Text und Bilder ohne Bildherkunft: Andreas Häußler, Logo: LG Ultralauf
Es ist Samstag 03:30 und ich bin hellwach. Der Wecker hätte erst um 04:00 geklingelt, aber es bedurfte ihn offenbar nicht, denn ein außergewöhnliches Ereignis stand an, der mir trotz ausklingendem Urlaub wichtiger war als Schlaf, nämlich ein echter Laufwettkampf.
Die LG Ultralauf lud zum Frankfurter Grüngürtelultra („FGGU“) und für Kerstin Conrad und mich sollte es ein schöner Abschluss des Urlaubs werden. In der Tat ist seit dem Bonner BrückenQualitätsultra („BBQU“) – der war ja auch vom Verein im Rahmen eines Trainingswochenendes ausgerichtet und immerhin vor Corona – und dem Kölner Grüngürtel-Pendant in diesem Jahr kein weiterer Streckenwettkampf in diesem Jahr auf meiner DUV-Liste zu verzeichnen.
Viel wettkampfmäßig gelaufen bin ich dieses Jahr also nicht, und „privat“ bin ich hauptsächlich längere Strecken ohne Ambition, schnell zu sein, gelaufen. Auch mein aus Italien mitgebrachtes „Wettkampfgewicht“ ist derzeit nicht bestzeitfähig, aber egal: Die Vorfreude darauf, eine Startnummer tragen zu dürfen und auf Zeit zu laufen war riesig. Mal schauen, was geht!
Ich holte Kerstin zeitig ab und wir hatten uns auf der Fahrt reichlich zu erzählen. Sie wollte vor allem mit Spaß, verletzungs- und schmerzfrei über die komplette Strecke kommen und freute sich genauso wie ich auf den Lauf.
Dass er überhaupt stattfinden konnte, war ja in den Zeiten drohender Ausgangsbeschränkungen trotz Hygienekonzept keine Selbstverständlichkeit und im Nachhinein betrachtet auch äußerst knapp – aber man darf ja auch mal Glück haben. Und Laufen mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen ist ja durchaus ein Quell der Gesundheit, das sagen auch Virologen.
Erinnerungen an den FGGU – die Medaille gab es natürlich erst im Ziel
So trafen dann nach und nach an der „Batterie“ in Frankfurt-Höchst Vereinskamerad*innen und andere bekannte Läufer*innen ein, die wir uns auch maskiert noch wiedererkannten und wir standen bei Michael Irrgang am Zelt für unsere Startnummer an, „fast wie immer“.
Auf der Fähre – mit Maske
Der eigentliche Start war auf der anderen Seite des Mains, wir fuhren mit drei Fährfuhren über und starteten nach kurzer Einweisung vom Renndirektor Klaus Haake pünktlich um 08:40, 08:50 und 09:00, erst diejenigen, die sich wie Kerstin etwas mehr Zeit nehmen wollten, dann diejenigen, die sich etwas weniger Zeit nehmen wollten – da sortierte ich mich ein – und zum Schluss die Schnellen. So wurde das Teilnehmerfeld auch noch einmal etwas immunologisch günstig auseinandergezerrt, um es dafür aber im Verlauf des Rennens an den VPs wieder zusammenzuführen.
Ich kannte den Frankfurter Grüngürtel noch nicht und stellte mir nach Kartenstudium einen recht flachen Lauf mit unterschiedlichen Wegbeschaffenheiten vor. Zu Beginn war es auch genauso, ich ließ mich erst mal ein paar Kilometer von den Flotten ziehen, denen ich dafür manchmal den Weg zeigen durfte, denn nicht alle Teilnehmer waren es offenbar gewohnt, dass es von breiten Kieswegen auch mal abrupt in schmale Wald- und Wiesentrails abknicken kann. Das Wetter hielt sich, die Stimmung war gut. Endlich wieder ein Wettkampf!
Nach 300m folgte der erste Wiesenweg, Bild: Olaf Grimm
Jens Allerheiligen und Michael Irrgang hatten am Vortag eigentlich alle schwierig zu findenden Abbiegestellen mit Pfeilen markiert, der Weg war durchgängig markiert und ich hatte den Track sowohl auf der Uhr als auch unabhängig davon auf meiner Komoot-App auf dem Handy. Da war Verlaufen schon schwierig, ich war diesmal auch immer richtig. Aber im fremden Gelände schätzt man ja jede Sicherheit, dass man nicht auf dem falschen Pfad ist.
