24h-Meisterschaften – Teil2: Leistungsentwicklung
Hatte ich im ersten Teil erläutert, dass die Teilnehmerzahlen von bestimmten Faktoren abhängig sind, sich aber letztendlich in den über 30 Jahren, seit es Meisterschaften in dieser Disziplin gibt, positiv entwickelt haben, so sind es andere Faktoren, die die absoluten Leistungen beeinflussen.
Aus recht unterschiedlichen Gründen nehmen Läuferinnen und Läufer aller Alters- und Leistungsgruppen gerne an einer 24h-Meisterschaft teil. Einige streben die Kadernormen an, um sich für internationale Meisterschaften zu qualifizieren, andere die Spartathlonqualifikation eine gute Altersklassenplatzierung oder persönliche Bestleistungen. Viele wollen aber auch einfach nur dabei sein und die Meisterschaften miterleben.
Bild von der Siegerehrung in Bottrop 2019. Die wenigsten Teilnehmer haben die Fähigkeit, auf dem Podest der Gesamtsieger zu stehen, doch darf sich jeder als Gewinner fühlen, der 24h auf der Strecke blieb und sein Bestes gegeben hat.
In diesem Text wird beschrieben, wie sich die Weiten sowohl in der Spitze als auch in der Breite in all den Jahren entwickelt haben. Dabei ist die Interpretation der Daten gar nicht so einfach und die erläuterten Trends etwas spekulativ, denn die Ergebnisse sind ein wenig vom Wetter abhängig und viel vom Termin, bzw. anderen Wettkämpfen. So sind für viele Spitzenläufer häufig internationale Meisterschaften oder der Spartathlon wichtiger.
Wir erinnern uns aus Teil 1, dass die Jahre 2000, 2007, 2010, 2011, 2013, 2015, 2017 und 2018 viele Teilnehmer hatte, 2009 gab es die Doppeltmeisterschaft, bei der Kaderathleten an der DLV-Meisterschaft teilnehmen mussten, 2018 gab es die bisherige Rekordteilnahme, 2019 erste DLV-Meisterschaft mit einem Teilnehmereinbruch, 2020 gab es keine Meisterschaft und 2021 die Meisterschaft in Bad-Blumau (Österreich) mit einem Negativrekord der Teilnehmer. 2012, 2014 und 2016 gab es unterdurchschnittliche Teilnehmer und 2016 in Basel das letzte „Rennen im Dauerregen“.
Die Kurven zeigen folgende Werte: Die blaue Linie zeigt die Leistung des Siegers. Die orangene zeigt die Durchschnittsleistung der Plätze 1 bis 3. Hier fließt also die Leistung des Siegers ein. Die graue Linie zeigt die durchschnittliche Leistung der Teilnehmer der Plätze 4 bis 10. Der Durchschnitt aller Leistungen wird in der gelben Linie dargestellt. In den Jahren 1994, 1998 und 1999 wurde die 100km-Mindestleistung berücksichtigt, was die Teilnehmerzahl in der Ergebnisliste reduzierte, jedoch die Durchschnittsleistung anhob. In den übrigen, frühen Jahren gab es bis über 20 Leistungen zwischen 45 und 100 km. Die Mindestleistung gab es konsequent erst ab 2014. Interessant ist, dass es im Regenrennen 2016 zu keinen Ausschlägen nach unten kam, obwohl die Bedingungen mit 20 Stunden Dauerregen alles andere als gut waren. Der Grund ist simpel: Den Spitzenläufern hat es wenig gestört, einige sind etwas weniger als normal gelaufen und diejenigen, die mit dem Regen nicht zurechtkamen, haben frühzeitig das Rennen beendet. Etwa ein Drittel der Teilnehmer, die für die DM startberechtigt waren, werden mit Leistungen zwischen 45 und 100km im offenen Lauf aufgeführt. Dennoch erscheint ein Durchschnittswert von etwa 160km erstaunlich hoch. Hierfür ist auch ein Grund, dass es ein sehr knappes Duell in den Mannschaftswertungen und in der Bundesligawertung gab und die Läufer der beteiligten Vereine einen großartigen Endspurt hingelegt haben. Damals hatte Karlsruhe in der letzten Stunde die Mannschaftswertung Männer übernommen und konnte dadurch denkbar knapp den Tagessieg in der Ultramarathon-Bundesliga feiern.
Zweifellos hat jedes Rennen seine eigene Geschichte.
