48h-LAUF-WM in BALATONFÜRED, 31.05. – 02.06.2024

Text: Kerstin Hommel, Fotos: Martina und Michael Irrgang, 10.6.2024


Noch vor einem Jahr hatte ich an die Teilnahme an einer 48h-Lauf-WM nicht gedacht! Und nun ist die bislang größte und leistungsstärkste 48h-Meisterschaft Geschichte! Ich bin froh und dankbar, dass ich daran teilnehmen konnte. Gemeinsam mit 32 Ultraläuferinnen und 85 Ultraläufern aus 23 Ländern, gemeinsam mit 5 Frauen und 7 Männern im Team Deutschland, in Mehrtagesläufen Erfahrene und Debütanten, wie ich! Und nicht zu vergessen die mitreisenden Betreuer, die Organisatoren vor Ort, alle Helfer, die diese WM ermöglicht und zu einem solch unvergesslichen Erlebnis haben werden lassen!
Es war für mich ein Lauf mit Premieren:
– Ich war noch nie länger als 27h:30 nonstopp laufend unterwegs.
– Meine bisher längste gelaufene Distanz sind 167km bei meinem ersten 24h-Lauf in Gotha 2017.
Zur Vorbereitung, Laufplanung und Laufgestaltung waren Michaels Texte sehr hilfreich! (Nachzulesen auf der Webseite der LG Ultralauf)
Am Montagabend, 27.5., sollte es bequem losgehen, im Liegewagen von Berlin nach Budapest, aber der Zug fiel aus. Schon die Anreise war ein kleines Abenteuer. Ich hatte eine mehr oder weniger schlaflose Nacht im Vorfeld eines solchen Laufes. Es konnte nur besser werden! Wie gut, dass ich schon am Dienstagabend in Balatonfüred angekommen war. Es blieb noch Zeit für Erholung, Akklimatisierung und Ausschlafen. Meine Stimmung war sowieso ungetrübt! Eine gute Idee hatte Michael mit der Wanderung über die Halbinsel Tihany, eine gute Gelegenheit zum Kennenlernen der Umgebung sowie zum entspannten Bewegen. Bei einem gemeinsamen Abendessen gab es ein Wiedersehen bzw. Kennenlernen weiterer Laufteilnehmer. Es wurde sich zur Laufstrecke ausgetauscht, noch war sie uns etwas unklar. Und zu den persönlichen Zielen. Es war schließlich eine Weltmeisterschaft! Natürlich wollte ich mein Bestes geben! Aber was bedeutet das auf einer neuen Distanz? In 48h kann viel passieren! Gesund ankommen wollte ich, achtsam mit mir sein! Und mit Spaß laufen als Teil der internationalen Ultralauffamilie, den Moment genießen. Es würde sicherlich eine Verschiebung der bisherigen Grenzen geben, ich wollte über 200 km laufen. Wenn alles gut lief, 220-230 km angehen.
Der Vortag verlief entspannt, natürlich mit konkreter Laufvorbereitung. An der Laufstrecke gab es ein großes Zelt für alle Teilnehmer. Zusätzlich bauten viele, so auch wir, eigene Pavillons und Zelte auf. Das Wetter versprach wechselhaft zu werden. In den letzten Tagen war es immer wieder windig, so musste alles wetterfest sein. Damit waren alle Mannschaften, die Organisatoren und Helfer beschäftigt. Inzwischen war auch die 1,048km lange Laufstrecke erkennbar. Mit einigen Ecken, 2 Wendepunkten war die Bezeichnung „Runde“ etwas irreführend. Beim Ablaufen stellten wir einige Unebenheiten, Dellen fest, die sich bei Regen gut mit Wasser anfüllten. Aber während des Laufes schwanden meine Befürchtungen. Die Strecke war gut zu laufen, abwechslungsreich, umsäumt von reichlich Grün, es gab also auch schattige Abschnitte. Der Balaton schimmerte durch die Bäume hindurch.
Die Spannung stieg: Startnummernausgabe und die feierlich-stimmungsvolle Eröffnungsfeier! Die Teams aller Länder wurden vorgestellt, dazu nacheinander auf die Bühne gerufen. Trishul Lorne W. Cherns, der Präsident der GOMU (Global Organization of Multi-Day Ultramarathoners), stellte in seiner Eröffnungsrede fest, dass diese Weltmeisterschaft der größte und bestbesetzte 48-h-Lauf bisher ist! Beeindruckt von der Atmosphäre verdrückte ich ein stilles Tränchen, schon vor dem Lauf!
