Sanctuary50 – ein Traillauf in der Wendelsteinregion

So geheimnisvoll der Name klingt, der mit Heiligtum oder Kultstädte übersetzt werden kann, so schwer ist es, im Vorfeld an Informationen zu kommen. Lediglich eine Facebookseite gibt ein paar Informationen und dient den Teilnehmern zum Informationsaustausch. Die wenigen Berichte beschreiben die Strecke als krass, genial oder einfach nur als schön. Dieses Jahr ist die dritte Austragung, in den vergangenen Jahren gab es insgesamt keine 30 Finisher. Der Lauf ist halt ein Geheimtipp.

Die Eckdaten 50km, 4.000 Höhenmeter, 15 Stunden Zeitlimit hören sich für jemanden, der nur finishen will, gut machbar an, aber es sind wohl in Wirklichkeit eher 55 km bei 4.800 Höhenmeter und der Lauf ist weder für Wanderer noch für Einsteiger geeignet und erforderdert drüberhinaus einen geübten Umgang mit seinem GPS-Gerät.

Erst vor zwei Wochen war ich in Ruhpolding, um in den Chiemgauer Alpen100 Meilen zu laufen, was erstens nicht ganz gelang und zweitens meine Schuhe schredderte und drittens meine Fußsohlen ruinierte. Neue Schuhe waren schnell gekauft, aber weil die Runderneuerung meiner Hornhaut noch nicht abgeschlossen war, konnte ich sie nicht einlaufen. In den zwei Wochen bin ich nur zweimal kurz gelaufen, was eher einer Katastrophe glich, denn Muskulatur und Füße waren noch nicht wieder bereit. Wenigstens die Motivation war super, zumal der Wetterbericht einen schönen Sommertag versprach.

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Der Start der frühen Gruppe erfolgte um 6 Uhr. „Viele Starter wird es in der Gruppe nicht geben, denn die anderen sind alles erfahrene Bergläufer“, sagte Thorsten Klenke, mit dem ich nach Geitau reiste, am Abend zuvor. Zum wiederholten Male habe ich das Gefühl, im falschen Film zu sein. Wenn das hier eine Veranstaltung für Elite-Bergläufer ist, bin ich fehl am Platze, Zeitlimit hin oder her. Mein Bergtraining pflege ich normalerweise an meinem Wohnort zu machen, wo ich die Rampe zum höchsten Berg der Wahner Heide, den Telegraphenberg hoch- und runterrenne. Immerhin 750m lang mit 5% Steigung. Nur dieses Jahr hat das aus vielen Gründen nicht geklappt.

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Aus dem Ort geht es direkt zum ersten Gipfel, der Aiplspitz. Etwa 1000 Höhenmeter auf den ersten 5 km. Prima, da kamen wir direkt auf Betriebstemperatur.

Anfangs war der Weg noch ein gut präparierter Wirtschaftsweg, dann folgte ein Wiesenweg, dann wurde es wild.

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Das ist kein Landschaftsbild, sondern hier führte tatsächlich der Weg entlang! So manches Mal schaute ich ungläubig auf das GPS-Gerät, konnte kaum glauben, richtig zu sein. Doch wir waren immer auf Wanderwegen unterwegs, wie regelmäßig Markierungen auf Steinen und an Bäumen bestätigten. Freilich waren viele Wanderer hier nicht unterwegs und so schienen einige Stellen ein wenig zugewuchert.

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Doch es kam noch besser, denn die letzten 50 Höhenmeter wurde geklettert. Heieiei, teils ging es knapp am Abgrund vorbei, an einer Stelle bot ein Seil einen trügerischen Halt. Mir fiel bei der Gelegenheit einmal wieder auf, dass ich gar nicht schwindelfrei bin. Main Adrenalinsiegel hatte wie mein Puls zu früher Stunde einen maximalen Wert erreicht.

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Nach 1:35 Stunden hatte ich den ersten Gipfel erreicht. Schweiß abputzen, Foto machen und weiter ging es. Zum Glück war der Abstieg weniger steil.

