Extrem-Ultras in Athen

Text und die meisten Bilder: Edda Bauer, weitere Bilder wurden vom Organisator zur Verfügung gestellt Joannis Chortis, 22.04.2020

B01 Akropolis

Akropolis

Zweitausend Kilometer laufen? 20 x 100 km oder ca. 47 ½ Marathonläufe hintereinander? Auf einer den Gerüchten zufolge 1 km Hin-/Rückrunde der trostlosesten Art, wie sie sich der Phantasiebegabteste nicht ausdenken könnte? Und fröstelnd in kalten ungemütlich hohen Räumen auf hartem Boden um ein Mindestmaß an Schlaf ringen? Womöglich mit schnarchenden und stöhnenden Nachbarn? Einem entsprechenden Orakel für mich hätte ich bis Mitte 2019 keinen Funken Wahrheitsgehalt geschenkt. Doch dann berichtete mir Jaroslav aus Tschechien beim gemeinsamen Laufen am Balaton, dass er sich für einen ebensolchen Lauf in Athen angemeldet hat. Außer meiner Bewunderung für Jaro regte sich zunächst nichts in mir.

Erst ein paar Wochen später fing ich an, die Vorstellung in meinem Herzen zu bewegen. Und eines Abends, nach einem badischen Viertele, schickte ich die Mailanfrage an die Organisatoren: Kann ich mit Split-Zeitnahme nach 1000 km und 1000 Meilen (in diesen Disziplinen witterte ich AK-Weltrekorde) rechnen? Sei gebongt, so die postwendende Antwort. Da musste ich flugs den Ricardo aus Spanien anspitzen, den ich ebenfalls vom 6-Tage-Traditionslauf am Balaton kannte. Er biss sofort an. So trafen wir uns am 1. Februar 2020 am Flughafen in Athen und nahmen gemeinsam den Bus zum Veranstaltungsgelände.

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Zum Ort des Geschehens gäbe es ganz viel zu berichten. In aller Kürze nur das: Bis 2001 befand sich hier der Flughafen Athen-Ellinikon mit recht dramatischer Geschichte von tödlichen Zwischenfällen (Flugzeugabstürze, Bombenangriffe). 2004 wurde ein Teil des Geländes für die Olympischen Spiele umgestaltet. Nach der Olympiade wurde alles dem Verfall preisgegeben. 2016 hausten vorübergehend bis zu 3.500 Flüchtlinge im ausgedienten Flughafengebäude und in den angrenzenden Sporthallen, bis diese es schafften, sich da hinaus zu streiken. Jetzt bietet sich ein unvorstellbarer und schwer zu ertragender Anblick der Verwahrlosung: Müllkippen, Bauruinen, Schmierereien, durchlöcherte Zäune, aufgeplatztes Pflaster, wilder Bewuchs.

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Als für uns 2.000 km-Läufer am 2. Februar 2020 um 15 Uhr der Startschuss fiel, waren die 5.000 km-Läufer schon seit 2 Wochen auf der Strecke. Die wenigen 1.000 km- und 1.000-Meilen-Läufer hatten entweder abgebrochen oder den Wettbewerb kurz vorher zum erfolgreichen Abschluss gebracht. Die Teilnehmer der Kategorien 24, 48, 72 und 144 Stunden waren schon abgereist. Nur die „extrem langen“ waren ab jetzt noch unter sich, nämlich 8 „Spinnerte“ (ich Norddeutsche liebe meine badische Wahlheimat) für die 5.000 km und 4 „Gemäßigte“ für die 2.000 km. Das weibliche Geschlecht war in beiden Gruppierungen nur je 1 x vertreten. Von den ursprünglich neun 5.000ern hatte einer nach 725 km bereits den Entschluss gefasst, sich anderen Freuden hinzugeben. Das insgesamt verbliebene Dutzend „Kämpfer“ war international bunt zusammengewürfelt: Jeweils einer aus den USA, Brasilien, Japan, Taiwan, Griechenland, Italien, Polen, Spanien, Tschechien, Deutschland, zwei aus Rumänien. Stark vertreten, die Rumänen – einer von ihnen ging am Schluss als klarer Sieger in der längsten Distanz hervor.

