Vorbericht 100km DM Rheine

Heute Morgen postete Vereinskollege Peter Hübner seine morgendliche Trainingseinheit: 15 km in 1:20 etwa. Die Info kam um kurz nach 6 Uhr! „Verrückt geworden?“, fragt eine Freundin. „Konsequente Zielverfolgung“, nennt es Peter. Der Lauf war eine seiner letzten Trainingseinheiten für die 100km DM in Rheine am kommenden Samstag.

Bei einigen knistert förmlich die Nervosität, andere würden gerne die Sache schon morgen hinter sich bringen, andere zweifeln, ob sie rechtzeitig wieder gesund oder fit werden, denn die Krankheitswelle hat natürlich auch einige Läufer erwischt.

Es ist die 31. 100km-Meisterschaft und alles spricht dafür, dass es spannende und schöne Wettkämpfe werden. Nach einer lang anhaltenden Phase der Kälte wird aktuell für den veranstaltungstag bis zu 14 Grad vorhergesagt, allerdings wird es wohl regnen.

Strecke

Die Strecke hat zu Recht den Scharm eines verlassenen Flughafens, denn bis Ende letzten Jahres war hier tatsächliche eine Hubschrauberstaffel der Bundeswehr ansässig. Die gesamte Infrastruktur und die Strecke sind perfekt für die Läufer und Betreuer. Die Strecke ist flach, asphaltiert und bis auf einen Wendepunkt kurvenarm. Auf der 5 km-Runde gibt es zwei Versorgungspunkte, die beide in einem Hangar untergebracht sind. In einer der Flugzeughallen ist die Zeitnahme und damit auch das Ziel für die 100km-Läufer. Hier befinden sich die Betreuerstände, die große Läuferversorgung, der Sanitätsbereich, eine Cafeteria, der Kommentator und vieles mehr. Alles ist für die etwa 200 100km-Läufer und 500 6h-Läufer bestens vorbereitet.

Fav Nele3Auch wenn nicht alle gemeldeten Teilnehmer kommen werden und nicht alle optimal vorbereitet sind, so werden doch erstklassige Leistungen und spannende Rennen erwartet. Die absolute Top-Favoritin ist Nele Alder-Baerens, die amtierende Titelträgerin und Vorjahressiegerin beim 6h-Lauf in Münster, wo sie Weltrekord lief. Nach ihrer Einschätzung gefragt, antwortete sie: „Kann mir momentan überhaupt nicht vorstellen, in einer Woche 100km zu laufen, es erscheint mir jedes Mal aufs Neue als ein kleiner Wahnsinn. Ich habe großen Respekt vor der Strecke und somit erst recht vor Läufern, die noch viel weiter laufen… Die momentane Kälte mit zweistelligen Minusgraden in Berlin verhinderte mir in den letzten Tagen / Wochen ein Tempotraining, ich konnte bzw. wollte dadurch nur langsam laufen, meine Gesundheit ist mir wichtiger. Trotzdem träume ich davon, durchzukommen, evtl. unter acht Stunden zu laufen und meinen Titel verteidigen zu können. Doch bin ich keine Maschine, es kann immer etwas passieren. Auch rechne ich jederzeit mit Newcomern oder besser trainierten erfahrenen Ultraläufern. Leider habe ich das Gefühl, dass sich das „Alter“ langsam bemerkbar macht, meine Tempohärte und mein absolutes Tempo haben etwas nachgelassen. Wir werden sehen. Auf jeden Fall will ich mein Bestes geben!“

Nele gewann im letzten Jahr die 100km mit einer famosen Zeit von 7:35:37, was Platz 2 der Weltjahresbestenliste bedeutete, nur 1 Minute hinter der führenden Frau.

Fav BrankaIn den Bereich von 8 Stunden werden sicher nicht viele Frauen laufen können. Am ehesten Branka Hajek. Sie wurde im letzten Jahr bei der 50km DM in Schwäbisch Gmünd 3. Frau, musste bei der 100km-Meisterschaft in Berlin allerdings nach 85 Kilometern aufgeben. 2016 lief sie durch und wurde mit 8:15 Zweite. Branka lief ihren ersten 100er bereits 2008 und hat gleich die Deutsche Meisterschaft mit einer Zeit von 8:10h gewonnen. Es folgten in den letzten Jahren zahlreiche erfolgreiche Meisterschafts- und Weltmeisterschaftsteilnahmen – auch im Ultratrail. Ihre Bestzeit stellte sie bereits 2009 auf, als mit einer Zeit von 7:57 bei der 100km DM in Ahrweile zweite Frau wurde. Branka hat sich sehr zurückhaltend zur Form und Erwartung geäußert, aber sie ist gesund und vermutlich in einer ganz passablen Form.