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Es ging zwischen Wurzeln und Steine am Grad entlang. Positiv formuliert konnte man sich herrlicher Talblicke rechts und links erfreuen.

Doch irgendwann war das Schlimmste überstanden und es ging wellig weiter.

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Das war hier die Matschpassage, die zweifellos zu einem richtigen Trail dazugehört. Mindestens einmal muss man mit seinen Schuhen so tief im Matsch versunken sein, dass das dreckige Wasser von oben in die Schuhe läuft. Danach waren die nagelneuen Schuhe richtig dreckig, also quasi getauft.

Eine Eigenart des Kurses war, dass man von bestimmten Verzweigungspunkten zu einem Gipfel lief, den gleichen Weg zurücknahm und dann die Runde fortsetze. An dem ersten dieser Punkte standen für mich unerwartet Felix und Nawid mit einem improvisierten VP. Sie hatten Speisen und Getränke hier hochgeschleppt, um die Läufer zu versorgen!

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Das nächste Selfie-Gipfelbild vom Miesing. Meist habe ich mich an den Gipfeln nicht lange aufgehalten, sondern nur einmal den Panoramablick genossen, unendlich gestaunt, ein paar Selfies gemacht und dann ging es wieder weiter. Runter, hoch zum Rotwandgipfel, dann runter und hoch zur Auerspitz. Um kurz nach 10 Uhr hatte ich die erste Gipfelkette hinter mir und ein langer Downhill stand an. Mir ging es erstaunlich gut. Nichts, aber auch rein gar nichts tat weh, drückte oder störte. Ich konnte das Wetter und die Strecke einfach nur genießen und war frohen Mutes. Ich hatte mir einen Plan für eine Zeit für 14 Stunden gemacht und lag ganz gut im Zeitrahmen.

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Natürlich ging es nicht nur bergab, sondern es gab auch wunderbare Passagen, die annähernd flach und wirklich gut zu laufen waren. Ich liebe solche Wege. Das Problem solcher Wege ist für mich, dass ich mir gerne die Landschaft anschaue und beginne zu träumen und sollte sich auf dem Weg ein Stein befinden, der etwas höher und fest ist, so werde ich mit hoher Wahrscheinlichkeit darüber stolpern. Meist retten mich dann meine Stöcke, die ich während des Rennens an keiner Stelle aus der Hand gebe und eine gewisse Erfahrung im Bewältigen derartige Situationen.

Ber10

Etwa nach 25 km am Ende eines Flachstückes befandt sich die Niederholfalm, wo die Betreiberin zur Brotzeit einludt. Eigentlich hatte ich hier keine Pause eingeplant, aber ich wollte ja nicht unhöflich sein. Also mitten in die Sonne gesetzt, um nicht abzukühlen, das Bier getrunken, die Deko gegessen und das Käse- und Schinkenbrot eingesteckt und wieder los. Ich habe ja eh schon eine Hand zu wenig, da ich ja die Stöcke nie weglege und nur wiederwillig mein GPS-Gerät im Rucksack wegstecke. Nun hatte ich noch 2 Brote in den Händen und wollte außerdem noch ein Foto machen. So entstand das schwierigste Foto des Tages. Nun ging es den Seebergkopf hoch, einer der verbleibenden 3 Gipfel.

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Also so richtig gut kam ich nicht mehr die 500 Höhenmeter hoch, die Ermüdung machte sich spürbar bemerkbar, aber was soll’s, eigentlich ging es mir noch ganz gut.

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Dnach ging es etwa 800 Höhenmeter bergab nach Bayerischzell. Von unterwegs konnte man oft den sich nähernden Ort sehen. Der Weg führte durch den Ort, links am Schwimmbad vorbei erst durch den Wald, dann über Felsen hoch auf den Gipfel, den man auf der anderen Talseite bereits erkennen kann.

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Der Weg zog sich enorm, aber klar 1000 Höhenmeter ziehen sich, selbst, wenn die Distanz nicht weit ist.

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Die Landschaft hier oben war allerdings gigantisch und nicht zu übersehen war die winterliche Nutzung als Skigebiet.