LAUFTAG 1, 12 Uhr am 31.5. – 12 Uhr am 1.6.:
Frühstück mit Michael und Martina; Aus-Checken aus dem Hotel; Vorbereitung des persönlichen Pausenplatzes mit Eigenverpflegung, Wechselsachen, Wechselschuhen… Sogar ein kleines Zelt an der Strecke bekam ich zur Verfügung gestellt (Dankeschön an Gabor und Simone). Da konnte ich die Wechselsachen übersichtlich verstauen, bloß während des Laufes nicht nachdenken müssen, was ich als nächstes anziehe! Außerdem hatte ich Isomatte und Schlafsack für kurze Erholungspausen ausgebreitet. Im großen Zelt direkt an der Laufstrecke konnte ich einen Liegestuhl in den kurzen Ruhepausen nutzen. Ich bin ohne Betreuer angereist und habe mich gut darauf eingestellt. Mein Dank an Franz und Martina, die hier und da mit unterstützt haben bei der Versorgung. Alle Betreuer haben mit angefeuert, Mut zugesprochen! Sabine, Elke! Danke! Das war toll!
Der Start rückte näher – und der Regen setzte bereits vor dem Start ein. 12 Uhr! Die Ultraläuferschar setzte sich in Regenkleidung verhüllt in Bewegung. Auch ich lief die ersten Stunden mit Regenjacke. Es war zum Glück nicht wirklich kalt. Nicht zu schnell loslaufen, kurze Ruhepausen von ca.10 Minuten in regelmäßigen Abständen (am ersten Tag etwa alle drei Stunden), kurze Gehabschnitte bereits nach den ersten Laufrunden. Das sollte mir das Durchhalten auch für den 2. Lauftag erleichtern, ermöglichen. Ja, und dieser Plan sollte tatsächlich aufgehen! Ich habe noch nie während eines Laufes regelmäßig längere Sitz- oder gar Liegepausen gemacht. Aber ich hatte tatsächlich nach den Pausen keine großen Probleme, wieder ins Laufen zu kommen. Besonders nachts achtete ich darauf, nicht zu unterkühlen. Ich zog jedes Mal die Schuhe aus, bei längeren Pausen auch die Socken. Das tat wirklich gut! Außerdem nutzte ich die Pausen zum Aufladen der Uhr (Powerbank) und zur Verpflegung. Es gab vom Veranstalter drei warme Mahlzeiten (20 Uhr, 12 Uhr, 20 Uhr). Durch den starken Regen hieß es mehrmals wenigstens ein trockenes Shirt anziehen. Die Socken und Schuhe wechselte ich nach den ersten 8h. Das tat gut, kostete aber auch Zeit. Aber ich hatte am Ende des Laufes keine einzige Blase oder aufgeriebene Stelle!
In der Vergangenheit bin ich nicht immer mit der Verdauung zurechtgekommen. Diesmal hatte ich mir eine Dose Buffer Elektrolytgetränk hingestellt, das hatte ich schon ausprobiert und vertrug es auch zum 48h-Lauf gut. In Abständen mischte ich das mit Wasser in einer Halbliterflasche an, die ich mit auf die Runden nahm. Zwischendurch trank ich auch Cola oder Iso-Getränk verdünnt mit Wasser, nachts oder am Morgen einen kleinen Becher Kaffee. Angenehm magenfreundlich, wärmend waren die Instantsuppen. Und die Salztabletten nicht vergessen. Das muss alles griffbereit dastehen. Auch Vaseline, Sonnencreme … Ja, auf zu nass folgte zu heiß! Kühlen war dann angesagt! Kopfbedeckung jede Runde anfeuchten und am besten ein Buff oder Tuch ebenso zur Kühlung in den Nacken. Trotz der Witterungswechsel hatte ich keine so großen Probleme mit dem Kreislauf. Ich durfte nur das Essen nicht vergessen! Neben der oben schon beschriebenen Flüssignahrung (über die ich einige Kohlenhydrate aufnahm) wollte sich kein so gutes „System“ einspielen, was auch daran lag, das nicht immer etwas in den Körper hineinwollte. Gut vertrug ich kleine Mengen Trockenobst (Datteln), salzige Kekse, anfangs Riegelstücke (gingen später schlecht runter), Pellkartoffeln (sonst immer gut vertragen, bekam ich hier nur am ersten Tag hinunter), natürlich Melone.
Ich hatte bis gegen 3-4 Uhr keine längere Ruhepause gemacht. Die Beine fühlten sich nicht mehr sooo frisch an. Ich hatte mir inzwischen die Kompressionsstrümpfe ausgezogen. Das war angenehmer an den Beinen. Ich hatte so etwa 90 km geschafft und entschied mich statt Schlafpause für eine Massage. Auch noch nie während eines Laufes gemacht. Das war eine sinnvolle Pause. Ich versuchte dann in den frühen Morgen eine kurze Schlafpause (30-45 Min.) im Zelt… Der Schlaf wollte nicht kommen, aber Ausstrecken war angenehm. In den Tag hinein lief es sich leichter. Aber es wurde ordentlich heiß. Zwischendurch gab es Schauer. Aber die Stimmung war großartig! Und beeindruckend, die Spitzenläufer gefühlt jede anderthalbe Runde an sich vorbeilaufen zu sehen. Beim Rundendurchlauf schaute ich hin und wieder auf die Anzeigetafel.
