bevor wir noch ans Meer gefahren sind, um uns des kalten Wassers zu erfreuen. So bekam die Reise nach England einen wunderbaren Abschluss.
Nun bin ich also Weltmeister, was sich wirklich komisch anfühlt, weil es nie zu meinen Zielen gehörte. Die Kilometerleistung ist sicher auch nicht überragend (immerhin aktuell Platz 2 der Jahresbestenliste innerhalb der AK) und ehrlich gesagt, wollte ich sogar ein paar Kilometer mehr schaffen. Aber niemand, den ich gefragt habe, hat die eigene Erwartung erfüllt. Vielleicht war die Bahn doch nicht so optimal? Die schwüle Luft kostete vermutlich auch Kraft. Aber letztendlich wird man nicht durch eine absolute Leistung Weltmeister, sondern, in dem man bei einer Weltmeisterschaft seine Kategorie gewinnt.
Ob ich nächstes Jahr nach Ungarn fahre, um an der nächsten 48h-WM teilzunehmen, weiß ich noch nicht. Wenn, dann nicht, um den Titel zu verteidigen, sondern um wieder ein paar schöne Tage mit Freunden zu verbringen und um innerhalb der 48 Stunden Laufzeit das bestmögliche Resultat zu erzielen.
Ergebnisse (Top 3 und deutsche Starter):
Platz Ges | 48h Frauen | Land | AK | Platz AK | Dist (KM) |
1 | Viktoria Brown | HUN | W45 | 1 | 349.648 |
2 | Mara Guler | ROU | W45 | 2 | 326.314 |
3 | Marianne Makinen | FIN | W50 | 1 | 320.877 |
4 | Simone Durry | GER | W45 | 3 | 313.200 |
15 | Edda Bauer | GER | W75 | 1 | 212.768 |
21 | Miriam Kudermann | GER | 118.064 |
Platz Ges | 48h Männer | Land | AK | Platz AK | Dist (KM) |
1 | Szabolcs Beda | HUN | M45 | 1 | 390.838 |
2 | Lukasz Sagan | POL | M40 | 1 | 376.911 |
3 | Dan Lawson | GB | M50 | 1 | 370.592 |
6 | Michael Irrgang | GER | M55 | 1 | 292.575 |
16 | Michael Bohm | GER | 233.377 | ||
26 | Fabian Benz | GER | 162.000 |
Teamwertung Frauen | |||
1. | Hungary | 615.6km | |
Viktoria Brown | 349.648 | ||
Krisztina Dr. Drabik | 266.048 | ||
2. | Finland | 612.4km | |
Marianne Makinen | 320.877 | ||
Paula Wright | 291.677 | ||
3. | Germany | 525.6km | |
Simone Durry | 313.200 | ||
Edda Bauer | 212.768 |
Teamwertung Männer | |||
1. | Hungary | 666.8km | |
Szabolcs Beda | 390.838 | ||
Szilard Fodor | 276.026 | ||
2. | United Kingdom | 661.2km | |
Dan Lawson | 370.592 | ||
Luke Ivory | 291.064 | ||
3. | Switzerland | 592.8km | |
Dominik Erne | 340.564 | ||
Matteo Tenchio | 252.702 | ||
4. | Germany | 525.6km | |
Michael Irrgang | 292.575 | ||
Michael Bohm | 233.377 |
Die Ehrung der Teams nahm Eleanor Robinson vor, eine britische Ikone des Mehrtageslauf und einigen Weltrekorden, Bild: Martina
Bei der Teamwertung sind zwei Dinge bemerkenswert. Zum einen ist der Abstand zwischen den ersten beiden Plätzen sehr gering und zum anderen hat unser Frauenteam genauso viele Runden wie das Männerteam vollendet!
Analyse des Weltrekordlaufes von Camille Herron
Text: Fabian Benz, 30.3.2023
Neuer 48-Stunden-Weltrekord der Frauen von Camille Herron – eine kurze Analyse (von außen betrachtet) und ein kleiner Einblick auf ihre Trainingsphilosophie
Am vergangenen Wochenende (24.03.-26.03.23) beim Sri Chinmoy 48 Hour Festival 2023 in Bruce/Australien lief die amerikanische Ausnahme-Ultramarathonläuferin Camille Herron Frauen-Weltrekord über 48 Stunden mit 435,336 Kilometer. Nur Yiannis Kouros und Andrii Tkachuk waren jemals besser
Den Link zum Rennen inkl. Rundenzeiten findet ihr hier: https://my.raceresult.com/237957/results
Nachfolgend das Rennen von Camille Herron etwas genauer betrachtet, jedoch ist zu berücksichtigen, dass ich nicht vor Ort war und es wohl teilweise „im Strömen“ geregnet hat und ich keinerlei direkte Informationen vom Team Herron habe, wie es ihr zeitweise erging und welchen „Matchplan“ sie hatte.