Und das ganze Dutzend zuzüglich mitgebrachter Betreuerinnen wuchs im Laufe der langen Zeit zu einer so wunderbaren Großfamilie zusammen (tja, Betreuerinnen, denn umgekehrt gibt’s das eher selten, dass nämlich ein männliches Wesen ein weibliches beim Laufen tatkräftig unterstützt, füttert, applaudiert, aufmuntert, lobt, bewundert, streichelt oder mit welchen Aktivitäten sonst noch zu stärken versucht)!

B04 KuchenIch kann mich nicht beklagen, denn auch ich profitierte von den Betreuerinnen, in wohl bescheidenerem Umfang, aber doch mit großer Dankbarkeit auf meiner Seite. Da wurde ich gefragt, ob ich etwas aus dem Supermarkt mitgebracht haben möchte, da dampfte mal ein leckerer Kräutertee auf meinem Tisch, lag mal eine Tafel Schokolade, ein Stück Kuchen mit deutschen Nationalfarben – oder sogar ein Blumenstrauß hellte eines Tages die Stimmung auf.

B05 Essen

Wir vier 2.000er nannten uns „vierblättriges Kleeblatt“ („four-leaf clover“) und waren guter Dinge, hatten alle mindestens einen Weltrekord im Hinterkopf. Nicht überaus schwierig, so dachten wir – denn in der aktuellen IAU-Weltbestleistungen-Liste fehlen in den anvisierten Disziplinen unsere „fortgeschrittenen“ Altersklassen bisher gänzlich. Ja, alt waren bzw. sind wir leider alle schon: 1 x M65, 1 x M70, 1 x M75, 1 x W75. Nach dem Schwinden von Spurtkraft/Schnelligkeit müssen wir uns wohl auf Ausdauer und mentale Stärke verlassen. Wir waren uns alle 4 nicht fremd – jeder kannte jeden von unterschiedlichen früheren Veranstaltungen.

Doch leider – zu meinem großen Bedauern – verließen mich die Männer einer nach dem anderen: Der erste nach gut 700 km wegen nicht bezwingbarer Rückenbeschwerden, der nächste nach 1.000 km (AK-WR!) wegen zu wenig schmerzfreier noch halbwegs intakter Resthautfetzen an den Füßen, der dritte und letzte nach 1.000 Meilen (AK-WR 1.000 km und 1.000 Meilen!) wegen der Aussichtslosigkeit, das Zeitlimit einzuhalten. Ein fünfter angemeldeter 2.000er war erst gar nicht gestartet.

Im Jahr 2017 war ich in Athen bei den „Dayrunners“ (Anmerkung zum Namen später) schon einmal angetreten. Es war der erste 6-Tage-Lauf in meiner spät begonnenen Läuferkarriere. Nie wieder, hatte ich mir danach geschworen. Der Wind pfiff, der Regen peitschte, die Strecke öde, Verpflegung draußen in der Kälte. Vor allem aber hatte ich mich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht so recht mit dem Rundendrehen angefreundet, ganz egal, wie interessant die Runde auch sein mochte. Etappenläufe und Trails waren meine Vorliebe: MDS Marokko und Peru, G2G, Bhutan, Kambodscha, Sri Lanka, durch die Namib und andere Abenteuer, teilweise mit kompletter Ausrüstung auf dem Rücken, das war’s doch! Leider wird das, zugegeben, mit den Jahren etwas beschwerlicher. Da kann man voller Dankbarkeit mit Hilfe der Rundenläufe das Couchzeitalter noch etwas hinauszögern.

B06 Stadion

Nun aber möchte ich alle Unkenrufer in Sachen Attraktivität dieser Veranstaltung zurückpfeifen. Hier die nach meiner Einschätzung entscheidenden Verbesserungen gegenüber den Vorjahren: 