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„Oben“ angekommen erwartete mich ein trouristisch voll erschlossenes Areal, auf welches man auch leicht mit Goldel und Bahn kommen kann und welche Variante die meisten der anwesenden Touristen wählen, denn die Menge an Leuten hier oben ist erschlagend!

Doch die Wegführung hier oben ist etwas speziell. Sie führt über den Panoramaweg um den Gipfel herum und auf der anderen Seite ging es wieder bergab.

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„Herum“ hatte ich mir gemerkt, aber das ist wieder so Beispiel von „schlecht das Profil angeschaut“, denn es ging über Serpentinen und Stufen bis oben zur Aussichtsplattform.

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Nach dem Rundgang verlässt der Track plötzlich Wege der Kategorie „nett und laufbar“ und es ging ein Geröllfeld in kleinen Serpentinen steil bergab.

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Im Tal angekommen muss man einen Back überqueren. Der Originaltrack führt über die oben zu erkennende Furche mitten durch das Wasser. In Belgien gehört eine Flußdurchquerung zweifellos zu den zwingenden Elementen eines richtigen Traillaufes. Hier hat Nawid, der Streckenchef, allerdings die einfache Variante über die naheliegende Brücke mit Pfeilen markiert. An dieser Stelle verabschiedete sich mein Handy wegen Akku-leer. Aber ich hatte ja extra mein Akkupack und Kabel dabei und lud das Gerät im Aufstieg auf.

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Kurz vor dem Gipfel erwartete uns Felix mit einem VP. Unglaublich! Er hat von Bayerischzell einen Rucksack mit Verpflegung und eine Tasche mit 20 Kilo Getränken hochgeschleppt! Ich erleichtere ihn etwas und bin über die kurze Pause nicht undankbar.

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Der Weg hoch zum letzten Gipfel, dem Breitenstein, verlangte einem noch einmal alles ab und das Wissen, dass man hier gleich wieder runter musste, erfüllte einen auch nicht mit Freude, wohl aber das Gefühl, gleich das letzte Gipfelfoto machen zu können.

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Voila! Jetzt nur noch 7 km runter in den Ort, den man von hier oben schon gut sehen kann. Ich habe noch 1,5h bis zu meinem 14 Stunden Zeitziel, 2 Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit und 2,5 bis zum Zeitlimit – also los.

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Mir fällt plötzlich auf, dass ich noch gar keine Kühe, Bäume und Blumen fotografiert habe, die mich den ganzen Tag so wunderbar begleitet hatten und nutze die letzte Gelegenheit dafür.

Eine Gemeinheit der Streckenführung war der Abstieg in den Ort Fischbachau. Da wurde man kurz vor dem Ziel noch eine Forststraße hochgeschickt, um direkt anschließend einen fürchterlichen Parallelweg durch den Wald wieder runterzulaufen: steil, rutschig, zugewachsen. Aber dieser Abschnitt war zum Glück nicht lang und vom Ort waren es dann noch wenige Kilometer bis zum Ziel in Geitau, die ich sogar noch erstaunlich schnell durchlaufen konnte.

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500m vor dem Ziel wurde ich bereits mit Glückshormonen geflutet, im Bewusstsein diesen schweren Trail in unter 14 Stunden bewältigt zu haben.

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Im Ziel angekommen bekam man eine große, schöne Medaille überreicht. Es gab noch Essen und Trinken und Gelegenheiten, die Erlebnisse des Tages auszutauschen. Es war ein wunderbarer Tag und die Teilnehmer kommen alle gerne wieder. Die Streckenführung war sehr abwechslungsreich und führte die Teilnehmer durch eine bezaubernde Landschaft. Die Organisation war herzlich und für eine Veranstaltung dieser Größenordnung perfekt.

Vielen Dank an Thorsten für den Tipp und Nawid, dass er mir einen Start ermöglicht hatte und Nawid, Felix und die anderen Helfer für die super Organisation der Veranstaltung.

Text: Michael Irrgang, Bilder: Michael Irrgang, Thorsten Klenke (Medaille), 18.08.2019

 

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