Gelaufen wurde auf einer 400 Meter Bahn.
(Wenn ich im Nachfolgenden von „Pause“ schreibe, dann meine ich, dass sie für die eine Runde dann die angegebene Zeit benötigte für diese Runde inkl. der Pausenzeit)
Begonnen hat Camille Herron mit nahezu konstanten 2 Minuten pro 400 m Laufrunde, was einer Pace entspricht von 5 min/km. So ist sie die ersten 80 km (bzw. 6:43 Stunden) wie ein Uhrwerk Runde für Runde durchgelaufen.
Dann folgte wohl eine kleine Pause mit einer Rundenzeit von 27 Minuten.
Weiter ging es dann konstant mit einer Rundenzeit von ca. 2:08 Minuten pro 400 Meter (ca. 5:20 min/km) bis Kilometer 130 (bzw. Renndauer 11:30 Stunden) Es folgte eine kleine Pause von 19+4 Minuten.
Es ging weiter mit Rundenzeiten von ca. 2:12 Minuten pro 400 Meter (ca. 5:30 min/km) bis Kilometer 162 (bzw. Renndauer 15:27 Stunden). Es folgte eine Pause von 40 Minuten.
Weiter ging es dann in ziemlich (und bisher ungewohnten) unrhythmischen Rundenzeiten von 2:25 Minuten (ca. 6:03 min/km) bis teil 4 Minuten pro 400 m Runde (ca. 10 min/km). Es folgte eine Pause bei Kilometer 173 (Renndauer von 17:20 Stunden) von 43 Minuten.
Weiter ging es dann bis Kilometer 240 (bzw. Renndauer 24 Stunden. Wieder nahezu konstant von zunächst 2:08 min/Runde und kontinuierlich langsamer werden auf 2:20 min/Runde (ca. 5:50 min/km). Es folgte eine Pause von 37 Minuten.
Weiter ging es mit einer Pace von 2:25-2:30 min/Runde (6:03-6:15 min/km).
Bei Kilometer 274 (bzw. Renndauer 27:30 Stunden) folgte eine kleine Pause von 20 Minuten.
Weiter mit der gleichen Pace von 2:25-2:30 min/Runde.
Kleine Pause von 14 Minuten bei Kilometer 300 (Renndauer 31:24 Stunden).
Weiter mit der gleichen Pace bis Kilometer 322 (Renndauer 34:09 Stunden) und dann eine Pause von 30 Minuten.
Weiter mit einer Pace ca. 2:30 min/Runde bis Kilometer 339 (36:41 Stunden) und dann eine Pause von 13 Minuten.
Weiter mit der gleichen Pace bis Kilometer 355 (38:33 Stunden) und eine Pause von 13 Minuten.
Weiter mit einer Pace von 2:30-2:40 min/Runde (ca. 6:15-6:40 min/km) bis km 362 (39:27 Stunden) und dann Pause mit 11 Minuten.
Nach 370 km (40:28 Stunden) Pause von 10 Minuten.
Nach 386 (42:16 Stunden) Pause von 10 Minuten.
Bei km 400 (43:54 Stunden) Pause von 10 Minuten.
Bei km 412 (45:17 Stunden) Pause von 10 Minuten.
Ab jetzt dann eher Rundenzeiten von 2:40-2:50 min/Runde (6:40-7:05 min/km) bis zum Schluss.
Während sie in den ersten 24 Stunden etwa 240 Kilometer zurücklegte, waren es in den zweiten 24 Stunden dann ca. 195 km.
Insgesamt legte sie 1088 Runden á 400 Meter zurück, was insgesamt 435,336 Kilometer ergeben. Dies entspricht einer Pace von 6:37 min/km über 48 Stunden gerechnet.
Mich würde natürlich brennend interessieren, wie Camille Herron (allgemein) trainiert. Leider kenne ich sie persönlich nicht, sonst würde ich sie einfach fragen. Ebenso habe ich keinerlei Trainingsaufzeichnungen von ihr vorliegend. Aber ich habe einen interessanten Artikel über sie gefunden, welcher Ende Januar 2023 im Trailrunnermag veröffentlich wurde (Link: https://www.trailrunnermag.com/training/camille-herron-says-skip-the-long-run/)
Auf die Frage, wie sie es schaffe trotz ihres Alters von über 40 Jahren noch Weltrekorde zu brechen antwortete sie damals: Sie macht nur ein oder zwei lange Läufe im Monat (keine über 22 Meilen) und sie macht nie zwei lange Läufe hintereinander, also keine „Doppeldecker“. Stattdessen konzentriert sie sich auf das „kumulative Volumen“ und die „Laufhäufigkeit“. Also über viele Trainingseinheiten mit kleineren Laufumfängen erfolgt das „Kilometersammeln“ im Training.