Ich hatte mir für die ersten 24h um die 130 – 135 km vorgenommen. Mittags um 12 Uhr hatte ich 132 km erlaufen. Für die zweiten 24h sollten es 90 – 95 km werden!
LAUFTAG 2, 12 Uhr am 1.6. – 12 Uhr am 2.6.:
Der zweite Lauftag begann mit einer Pause mit dem warmen Mittagessen. Es war inzwischen heiß, und ich gab acht, Trinken, in Abständen Salztabletten und Abkühlen nicht zu vernachlässigen. Wenige Schritte von der Laufstrecke standen reichlich saubere Toiletten zur Verfügung mit der Möglichkeit, sich Hände und Gesicht frisch zu machen. Das kostete einige Minuten mehr als die Dixie-WC-Variante an der Strecke. Die Zeit aber nahm ich in Kauf. Anders war das für die Favoriten, die um Platzierung und Rekorde kämpften. Es war unglaublich beeindruckend zu sehen, mit welchem Tempo die Spitzenläufer ihre Runden drehten! Sie kamen oft genug an mir vorbei!
Meine Beine trugen mich immer noch! Und auch das Lächeln dazu klappte noch mühelos, die Stimmung war unglaublich – auch wir Läufer untereinander wechselten im Vorbeilaufen/ Vorbeigehen einige Worte oder liefen ein Stück zusammen. Wunderbar verständigte ich mich immer wieder mit Marika! Wir waren die einzigen Läuferinnen in unserer Altersklasse W60, aber keine Konkurrentinnen! Ich bin sehr froh, dass wir uns kennengelernt haben! Marika ist eine sehr erfahrene Ultraläuferin, ich freue mich auf ein Wiedersehen!
Inzwischen wurden die Gehpausen länger, aber ich konnte immer wieder laufen! Auch Magen und Verdauung spielten mir keine bösen Streiche. Es gab erneut einen Schauer, aber diesmal wie zur Versöhnung danach einen wunderschönen, lange stark leuchtenden Regenbogen! Lauf unter dem Regenbogen! Am Samstagabend lief ich nun, auch was die Streckenlänge betraf, im Neuland! Ich hatte für die zweite Nacht eine längere Pause von 2-3h geplant, entschied mich aber spontan um: lieber öfter eine kürzere Liegepause. Nach Mitternacht – zum Anbruch des letzten Viertels – allerdings, ließ sich die Müdigkeit damit nicht mehr aufhalten. Ab und an lief ich leicht in Schlängellinien und fragte mich, an welcher Ecke ich mich gerade auf der Strecke befand. Also habe ich gegen Morgen doch noch mal eine Schlafpause von etwa einer Stunde eingelegt. Bei allem Trubel um mich fielen die Augen schnell zu. Mit dem Hellwerden wurde der Sonntag ein heißer Tag! Nach der Liegepause kam ich wieder gut in den Lauf. Ich versuchte meine Laufuhr mit der Rundenanzeige abzugleichen. Das gelang nicht gleich. Gegen halb 8 waren sie geschafft – die 200 km!!! Ich machte voller Freude an unserem Pavillon vor Martina und Sabine einen Freudensprung! Die Stimmung nahm Fahrt auf… Insbesondere im Start-Zielbereich wurde laute Musik aufgelegt. Später spielte eine Band. Alle Betreuer, Unterstützer waren schon in der Frühe wach und an der Strecke. Um 6 Uhr war noch ein 6h-Lauf gestartet worden. Und wir bekamen per Lautsprecher mit, dass bereits mehrere Läufer die 400km-Marke überschritten hatten, am Ende waren es 3 Läuferinnen und 5 Läufer! Unvorstellbar! Insbesondere bei den Frauen war es spannend, aber dass die Dänin Stine Rex mit weniger als 1km Vorsprung den Sieg holte, bekam ich erst nach dem Lauf mit.