  • Start/Ziel/Verpflegung nebst einer Runde von ca. 200 Metern befinden sich jetzt innerhalb einer großen Sportarena, geschützt vor jeder Wetterunbill. 
  • Jeder Läufer kann sich in der Mitte der Halle am Rande der Rennstrecke einen großzügigen Bereich einrichten mit allen benötigten persönlichen Utensilien, darf die Beine zwischendurch hochlegen, in Ruhe die Mahlzeiten genießen, der Musik aus den Hallenlautsprechern lauschen, die Ergebnisse verfolgen, ein Schwätzchen mit den Freud-/Leidgenossen halten, die Vorbeiächzenden anfeuern oder bedauern, je nach deren Erscheinungsbild. 
  • In einem großen Kühlschrank kann jeder ein eigenes Fach auffüllen mit seinen Lieblingsleckereien und -getränken. 
  • Mittags und abends wird eine gekochte Mahlzeit serviert (müsste freilich meistens noch mal aufgewärmt werden, wenn man sie nicht lauwarm oder gar kalt genießen möchte, wie ich das aus Bequemlichkeit allerdings tat). Viele Michelin-Sterne würden Gutachter freilich nicht für diese Mahlzeiten vergeben, aber im Hinblick auf den Anlass und die Umstände waren sie rundum lobenswert. 
  • Ein paar Herdplatten und Kochtöpfe stehen für all‘ diejenigen zur Verfügung, die sich ihr eigenes Gericht zubereiten (lassen) oder das kalt gewordene Mittag-/Abendessen aufwärmen möchten. Zu diesem Zweck gibt’s aber auch für die Unerschrockenen die schnelle und einfachere Mikrowelle. 
  • Morgens zum Frühstück wird jedem Läufer eine Portion des leckersten Joghurts der Welt kredenzt. Wie nur kriegen wir den Honig aus dem schmalen Nebenfach? Zunge zu kurz, Löffel zu breit, Fingernagel zu dreckig. Und wie komme ich mit List und Notlüge im Laufe des Tages an eine zweite Portion? Zugegeben, das sind wahrlich nicht die dringendsten Probleme eines Ultraläufers. Aber sie beschäftigten, wie sich in beiläufiger Konversation mit allmählich abnehmendem Tiefgang herausstellte, nicht nur mich. 
  • Belegte Brote, Obst, Nüsse, Kartoffelchips, Brezeln, Gebäck (inkl. köstlicher griechischer Spezialitäten), Kaffee, Tee, Kakao, Cola (und natürlich Trinkwasser) rund um die Uhr.

B07Die exakt 1 km lange Strecke mit Wendepunkt und Zählmatte nach ungefähr der Hälfte und Gegenverkehr im 2 x 400 m langen Außenbereich machte mir, eigentlich unvorstellbar, richtig Spaß. Man begegnet sich immer wieder. Manchmal gibt’s ein Lächeln, manchmal ein „Daumen hoch“. Und zuweilen unterrichtet man sich kurz und bündig über Befindlichkeit oder das Unterhaltungsprogramm, dem man sich gerade widmet („jetzt singt Tom Jones“ oder „Mikis Theodorakis – magst Du den auch?“ oder „ich höre und sehe gerade die Übertragung der Biathlon-Weltmeisterschaft in Südtirol“). Bei einem Teilnehmer vermute ich, dass er auf der Laufstrecke Geschäfte abwickelte, also dank Smartphone nebenbei seinem Broterwerb nachging („run office“ statt „home office“). Ultra extrem im digitalen Zeitalter! Man muss bedenken, dass die 5.000er ca. 2 Monate Urlaub benötigen. Sie waren durchweg noch nicht im Rentenalter. Ob wohl Beharrlichkeit und Ausdauer auch im Rentenalter weiterhin für eine solche Distanz Erfolgsaussichten bieten? Ich glaube nicht, dass ich das im nächsten Jahr ausprobieren werde.

B08 Athen

Zum ersten Mal war ich zeitweise mit Walkman unterwegs. Und bestimmt nicht zum letzten Mal! Das kann befeuern. In der Vollmondnacht (die Griechen hatten den vollen Mond – wohl extra für uns(!) – 4 Nächte hintereinander aufgehängt – solange sah man nämlich kaum eine Delle) drang Renée Fleming über meine Ohren direkt ins Herz mit ihrem „Song to the moon“. Und wenn Dich Unlust oder Müdigkeit überkommt, dann vermag ein flotter Rhythmus enorm zu helfen. Dennoch passierte es: Eines Nachmittags, also noch bei Tageslicht, erwachte ich, zunächst völlig desorientiert, stehend im Abseits auf einem größeren Platz. Nach dem Umdrehen erblickte ich den abgesteckten Kurs in wohl fast 20 Metern Entfernung. O Wunder und glückliche Fügung, dass ich stolperfrei zwischen den Pylonen hindurch gekommen bin. Das galt gleichermaßen für einen unbekannten Abschnitt des Weges vorher, denn ich hatte auch keine Ahnung, ob ich hin oder zurück unterwegs war. Demzufolge hatte sich mein Bewusstsein schon eine ganze Weile bei womöglich noch geöffneten Augen ausgeklinkt. Mit tatkräftiger Unterstützung meiner allesamt so liebenswerten Mitstreiter wurde mehrheitlich auf Rückweg getippt, was sich dann auch als richtig erwies. Dann ging ich erst mal schlafen.

