Ultra-Cross beim „La Sainté Lyon“

Anfang des Jahres habe ich kaum geahnt, dass 2019 mein „Frankreichjahr“ werden würde. Nach dem CCC im August und dem Festival des Templiers (Link zum Bericht) hatte ich bereits im Frühjahr für den „La SaintéLyon“ gemeldet. Hierbei handelt es sich um einen Ultra Trail, der jedes Jahr Ende November nachts von Sainte Étienne nach Lyon führt. Dieser bei uns kaum bekannte Lauf stellt einige Superlative auf:

  • Es handelt sich m.W. nach um den drittgrößten Ultra Trail in Frankreich (nach UTMB und Festival des Templiers) mit bis zu 7.500 Starten auf der Hauptstrecke. Zzgl. etwa noch einmal so vielen Läufern über 44, 23 und 12 Kilometer sowie diversen Staffeln auf der langen Strecke. Neu dazu ist in diesem Jahr der LyonSaintéLyon mit 152 km gekommen.
  • Es ist einer der ältesten mir bekannten Ultraläufe und wurde dieses Jahr zum 66.(!) Mal durchgeführt.
  • Es ist der längste Crosslauf, an dem ich je teilgenommen habe. ?

Als bekennender Nachtläufer faszinierten mich von Anfang die Bilder von unendlichen Läuferketten mit Stirnlampen. Vom Orientierungslaufen kannte ich entsprechende Bilder von Staffelwettbewerben in Skandinavien, aber was ich bei diesem Lauf „geboten“ bekam, übertraf alles.

Ich reise beruflich viel und hatte im Frühjahr noch eine Menge Meilen, mit dem ich mir für das Wochenende einen Flug nach Lyon gönnte. Ich kam am frühen Nachmittag in der Metropole an der Rhône an und begab mich zur Halle Tony Garnier, einem Veranstaltungszentrum, das neben dem Ziel auch eine umfangreiche Ultra Trail Messe beherbergte. Ich wollte gerne noch etwas von der Region bei Licht sehen und fuhr deshalb nach Empfang der Startnummer mit einem der bereit gestellten Busse zum Start nach St. Étienne, etwa eine Stunde entfernt. Dort erwarte uns Läufer wie auch schon in Lyon eine Leibesvisitation und Kontrolle des Gepäcks, ein inzwischen in Frankreich verbreitetes Prozedere bei großen Menschenansammlungen. In einer Messehalle suchte man sich ein Plätzchen um die Zeit bis zum Start (es war jetzt noch gut 7 Stunden) zu überbrücken. 

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Eine Halle voller Läufer …

Nach der Pastaparty versuchten die meisten Läufer noch etwas zu schlafen oder wenigstens zu ruhen. Dies fiel aber zumindest mir aufgrund des hohen Geräuschpegels sehr schwer. Als ich dann gegen 22.30 Uhr mein Gepäck für den Rücktransport abgab (tolle Logistik!), war ich schon recht müde, da seit 7.00 Uhr auf den Beinen.

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Abgabe des Gepäcks (hier nur eine Hälfte der Gepäck-LKWs)

Gestartet wurde ab 23.30 Uhr im 10 Minuten Rhythmus, leider war ich erst in der 4. Welle um 0.00 Uhr dabei. Nach mir gab es dann noch drei weitere Wellen. Für uns Läufer waren die ersten drei Kilometer auf Stadtautobahnen und Ausfallstraßen gesperrt, alle Kreuzungen waren zum Leidwesen der Nachtschwärmer gesperrt. Mit dem Verlassen der Straßen bei Kilometer 3 setzte dann auch pünktlich der für die Nacht vorausgesagte Regen ein. Die Wettervorhersage war sehr eindeutig, es wurde eine der regenreichsten Nächte meines Lebens. Gab es anfangs noch das eine oder andere Dorf mit begeisterten und anfeuernden Zuschauern, ging es bald in die „Montagne Lyonaise“, die Lyoner Berge mit Höhen zwischen 300 und 800 Metern und aus Straßen wurde Wege und Pfade.