Einmal durch die Schwanheimer Düne, Bild: Olaf Grimm
Kerstin begegnete ich wieder, sie ermahnte mich – erneut, sie kennt mich gut -, nicht so schnell zu machen, und so kam ich bald an der ersten VP nach ca. 18km an, die immer noch auf der Südseite der Stadt war, wir liefen von Höchst aus gegen den Uhrzeigersinn. In der Tat nahm ich ein bisschen raus, der Weg war ja noch weit und bis zur nächsten VP bei 40km ein längeres Stück zu überwinden. Man kam an den Main und in urbanere Gefilde und oh weh, ein Kollege war böse hingefallen und wir entschieden nach einigen Telefonaten, dass hier doch ein Rettungssanitäter helfen müsse und der Kamerad besser gleich richtig zu verarzten sei. Nach dieser Zusatzpause und dafür vielleicht noch etwas aufmerksamer als vorher – ich war selber am Vortag übel auf die Knie aufgeklatscht – ging es bei nun einsetzendem Regen durch Stadtviertel gen Norden.
Dort war dann wieder Wald zu finden und der Track zeigte auf einmal einen steilen Anstieg an. Das kann nur ein Höhenlinienfehler gewesen sein, entschied ich, und trabte unbeirrt weiter. Aber es gibt in der Tat auch in Frankfurt Berge, und der eine gehörte zu unserer Strecke. Von oben konnte man dafür schön über die Frankfurter City blicken und das sogar ziemlich lange, bevor es zur VP und danach wieder runter zur Nidda ging.
Dort war es dann wieder eben, die Wegbeschaffenheit aber teilweise ziemlich zäh auf schmalen Wiesentrails. Danach, wieder auf breiteren leicht zu laufenden kiesigen Radwegen, fehlten mir dann trotz einer weiteren VP die Körner, um noch einmal richtig was rauszuholen, aber mir war ja klar, dass ich gegenüber früheren Läufen in dieser Größenordnung (Röntgenlauf, Kölner Grüngürtel) nicht in gleicher Form unterwegs war. Mit 07:24 für 68km etwas unter der Wunschzeit von sub7, aber das ist ja eigentlich immer so etwas von egal. Glücklich bin genau bis zur Ziellinie gelaufen und habe von Klaus, dem ich gefühlt irgendwie überall begegnete, die Medaille entgegengenommen. Keinen Schritt mehr heute!
Auf der Fähre vor dem Start und beim Zieleinlauf (Bild: Manfred Huppka)
Danach musste ich mich schnell mit von Kerstin geliehenen Sachen aufwärmen, da ich meine eigenen vergessen hatte, bevor es nachher noch zur Jahresabschlussfeier mit Pizza und Pokal ging. Denn wir haben als LG Ultralauf in 2019 mit Abstand die Ultralaufbundesliga gewonnen, was ja nun zu feiern war. Michael hatte einen ausführlichen Vortrag vorbereitet, wo sich mancher von uns in Foto und Film auf zurückliegenden Laufereignissen aus den vergangenen Jahren und einigen wenigen aus diesen Jahren wiederfand. Auch manche Soloprojekte fanden Erwähnung, Not macht erfinderisch!
Rückschau auf das Laufjahr 2019, als wir die Ultramarathon Bundesliga gewannen, Bild: Martina Stumpf-Irrgang
Michael betonte, dass der Erfolg unseres Vereins sich sicherlich auch durch den guten Mix erklären lässt, in dem die im Vordergrund stehende Gemeinschaft und die Freude am langen Laufen sich eben auch mit Ambition verbindet. Was man gerne macht, macht man auch gut! So manch dokumentierte Leistung von alt und jung zeugt davon in den berichteten Meisterschaften, aber auch vom gerade zurückgelegten FGGU. So gewann schließlich bei den Frauen Vereinsneumitglied Rebecca Lengner – an ihrem 31. Geburtstag – den FGGU bei den Frauen mit 05:55, während Rita Nowottny-Hupka nicht minder ambitioniert trotz ihrer fortgeschrittenen Altersklasse mit 06:37 einen hervorragenden dritten Platz machte.
Das war ein mühevoll und sicherlich auch zuweilen unter Stress geplanter Lauf und Jahresabschlussfeier. Ich hoffe, dass die vielen entspannten und fröhlichen Gesichter, die unterwegs zu entdecken waren und auch bei der Jahresabschlussfeier in angeregten Gesprächen vorzufinden waren, dafür Lohn genug waren. Mein großer Dank an die Planenden und Betreuenden sei hiermit dokumentiert. Alles lief perfekt, es war eine schöne Abwechslung vom derzeit manchmal etwas tristen Alltag in schwierigen Zeiten. Alles war gut, die Strecke war schön und abwechslungsreich, das kann man durchaus nochmal machen.
Kleine Ergänzung von Freitagabend (Michael Irrgang):
Seit einigen Jahren nutzen wir eine Laufveranstaltung im Herbst für eine Jahresabschlussfeier. Neben dem offiziellen Jahresrückblick berichtet meist ein Mitglied von besonderen Veranstaltungen. Diesmal hat Dietmar Rosenau am Freitagabend einen wunderbaren Vortrag über Mehrtagesläufen auf der ganzen Welt gehalten. Ein beispielhafter Bericht von Peru: hier klicken
Bild: Michael Irrgang