Die Räume in der Sporthalle sind fensterlos. Tag und Nacht ist elektrisches Licht ein-, der natürliche Tagesrhythmus ausgeschaltet. Ich legte mich immer mit Augenklappe zum Schlafen nieder, wenn ich müde wurde (vom oben beschriebenen „Ausrutscher“ mal abgesehen). Und ich stand auf, wenn ich mich nach dem Aufwachen einigermaßen erholt fühlte, also alles ohne Zeitplan und ohne Wecker. Möglicherweise etwas undiszipliniert. Da bewundere ich einige sehr erfolgreiche konsequente Läufer mit Plan. Meine Schlafzeit schätzte ich grundsätzlich erheblich länger ein als es sich dann (dank Smartphone) herausstellte. Mehrmals passierte es mir, dass ich nach dem Aufwachen keine Ahnung hatte, ob die auf meiner Armbanduhr angezeigte Zeit für morgens oder abends, Tag oder Nacht stand. Auch musste ich immer wieder aufs Neue nach Datum und Lauftag eruieren.

Ich hatte das große Glück, den Raum von William Sichel (der hat sogar einen Wikipedia-Eintrag!) zu übernehmen, der die tausend Meilen anvisiert hatte und nebst Betreuerteam am Morgen unseres Starttages abreiste. Da gab’s einen kleinen Heizkörper und ein Feldbett, in welchem ich mich wie in einer Wiege fühlte. Himmlisch! Und keine menschlichen Laute weit und breit, auch sonst keinerlei Störgeräusche. WC, Waschgelegenheit und Dusche hatte ich für mich alleine – sozusagen 5-Sterne-Unterkunft! Um ehrlich zu sein: Die Dusche habe ich geschont. Hier war’s auch trotz Heizkörper, der fernab neben meiner Wiege etwas warme Luft in den großen hohen Raum blies, tierisch kalt. Auch das Wasser. Penible Hygiene war ja nur für die „strategisch“ wichtigen Körperteile ein Muss. Einer putzte sich die Zähne immer mal wieder unterwegs auf der Strecke, einer legte an seinem Tisch in der Halle bei Bedarf einen Duft aus der Sprühdose an. Famose Welt der Ultraläufer …

B09 EddaUnter den gefiederten Lebewesen hatte es sich sehr bald herumgesprochen, dass es den einen oder anderen Leckerbissen auf der Strecke gibt. Die komischen Menschengestalten essen beim Laufen oder laufen beim Essen und lassen deswegen auch schon mal ungewollt ein paar Brocken fallen, aber durchaus auch gewollt, wegen der Freude an den eifrigen putzigen Trophäenjägern. So versammelten sich kleine wie größere Vögel nach ihrer Nachtruhe schwerpunktmäßig vor dem Eingangsbereich zur Halle. Näherte sich ein Läufer, versuchten sie es zunächst mit Wegrennen. Bei den Kleinsten verwischt dabei der unglaublich flinke Bewegungsablauf der Beinchen, das ist so drollig. Ach, könnte ich doch jetzt fliegen, meinetwegen auch ähnlich schnell rennen, dachte ich so manches Mal nach fortgeschrittenem Laufpensum. Und dazu Tom Petty and the Heartbreakers mit ihrem „Learning to fly“ in den Ohren!

Eines späten Abends bewegte sich ein stattlicher Igel über die Lauffläche. Als ich mich ihm näherte, stellte er sich tot. Da halfen auch meine netten Worte nicht, er blieb stur. Erst nachdem ich weit genug weg war, „eilte“ er von dannen.