Fav Susanne

Bei den Plätzen 3 bis 7 könnte es knapp zugehen. Die beste 100km-Zeit hat Susanne Kraus stehen. Die Dabeigewesenen werden sie sicher noch gut in Erinnerung haben. In Leipzig 2016 lief die hoch talentierte, aber total furchtlose Läuferin in ihrem ersten Ultra überhaupt lange im Windschatten von Nele und absolvierte die ersten 50 km in etwa 3:45h! Natürlich brach sie ein, bekam Probleme mit den Muskeln und Magen, das ganze Programm! Aber sie biss sich durch und gewann schließlich mit einer Zeit von 8:19 die Bronzemedaille, was ihr sehr viel Respekt einbrachte. Sie bevorzugt allerdings Hindernisläufe und ist seitdem auch kein Ultra mehr gelaufen. Zu ihrer Form schreibt sie: „Ich habe vor die 100 km zu laufen, kämpfe aber zurzeit noch mit verschiedenen Verletzungen sowie einer Erkältung. Zu meiner Form kann ich nur sagen, dass definitiv eine Zeit unter 9 Stunden als Trainingslauf anvisiert ist, lieber sogar 8:30.

In den Bereich von 8:30, was die B-Norm wäre und zur Teilnahme an der 100km-WM in Kroatien berechtigen würde, könnte auch Manishe Sina laufen. Sie ist allerdings eher eine Trail-Läuferin und hat unter anderem die Ultratrail DM 2016 in Bilstein gewonnen. Als Referenzzeit hat sie über 50 km aus 2015 eine Bestleistung von 3:49h stehen. Simone Durry hatte sich vor einigen Jahren rar gemacht, nachdem sie 2012 ihre Bestleistung von 8:43 h lief, feierte 2017 aber ein leidenschaftliches Comeback und qualifizierte sich mit einer erstklassigen Leistung für die 24h Nationalmannschaft. Patricia Rolle hat aus 2015 eine 8:57h stehen und zeigte zum Saisonauftakt in Rodgau eine gute Leistung. Anke Libuda ist vielleicht ein Geheimtipp! Sie läuft schon recht lange und nahm 2007 über 50km in Bottrop an ihrer ersten DM teil. Seit zwei Jahren spezialisiert sie sich auf den 24h-Lauf, wo sie mittlerweile eine Stütze in der Nationalmannschaft ist. Aber sie hat sich auch auf den Unterdistanzen gut entwickelt und beispielsweise beim 6h-Lauf Ihre Bestleistung auf etwa 67,5 km geschraubt und lief dieses Jahr in Rodgau als neue Bestzeit unter 4h! Mein Feld der 9 Favoritinnen schließen Sandra Fätsch und Katja Hinze-Thüs. Sandra lief im letzten Jahr bei der DM ihren ersten 100er und wurde mit einer Zeit von 9:11h dritte Frau. Katja läuft nach längerer Pause wieder Ultras und hat sich viel vorgenommen. Diese Top-Frauen laufen mit den Startnummern 1 bis 9. Im Bereich zwischen 9:30 und 10:00 Stunden können aber noch etwa 5 andere Frauen laufen. Mal sehen, wer sich das Rennen gut einteilt und unter die begehrte 10-Stundenmarke kommt.

Gibt es bei den Frauen klare Favoriten auf den 1., den 2. und die Folgeplätze, so ist das Männerfeld schwerer einzuschätzen. Meine Top-9 haben die Startnummern 11 bis 19. Erfreulicherweise haben mir meine drei Top-Favoriten die Frage nach der Form und Erwartung ausführlich beantwortet.