Durch den starken und unaufhörlichen Regen und dank tausenden Läufern vor mir wurden aus Wegen und Pfaden Schlammpisten. An den zahlreichen An- und Abstiegen wurde die dünnen Erdschichten vom darunter liegenden Fels weggespült und quälten sich als Schlammlawinen die Abhänge hinab. Beim ersten Verpflegungspunkt bei ca. Kilometer 18 glich der Lauf eher einem SwimmRun als einem Ultralauf. Es fiel mir recht schwer, das Verpflegungszelt und die Wärme zu verlassen und wieder hinaus in den Regen zu starten, wusste ich doch auch, dass nun der längste Anstieg der insgesamt weit über 2000 Hm auf mich wartete. Eine schöne Abwechslung waren alle paar Kilometer große Feuer, die an den Feldern brannten und wo (oft im „Nichts“) Partys gefeiert wurden und zusätzlich Motivation und Trost von den Zuschauern, die sich dort versammelt hatten, gespendet wurde.

Die folgenden Stunden waren mit das schwierigste, was ich je gelaufen bin: Schlamm, steile Anstiege und technisch schwierige Downhills, dazwischen immer wieder Läufer, die mit diesen Schwierigkeiten und dem Schlaf zu kämpfen hatten, so dass man nur schlecht in einen Laufrhythmus kam. An den Verpflegungspunkten blieb ich nur kurz, wurde es durch die Nässe doch nun auch ziemlich kalt. Gegen halb acht dämmerste es so langsam und man musste sich nun nicht permanent auf den Lichtkegel der eigenen Stirnlampe konzentrieren. Für ein paar Kilometer konnte ich plötzlich auch wieder recht frei laufen und ich sah mein Zeitziel (zwischen 10 und 11 Stunden) in Reichweite. Doch zu früh gefreut. Zwar gab es keine langen Anstiege mehr, doch dafür ein permanentes Auf und Ab durch Felder und Wälder. Einzelne Abschnitte waren nicht mehr begehbar, teilweise schlitterte man die Abhänge hinab.

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An Laufen war hier nicht zu denken …

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Die Ärmste vor mir hatte sich erst zwei km vorher komplett umgezogen …

Nur gut, dass ich trotz Schlafmangel jederzeit konzentriert und hellwach war und weder fiel, noch stürzte. Lyons Stadtzentrum schon im Blick folgte nun noch eine fiese Schleife, natürlich wieder durch stark verschlammte Abschnitte. Aber nach gut 11,5 Stunden ging es die letzten Höhenmeter über Treppen hinab zur Rhône. Hier konnte ich endlich noch ‚mal auf den letzten zwei Kilometern aufdrehen und nach knapp 12 Stunden ins Ziel innerhalb der Halle Tony Garnier laufen.

 

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Dank Geländer schaffte es dann doch jeder die ca. 100 Hm hinunter zur Rhône ?

SL6Hier gab es dann Duschen, das eigene Gepäck und auch etwas zu Essen. Für letzteres nahm ich mir wie schon die ganzen letzten Stundenkeine Zeit, ich musste ja noch meinen Flieger erreichen. Im Flugzeug bekam ich dann wenigstens ein paar Minuten Schlaf bevor ich nach ca. 40 Stunden auf den Beinen wieder zuhause ankam. Und dort hatte ich dann auch endlich wieder Appetit.

Fazit: Eine interessante Strecke, ein toller Nachtlauf und eine spannende Herausforderung. Aber bedingt durch den Regen und dem damit verbundenen Schlamm (geschätzt ca. zwei Drittel der Strecke) muss ich mir das nicht noch einmal antun. ?

Text und Fotos: Jens Kruse, 28.12.2019

 

 

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