Besonders inspirierend erlebte ich die Sonnenaufgänge mit dem langsamen Erwachen der Natur, ebenso wie spektakuläre Farbschauspiele am Himmel bei Sonnenuntergang. Dazu die passenden Klänge im Ohr – wenn das nicht anspornt und das eine oder andere Zipperlein vergessen lässt!

B10 Abend

Einmal gab’s länger anhaltenden heftigen Streit um die Wetterhoheit zwischen den Bergen und dem Meer. Es kam ein Sturm mit Windstärke im oberen Bereich auf. Ich will jetzt nicht übertreiben und „12“ behaupten. Einige mit Schrauben im Pflaster befestigte Pylone riss es aus dem Boden, bei der Wendemarke kam ich nicht mehr gegen die Naturgewalten an. Da zog ich es vor, mich meiner Wiege hinzugeben, auch ohne müde zu sein.

Zwischen Veranstaltungsgelände und Meer verläuft eine Schnellstraße. Unbeschreiblich, wie sich dort die Kraftprotze austoben! Ob auf Motorrädern oder in getunten Autos – Ultra Mega Bass Sound System, ganz extrem und rund um die Uhr, offensichtlich geduldet in Griechenland. Ich fand’s abwechslungsreich, jeder Sound ein anderer, jeder Geist dahinter ein anderer (oder ein ähnlicher?), der Spaßfaktor schwappte rüber zu mir beim Abspulen von Kilometern, doch glücklicherweise nicht bis in die Ruheräume.

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Kaum zu glauben, aber ein 5000er „Spinnerter“ lief eines Tages auf einen der steilen Hügel am Rande der Laufstrecke hinauf und tönte mehrmals laut von oben herab in seiner Sprache „Wir alle sind Sieger“ – und das Laufvolk unten jubelte ihm begeistert mit hochgestreckten Armen zu. Ein paar Tage später wiederholte er das in der Sportarena – er stand trotz penibler Absperrung ganz oben unter der Decke. Mir ist es bis zum Schluss ein Rätsel geblieben, mit welcher Akrobatik er es bis dorthin schaffen konnte, und das mit mittlerweile schon müden Beinen und Sinnen! Und die Organisatoren waren entsetzt, teilten leider die Begeisterung mit uns Kämpfern nicht!

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Dieses Bild und das nächste im Hochkantformat stammen von Joannis Chortis

An der 1000 Meilen-Marke erwarteten mich ein Fotograf und ein paar lustige Klatscher.

Split 6 Tage: 500 km

Split 1000 km: 303:01:38.863

Split 1000 Meilen: 527:35:28.993

Zeit 2000 km: 676:32:36.967

Auf meiner letzten Runde begleitete mich Daniele aus Rom. Er hatte mich heimlich gegen Ende meiner Laufzeit „unter Kontrolle“ und war rechtzeitig zur Stelle. Ich war überrascht und ganz gerührt. Ihn kannte ich schon von 2017 und verschiedenen weiteren Veranstaltungen danach. Und im Ziel wurde ich von Fotografen, mit einem riesigen Pokal, einer „2000-Torte“ sowie lautem Jubel empfangen.

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Daniele (blau) und Costas (rot, einer der beiden „race directors“)

Da ich 2 Tage vor der offiziellen Schlusszeit frei war für andere Aktivitäten, verbrachte ich noch einen erholsamen und zum „Verdauen“ der Eindrücke bestens geeigneten Tag am Meer und konnte einen weiteren Tag für einen Ausflug zur Akropolis und nach Piräus nutzen.

Von den insgesamt 9 angetretenen 5.000 km-Läufern erreichten 4 die Distanz erfolgreich im vorgegebenen Zeitrahmen.

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Piräus

Hier noch der weiter oben im Text versprochene Kommentar zum Begriff „Dayrunners“: Am 31.10.2010 war ich beim Jubiläumslauf „2500 Jahre Marathon“ dabei. Wir liefen auf der Strecke von Marathon nach Athen, welche der Legende nach der erste Marathonläufer in der Geschichte der Menschheit zurücklegte. Am Tag vor dem Marathon entdeckte ich in einer Ausstellung ein Gemälde von Luc-Olivier Merson, 1869: Pheidippides haucht nach dem Überbringen der frohen Botschaft vom Sieg über die Perser sein Leben mit dem Wort „Freude“ aus. Wie wunderbar für ihn, mit solch‘ tiefen heroischen Empfindungen zu den Göttern aufzusteigen – und wie viel besser für uns Extrem-Ultras in Athen im Jahr 2020, allesamt ohne bleibenden Schaden an der Gesundheit überlebt zu haben und uns auf weitere ähnliche Experimente freuen zu dürfen!