Fav MarcoBei dem Kampf ums Podest wäre da zum einen meine Nr. 1, Marco Bescheidl, der allerdings erst zweimal 50 km gelaufen ist. 2016 wurde er in einer Zeit von 3:00 zweiter hinter Paul Schmidt, der in seinem ersten und bisher einzigen Ultralauf direkt den deutschen Rekord verbesserte. Marcos Leistung ging da leider ein wenig unter. Dennoch nahm er dann Ende des Jahres noch an der WM über 50 km teil, lief 2017 allerdings keinen weiteren Ultra. Und nun ist der junge Läufer aus Passau wieder gemeldet. Seine Antwort: „Schön, dass du mich zu den Favoriten zählst. Tja, meine Erwartungen… Es ist mein erster 100er und ich habe gehörigen Respekt vor der Strecke. Trotzdem möchte ich schon gern mutig laufen und um die Medaillen mitkämpfen. Was jedoch im entscheidenden Streckendrittel passiert, kann ich beim besten Willen nicht voraussagen. Ich freue mich aber auf ein spannendes neues Abenteuer mit vielen neuen Erfahrungen, Schmerzen und Emotionen.

Ich lese daraus eine solide Vorbereitung und gute Einstellung. Mit der 50km-Zeit hat er sicher ein Potential im Bereich von 6:45 – 6:50. Wenn er auf eine Zeit von 7:05h startet, kann er vielleicht auf eine 6:59 schielen, hat aber Reserven zur WM-Norm die bei 7:15h liegt. Da die Meisterschaft für die hier Antretenden die letzte Chance zur Qualifikation zur WM im September ist, werden vermutlich noch andere diese Marke angreifen.

Fav GerritDie besten Chancen dazu haben Gerrit Wegener und Alexander Dautel, beide kommen aus Berlin sind mit den besten Zeiten angereist. Gerrit Wegener lief 2016 seine 50km-Bestzeit von 3:06 und und 2017 bei seinem bisher einzigen 100er in Winschoten eine starke 7:18h.

Sein Text: „Im Jahr 2014 wurde Gerrit Wegener von seinem damalig neuen Trainer Volkmar Scholz überredet, den Schritt vom Triathlon zum Ultramarathon zu wagen. Dazu schloss er sich dem Sportverein ‘Die Laufpartner‘ an. Bereits 2015 folgte bei den Deutschen Meisterschaften über 50 km in Marburg ein 4. Platz und dem immer noch gültigen Deutschen Mannschaftsrekord im ersten Wettbewerb. … (Nach einer mehrmonatigen, krankheitsbedingten Pause) legte ihm sein Trainer nahe, direkt das Training für die 100 km aufzunehmen und sich somit nach dem empfundenen völligen Tiefpunkt einer neuen Herausforderung zu stellen. Wiederum in Winschoten, nunmehr jedoch über die klassischen 100 km, folgte im Dauerregen ein 3. Platz. Seitdem ist das Training ohne größere gesundheitliche Komplikationen verlaufen und wurde kontinuierlich im Alltag als vollberuflicher Architekt, akademischer Wissenschaftler und stolzer Vater einer inzwischen dreijährigen Tochter eingebettet. Dabei lassen die erzielten Trainingsergebnisse einen sehr gut vorbereiteten Gerrit Wegener am Start der Deutschen Meisterschaften über 100 km erwarten. Zielsetzung ist es, auf einen Medaillenrang vorzulaufen.“

Fav AlexAlexander Dautel von der LG Nord Ultramarathon Team schreibt nur einen kurzen Text über sich: „freue mich schon total auf die DM. Meine Form ist schon den ganzen Winter echt gut, aber 100 km sind auch lang – ich bin einfach sehr gespannt, wie es läuft. Ich finde es selbst super schwierig einzuschätzen, was möglich ist. Habe jedenfalls richtig Lust auf die Distanz und gute Konkurrenz.

Alexander hat eine Bestzeit von 7:16h von der DM 2016 in Leipzig stehen, bei der er dritter Mann wurde. Im gleichen Jahr nahm er an der Weltmeisterschaft in Spanien teil, die ich ein wenig in meinem Text zur Renntaktik analysierte. Erstaunlicherweise lief er seine besten Resultate bei den Ultratrail-Meisterschaften. So wurde er beispielsweise letztes Jahr bei der sehr technischen und schwierigen Strecke an der Zugspitze Zweiter.