An den meisten Tagen läuft Herron 10 bis 15 Meilen am Vormittag und nach einer Ruhepause von 4-5 Stunden dann ein erneuter Lauf von 6-7 Meilen.
Diesen Trainingsansatz von „Dopple-Run-Day-Sessions“ ist vor allem im Marathon (und kürzeren Distanzen) weit verbreitet. Im Ultramarathonbereich ist dagegen eher der „Lange Lauf“ und „Doppeldecker“ etc. verbreiteter. In dem zitierten Artikel wird die Trainingsphilosophie mit „Dopple-Run-Sessions“ und nur wenige „Lange Läufe“ von der Professorin Karen Troy (of biomedical engineering and the director of the musculoskeletal mechanics lab at Worcester Polytechnic Institute) unterstützt. Sie argumentiert und zitiert auch eine wissenschaftliche Studie bei Mäusen, dass die Knochen bereits auf einen Laufbelastungsreiz von nur einer halben Meile reagieren und dies zu einer positiven Adaptation führt. Jeder Kilometer mehr führt rein auf die Knochenadaptation betrachtet zu keiner weiteren Anpassung mehr, eher häufen sich dann die möglichen Schäden am Knochen als dass der Belastungsreiz dem Knochen verhilft, stärker zu werden. (im Gegensatz dazu führen längere Laufbelastungen auch immer noch zu weiteren Adaptationen im Muskel- und Herz-Kreislauf-System).
Camille Herron orientiert sich laut dem Artikel im trailrunnermag an einem Trainingszyklus von 2 Wochen. In diesem Zeitraum absolviert sie vier Haupttrainingseinheiten:
1) kurze Intervalle wie 400-Meter
2) lange Intervalle wie Ein- bis Drei-Meilen
3) einen Steigerungslauf, der in der Regel in einen langen Lauf integriert wird
4) eine Berglaufeinheit (sowohl Bergauf als auch die Bergab für die exzentrisch Belastung)
Alle anderen Lauftrainingseinheiten läuft sie als „easy runs“ und zweimal pro Woche absolviert sie im Rahmen dieser „easy runs“ noch sogenannte „strides and drills“. Was genau sie dabei macht ist leider nicht beschrieben, aber ich vermute mal, es sind sogenannte kurze „Steigerungsläufe/-elemente“ am Ende einer langsamen Trainingseinheit gemeint.
In einem anderen Artikel vom kanadischen Runningmagazin (Link: https://runningmagazine.ca/sections/training/train-like-world-champ-camille-herron-with-these-tips/)von September 2022 finden sich auch diese oben beschriebenen Trainingsphilosophien von Camille Herron und sie gab dabei 3 Trainingstipps:
1) „Run slowly, most of the time“:
Die „easy runs“ läuft sie mindestens eineinhalb bis zwei Minuten pro Meile langsamer als ihr Marathon-Renntempo. So können sich ihre Beine und ihr Körper gut erholen und ihre starke aerobe Basis bleibt erhalten.
2) „Try shorter, more frequent runs to increase volume“:
Die läuft durchaus Wochenkilometer von 160-220 km, aber kein Lauf länger als ca. 42 km und niemals zwei lange Läufe nacheinander. Sie läuft dagegen täglich zwei Läufe, den ersten Lauf um die Mittagszeit von 16-24 km und den zweiten Lauf am späten Nachmittag oder Abend von etwa acht bis 12 km. Insgesamt so 12-13 Läufe pro Woche.
3) „Focus on recovery, nutrition and sleeping well“:
Schlaf und gute Ernährung haben für sie Priorität, ebenso wie Spaß und Zeit mit der Familie, aber sie liebt wohl auch Bier (hat wohl früher sogar ihr eigenes Bier gebraut) und Tacos
Insgesamt finde ich natürlich ihren neuen 48-Stunden-Frauenweltrekord extrem beeindruckend. Ganz großen Glückwunsch an dieser Stelle an sie.
Aber auch ihre Trainingsphilosophie ist durchaus sehr spannend, jedoch sicherlich nicht eins zu eins auf andere anwendbar.