Schauen wir uns die letzten Austragungen mal genauer an. 2017 und 2018 waren die Meisterschaften jeweils Anfang September in Gotha und Bottrop bei einer vergleichsweise identischen Teilnehmerzahl. Gotha hatte auf der Schlossrunde ein paar Höhenmeter, dafür war es in Bottrop deutlich wärmer. Unter dem Strich gab es in Bottrop sowohl in der Spitze als auch in der Breite signifikant geringere Leistungen. 2019 wieder in Bottrop, fand die erste DLV-Meisterschaft statt und zum ersten Mal war ein Startpass Pflicht. Die Teilnehmerzahl sank um 50%, aber die Leistungen insbesondere in der Spitze nahmen zu. Wer 2021 teilnehmen wollte, musste weit reisen und erlebte in Österreich einen heißen Tag. Die Teilnehmerzahl halbierte sich im Vergleich zum Vorjahr auf ein historisches Tief und die Leistungen der Top-Läufer nahm deutlich ab, jedoch war der Durchschnittswert gut wie schon lange nicht mehr.
Trotz aller Einmaligkeit jeder Veranstaltung kann man einen leichten Trend erkennen und der zeigt für die ersten 10 Jahre nach unten und hält sich dann auf gutem Niveau. Bei der gelben Kurve muss berücksichtigt werden, dass die ersten 20 Jahre noch einige Leistungen mit unter 100km berücksichtigt sind und so die Durchschnittswerte eine andere Basis hatten.
In den Einzellistungen wurden die besten drei Ergebnisse in den Anfangsjahren erzielt, als nur zwischen 45 und 50 Männer am Start standen.
Jahr | Km | Läufer | Verein |
1989 | 256.513 km | Samulski, Peter | ESV Münster |
1990 | 261.028 km | Samulski, Peter | ESV Münster |
1993 | 259.265 km | Dreyer, Helmut | SV Germania Helmstedt |
1999 | 252.984 km | Lukas, Jens | LSG Karlsruhe |
2004 | 253.122 km | Lukas, Jens | LG Nord Berlin Ultrateam |
2012 | 255.369 km | Reus, Florian | LG Würzburg |
Die besten drei Einzelergebnisse wurden in den Jahren 1989 bis 1993 erzielt. Weitere Siegerleistungen mit über 250km wurden nur noch von Jens Lukas und Florian Reus erzielt.
Die Entwicklung der Leistungen bei den Frauen sieht überraschenderweise etwas anders aus. Die ersten 9 Jahre gab es nur zwischen 5 und 11 Teilnehmerinnen und so liegt der Gesamtdurchschnitt oftmals höher als die Durchschnittsleistung der Plätze 4 bis max 10.
Auch bei den Frauen gab es 1993 einen Höhepunkt der oberen beiden Kurven, obwohl es damals in Basel nur 11 Frauen in der Wertunggab! In den ersten 5 Jahren gab es viermal eine Durchschnittsleistung von 180km oder mehr. Sagenhaft! In den nächsten Jahren folgte ein Absturz mit 4 Siegerleistungen unter 200km im Zeitraum 1995 bis 1998. Anschließend gingen die Leistung für die Siegerinnen und der Top3-Frauen aber stetig nach oben. Im Jahre 2004 liegen der blaue und orangene Punkt fast aufeinander, denn damals betrug der Unterschied zwischen Platz 1 und Platz 3 gerade einmal 2,5 km. Interessant ist ebenfalls der Verlauf der letzten 4 Meisterschaften, der komplett anders ist als der der Männer. 2018 liegt es an der exzellenten Einzelleistung, dass auch die orangene Kurve kaum abfällt. 2019 waren trotz guter Siegesweite die anderen Ergebnisse, insbesondere der Wert für die Top3, die niedrigsten Werte seit Jahren. In Bad Blumau gab es wieder sehr gute Werte bei den Top3 und im Gesamtdurchschnitt.
Jahr | km | Läuferin | Verein |
1993 | 243.657 km | Lomsky, Sigrid | SCC Berlin |
2011 | 228.490 km | Krause, Antje | Ultra Sportclub Marburg |
2012 | 228.595 km | Straß, Melanie | LTF Marpingen |
2018 | 232.702 km | Libuda, Anke | BSG Springorum Bochum |
2021 | 225.640 km | Jezek, Julia | Die Laufpartner |
Auch wenn Sigrid Lomsky bereits 1993 den Meisterschaftsrekord lief und gleichzeitig einen Deutschen Rekord aufstellte, sind die anderen Leistungen neuerer Natur. Bei den Frauen hält sich der Durchschnittswert auf einem guten Niveau, aber in der Spitze steigen die Leistungen in den letzten Jahren.