Von oben brannte die Sonne! Ich griff immer wieder in die Eiskiste und legte mir Eiswürfel in den Nacken, auf den Kopf, kühlte die Beine. Es schien, als ob sich durch die Stimmung meine Beine wie von selbst bewegten. Ich brauchte seit dem Aufstehen in der Frühe keine Sitz- oder Liegepause mehr. Auch nach längeren Gehpausen konnte ich immer wieder loslaufen. Das setzte zusätzliche Energie frei. Und natürlich ermunterte der Zuspruch nicht nur vom Streckenrand, sondern auch durch Läufer aus unserem Team oder anderen Ländern. Nachdem ich die 200km-Grenze durchlaufen hatte, wurden es zunächst 5 Marathons – 211 km, dann 222 km. Aber die km-Anzahl stand nicht im Vordergrund. Es war ein großartiges Gefühl und Erlebnis, noch laufend auf der Strecke sein zu können. Mit Gehpausen, sicher! Gefühlt hörte ich gar nicht mehr auf zu lächeln. Am Rand und sogar auf der Laufstrecke wurde getanzt! Es war eine riesige Läuferparty, und das nach 48 Stunden!!! Dann zählten wir alle rückwärts… und Punkt 12 Uhr war der Lauf vorüber! Wir blieben stehen, umarmten uns, ich verdrückte einige Freudentränen. Die Startnummer blieb für die Restmetervermessung liegen. Beim letzten Rundendurchlauf las ich auf der Anzeigetafel 224 km.
(Ich hatte einen groben Laufplan erstellt, in den ich aber selten, ab Tag 2 nicht mehr schaute. So war ich über die Punktlandung selbst überrascht! Auf dem Plan standen 225 km)
Am Ende standen bei mir zu Buche:
224,819 km
Gesamtplatz 87
Weiblich 27
AK W60 2. Platz
Wir gratulierten einander und nahmen Gratulationen entgegen! Ich habe noch nie einen solch emotionsgeladenen Lauf erlebt! Davon war auch die Siegerehrung geprägt, die erst um 18 Uhr stattfand. Zeit zum Abbauen der Zelte und Pavillons, zum Duschen, Sachen einpacken und für ein erstes Essen mit Michael und Martina – mit Blick auf den Balaton! Mit dem Abfallen der Anspannung brach die Müdigkeit durch. Aber zur Siegerehrung war davon nichts zu merken, eine großartige Stimmung und mehr als verdiente Ehrung der Erstplatzierten! Es war sehr bewegend!
Stine Rex (Dänemark) siegte bei den Frauen und stellte mit 435,564 km einen neuen Weltrekord auf! Bei den Männern erreichte Bartosz Fudali (Polen) mit sensationellen 447,293 km den 1. Platz.
Hier sind alle Ergebnisse nachzulesen: https://korido.eu/2024GOMU48H_result
Gratulation an alle zum Erreichen ihrer persönlichen Ziele, zum Überwinden der im Laufgeschehen entstandenen Krisen, zu mentaler und körperlicher Stärke! Simone hat einen bravourösen Lauf hingelegt, mit einer unglaublichen Konstanz und den 4. Platz in der Frauenwertung erlaufen! Und Michael Irrgang konnte seinen AK-Weltmeistertitel mit Kampfgeist und Erfahrung verteidigen! Die Siegerehrung nahm die ungarische Ultralauflegende Edit Bérces vor, ihr ungarischer 24h Rekord von 250 km steht bis heute! Was für eine Ehre und Aufregung bei einer Weltmeisterschaft auf dem Treppchen zu stehen, zusammen mit Marika Heinlein!
Dankeschön an alle Unterstützer, Helfer, Betreuer vor Ort, an das Organisationsteam, an die Teilnehmer vom Team Deutschland! Es hat sehr viel Spaß gemacht und ich konnte einiges lernen und an Erfahrung mitnehmen von Euch! Danke an die Lauffreunde, die von zu Hause mitgefiebert haben! An meinen Liebsten, der wohl noch nie so lange ein Sportereignis verfolgt und an mich geglaubt hat!
Die Platzierungen der deutschen Teilnehmer:
10. Simone Durry 368,509 km W45 AK-Platz 2
50. Michael Irrgang 281,948 km M60 AK-Platz 1
55. Marika Heinlein 276,01 km W60 AK-Platz 1
62. Michael Vorwerg 266,852 km M65 AK-Platz 4
81. Silke Gielen 239,604 km W65 AK-Platz 1
87. Kerstin Hommel 224,819 km W60 AK-Platz 2
92. Gerhard Raithel 208,689 km M60 AK-Platz 4
94. Michael Bohm 205,02 km M60 AK-Platz 5
96. Gerhard Kaster 200,947 km M65 AK-Platz 6
98. Bruno Heinlein 189,026 km M65 AK-Platz 7
102. Fred Schmidt 165,64 km M50 AK-Platz 3
108. Sylvia Faller 126,864 km W55 AK-Platz 2*
(* Sylvia war super vorbereitet und lag gut im Rennen. Sehr schade, dass sie von einem Infekt ausgebremst wurde. Das Rennen abzubrechen war eine gesunde Entscheidung! Gute Besserung! Und auf ein Neues!)

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