Es ist übrigens nicht belegt, dass Pheidippides der Überbringer dieser Botschaft war. Er wäre demnach von Athen nach Sparta, von dort nach Marathon und von Marathon nach Athen gelaufen. Allerdings könnte man sein Ableben nach einer so langen Strecke eher nachvollziehen als nach „nur“ knapp 40 Kilometern. Belegt ist aber sein Lauf von Athen nach Sparta. Er war somit auf jeden Fall der erste Ultramarathonläufer der Menschheit.

Im damaligen Griechenland gab es den Berufsstand „Tageläufer“ („dayrunner“). Die Tageläufer waren die schnellsten Boten im bergigen und zerklüfteten Land ohne Wegenetz. Die Übersetzung aus dem Griechischen heißt so viel wie „der einen Tag lang Laufende“ oder der „täglich Laufende“. Ein solcher bezahlter Laufbote war Pheidippides.

In meiner schon ganz stattlichen Schatzkiste der Erinnerungen hat sich dieser 2000er in Athen ziemlich breitgemacht. Auch den Spartathlon würde ich da gerne noch reinpacken, ist aber leider mittlerweile für mich illusorisch. Das hätte mir viel früher mal einfallen müssen.

Und zum Schluss noch ein paar Anmerkungen zu Griechenland:

Nicht nur Marathon, Ultramarathon und Olympische Spiele (also Vorläufer unserer heutigen sportlichen Großereignisse) hatten ihre Geburtsstunde in Griechenland. Auch Kultur, Kunst, Architektur, Theater, Dichtung, philosophisches Denken, Politik (die Demokratie wurde in Griechenland geboren), Sprache der griechischen Antike wirken bis heute ein auf die ganze Welt, insbesondere aber auf Europa. So gilt Homer als der größte epische Dichter aller Zeiten, Aristoteles als der größte Philosoph aller Zeiten. Aristoteles hat nicht nur die Philosophie, sondern weitere wissenschaftliche Disziplinen wie Logik, Ethik, Dichtkunst, Staatslehre und Physik beeinflusst. In der Dreiergruppe der Tragiker Aischylos, Sophokles und Euripides (galten als Künstler des Wortes) fand das antike Drama seinen Höhepunkt, Aristophanes galt als größter Dichter der alten Komödie, Theokrit als größter Dichter der Literatur in der hellenistischen Zeit. Hippokrates war der berühmteste Arzt des Altertums und begründete die Medizin als Wissenschaft (Teile des früheren Hippokratischen Eides der Ärzte haben bis heute Einfluss auf die moderne Formulierung dieser Eidesformel).

B17 OlympUnd erst die fantastische Welt der Olympischen Götter und Göttinnen! Ich suchte sie im Jahr 2005 auf zwei Gipfeln des Olymp (Mytikas, 2918 m, und Stefani, 2909 m), fand sie jedoch leider nicht.

Den Weg hinauf auf den Olymp zu den Göttern möchte ich abschließend, ebenso wie einen Besuch bei den „Dayrunners“ mit Teilnahme an einem ihrer Läufe (denen traue ich zu, dass sie nächstes Jahr noch eine Schippe drauflegen!), wärmstens empfehlen. Beides unvergesslich!

Ich schließe nicht aus, dass auch ich noch einmal dabei sein werde. Dazu fällt mir abschließend ein weiterer Grieche (Heraklit) ein, auf den sich „unser“ großer Goethe in diesem Gedicht bezieht:

Gleich mit jedem Regengusse

Ändert sich dein holdes Tal

Ach, und in demselben Flusse

Schwimmst du nicht zum zweiten Mal.

„Alles fließt“ – aber womöglich könnte ja das Wasser beim nächsten Mal noch lebendiger plätschern?

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