Die WM-Norm angreifen könnten aber auch noch weitere Läufer. Die besten Chancen hat vermutlich Thomas Klingerberger, der die Form hat und es auf jeden Fall versuchen möchte. Seine Bestzeit steht aktuell bei 7:29 von der 100km DM 2016 in Leipzig. Christoph Lux hat aus 2017 eine 7:26h stehen, Benjamin Brade eine 7:31 aus 2017, etwas dahinter Volker Greis mit einer 7:43 aus 2014. Ein Geheimfavorit könnte Max Kirschbaum sein. Er ist eher auf den ganz langen Ultratrail-Wettkämpfen zu sehen und erfolgreich, aber logisch können solche Leute auch schnell laufen. Es gibt aber auch noch weitere prominente Läufer im Feld, denen man ebenfalls eine super Leistung zutrauen kann, wie z.B. Jan-Hendrick Hans, der 2015 eine 7:36h lief, aber aus dem Jahr 2012 eine Bestzeit von 7:20h stehen hat. Oder Marcel Leuze, der amtierenden Deutschen Meister über 24h, dem sicher auch eine gute Zeit zuzutrauen ist.

Bei den Mannschaften der Frauen fehlt die Spannung, da lediglich die LG Ultralauf Mannschaften am Start hat. Allerdings gibt es die Chance, Geschichte zu schreiben, denn noch nie ist es einem Verein gelungen, drei Frauen in den Altersklassen W50+ ins Ziel zu bringen. Vermutlich werden wir drei Frauen am Start haben, vielleicht sogar vier.

Bei den Männern sieht das schon anders aus. Hier kann man aufgrund der Bestleistungen von einem Duell zwischen der LG Nord Berlin und der LG Ultralauf mit Vorteilen für die LG Nord ausgehen. Das sah auch im letzten Jahr so aus, aber dann gewann etwas unerwartet, aber sicher verdient die LG Mauerweg. Die Mauerwegläufer sind wieder am Start, aber leider nicht so gut besetzt wie letztes Jahr.

Auf Platz 3 könnte eher Team Icehouse landen. Hier hat sich ein sehr starkes M55er-Team um die Burger-Zwillinge gebildet, die sogar die AK-Mannschaftsbestleistung angreifen wollen. Eine AK-Bestleistung kommt zustande, wenn drei Senioren in der gleichen AK laufen. Die Idee haben wir natürlich aufgegriffen, denn wir haben vermutlich über 20 Senioren am Start und können damit vielleicht 5 Altersklassen-Mannschaftswertungen erreichen.

Unsere stärkste Altersklasse ist traditionell die M55 und hier stellen wir uns gerne dem Frankenduell gegen die befreundeten Läufer vom Team Icehouse. Da geht es also wirklich um etwas! Einer von denen, auf die es ankommt, ist Peter Hübner. Und der ist so etwas von fokussiert und gut drauf…..

Zwischen diesen beiden Vereinen wird wahrscheinlich auch die Mannschaftwertung 50+ entschieden. Insgesamt haben 9 Vereine Männermannschaften in der Wertung und 4 in der Wertung 50+.

Über die Ultramarathon-Bundesliga habe ich vor einiger Zeit einen Vorbericht geschrieben. Hier scheint die LG Ultralauf übermächtig zu sein. Für Platz 2 favorisiere ich die LG Nord, die mit ihrer Männermannschaft, mit Alex Dautel, Benny Brade und Patricia Rolle darüber hinaus 3 starke Einzelläufer und -läufinnen hat, die in der Gesamt- und AK-Wertung punkten können. Icehouse könnte dritter Verein werden vor den DUV-Förderstüzpunkten LG Mauerweglauf, LC Blueliner und dem SV Schwindegg.

Insgesamt wird es also viele interessante Wettkämpfe geben mit spannenden Debuts, einige habe ich schon vorgestellt, z.B. aber auch von unserem Hans-Dieter Jancker, dem dreifachen Deutschen AK-Meister aus 2017. Wir hoffen auf viele persönliche Bestleistungen und für alle Läuferinnen und Läufer auf schöne Erlebnisse. Wer nun ganz spontan Lust bekommen hat, mitzulaufen, kann dies gerne tun. Am Freitag Nachmittag/Abend kann noch nachgemeldet werden. Wichtig ist allerdings ein Nachweis, dass ein Startpass vorliegt. Hier reicht ein formloses Schreiben vom Sportwart des Vereins. Wir sind alle schon sehr gespannt.

Text: Michael Irrgang, Favoriten, Bilder: Michael Irrgang sowie von den Favoriten, 6.3.2018

 

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