Die durchschnittlichen Siegerleistungen der letzten 5 Jahre liegen bei den Männern bei 239 km und bei den Frauen bei 221 km.
Summiert man die Normerfüllung der letzten 3 Meisterschaften (2018, 2019, 2021), bzw. der letzten 4 Jahre, so ergibt sich folgendes Bild.
MS = Meisterschaften, BL = Bestenlisten Diese Werte enthalten Mehrfachzählungen, falls beispielsweise eine Personen mehrmals in den Jahresbestenlisten aufgeführt wird. Pers = Anzahl Personen, die in den letzten 4 Jahren mindestens die A-, bzw. die P-Norm erfüllten.
Kadernorm | A-Norm | MS | BL | Pers | P-Norm | MS | BL | Pers |
Männer | 250 | 0 | 2 | 2 | 225 | 6 | 19 | 12 |
Frauen | 225 | 2 | 7 | 5 | 200 | 5 | 25 | 10 |
Nur die A-Norm berechtigt zur Teilnahme an internationalen Meisterschaften, allerdings kann die Mannschaft durch P-Norm-Inhaber ergänzt werden, wenn es eine Chance auf eine Mannschaftsmedaille gibt. Im September findet die 24h EM in Verona statt und gut möglich, dass sich deutsche, aber auch andere internationale Starter noch qualifizieren wollen. Der Termin und die übrigen Voraussetzungen sind günstig!
In den letzten beiden Jahren gab es nur sehr wenige Wettkämpfe im 24h-Lauf. Dennoch zeigten viele Top-Läuferinnnen und Läufer eine beeindruckende Form.
Die Tendenz in der Welt zeigt eine deutliche Leistungssteigerung in den letzten Jahren, die von dem Weltrekord von Alexandr Sorokin mit 309 km gekrönt wird.
Sowohl die Siegerweiten der letzten Meisterschaften aber auch die Jahresbestenlisten der letzten Jahre deuten an, dass Deutschland bei den Männern in den letzten Jahren den Anschluss etwas verloren hat. Das gilt auch für Europa, da die Läufer aus USA und Japan die letzten Jahre nicht so präsent waren.
Auch bei den Frauen zeigt sich ein ähnliches Bild mit steigenden Leistungen seit dem Jahr 2000. Hier war die Entwicklung sowohl bei den Meisterschaften als auch den Jahresbestenlisten aber ähnlich, so dass die Deutschen Frauen ihren Platz behauptet haben.
Wie zuvor beschrieben sind die Gründe vielfältig, warum die besten Läufer nicht an der Meisterschaft teilnehmen oder nicht ihre maximale Leistung zeigen.
Als Ergänzung die Top-Leistungen der Jahresbestenliste:
Top-Leistung | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 |
Männer | 251,6 | 258,7 | 260,0 | 252,8 | 228,2 | 231,9 |
Frauen | 235,2 | 237,8 | 232,7 | 254,3 | 218,2 | 229,3 |
2019 ragt natürlich das Ergebnis von Nele Alder-Baerens mit 254,3 km heraus, Sie lief damals bei der Weltmeisterschaft in Albi (Frankreich) Deutschen Rekord und überbot den bestehenden von Sigrid Lomsky (1993) um etwa 10,5 km.
Prognose für die 24h DM in Bottrop
Vieles spricht für hervorragende Leistungen. Der Termin Mitte Mai lässt eher kühles Wetter vermuten mit einer kalten Nacht. Vermutlich werden einige nationale und internationale Starter versuchen, sich für ihr Nationalteam zu qualifizieren.
Insgesamt gibt es sehr wohl aktuell einige Männer und Frauen in Deutschland, die internationales Format haben und ich bin auch zuversichtlich, dass sie sich wieder zeigen. Möglicherweise wird es in Bottrop eine spannende Mischung aus erfahrenen Läufern geben, die ein Comeback anstreben und 24h-Einsteiger, die direkt mit einer super Leistung auftrumpfen. Und das wäre nicht das erste Mal!
Text und Bilder: Michael Irrgang 02.01.2022
Alle Artikel zur Geschichte der 24h-Meisterschaften:
Teil 1 – Entwicklung der Teilnehmerzahlen
Teil 2 – Leistungsentwicklung
Teil 3 – Mannschaften