Die Zugläufer 2017 mit 4 Mitglieder der LG Ultralauf
Am Sonntag fand die 17. Auflage des Bonn-Marathons statt. Gefühlt bin ich schon immer dabei, aber tatsächlich war meine erste Teilnahme der zweite Bonn-Marathon 2002. Damals rollte ich auf Inlinern durch die Stadt. 2003 folgte dann die erste Teilnahme als Marathonläufer und 2004 lief ich dort eine Marathonzeit 3:01:56, die ich im November des gleichen Jahres auf unter 3:00h verbessern konnte. Das Thema Marathonbestzeit hatte sich damit erledigt. 2005 lief ich dann in Bonn einen Halbmarathon und konnte mit einer Zeit von 1:24:19 den Viererschnitt um wenige Sekunden unterbieten. Damit war auch dieses Lebensziel abgehakt und ich konnte mich den wirklich interessanten Dingen zuwenden, nämlich den längeren und den Landschaftsläufen.
Doch wie es der Zufall so wollte, stand ich 2006 wieder an der Startlinie. Der Veranstalter suchte kurzfristig Ersatz für den ausgefallenen 3:30-Zugläufer und so führte ich zum ersten Mal eine Gruppe in 3:29:13 ins Ziel. Und weil das so gut geklappt hatte, durfte ich im nächsten Jahr wieder ran und eine Serie begann. In meiner langfristigen Planung konnte ich mir gar nicht vorstellen, vor meinem 70. Lebensjahr diesen Job als 3:30-Zugläufer wieder abzugeben. Nach dem dritten Mal wusste ich die Zwischenzeiten alle auswendig, was zugegebenermaßen für einen 3:30 Zugläufer auch recht einfach ist, und perfektionierte die Fähigkeit, während des Laufes durchgehend Geschichten zu erzählen.
Bonn hat den Charme, dass es von meinem Wohnort aus der nächste Marathon ist und so kann ich morgens bequem mit dem Fahrrad hinfahren. Bonn ist auch nicht so voll, die Wege sind kurz und die Zielverpflegung gut. Kurz: Ich mag den Marathon! Außerdem ist der Marathonsonntag Anfang April oftmals der erste schön warme Tag im Jahr. Das ist schön für mich, aber schlecht für die Läufer, die sich im Winter bei deutlich kühleren Temperaturen auf ihre ehrgeizigen Ziele vorbereitet und aufgrund des Wetters leider keine Chance auf Erfolg haben.
Seit etwa 10 Jahren stelle ich die Zugläufer nun schon auf. Das ist meist kein Problem, da mein lokaler Verein, die Troisdorfer LG M.U.T., über genügend gute und erfahrene Läuferinnen und Läufer verfügt. Ergänzt wurde die Gruppe meist durch gestandene, prominente Ultraläufer wie beispielsweise Rene Strosny, Benedikt Strätling, Jan-Hendrik Hans, Roland Riedel, Simone Durry oder Sigrid Hoffmann.
Eine Krankheit führte dazu, 2012 mehrere Monate nicht laufen zu können und ich die Fähigkeit, den Marathon in 3:30 zu laufen, endgültig verlor. So machte ich mich fortan mit den Tempotabellen und Besonderheiten der 4:00- und 4:30-Läufer vertraut und startete sogar zweimal als Schlussläufer, was zweifelsfrei eine interessante, aber keinesfalls eine erstrebenswerte Aufgabe ist.
2013 lief ich mit Simone Durry 4:00, Hady Lavalata und Roland Riedel liefen 3:30, mittig unserer Betreuer Jürgen Mosler.
Wie im Großen nicht jeder Plan funktioniert, so ist es auch im Kleinen. Hatte ich für die 2017-Auflage vermeintlich alles top vorbereitet, so fielen letzten Dienstag beinahe gleichzeitig ein 3:00- und ein 4:30-Läufer aus. Ich selbst war zunächst gewillt, 4:00h zu laufen, habe mir jedoch blöderweise montags noch eine Zerrung eingefangen und wusste nicht, ob ich überhaupt starten könnte. So bin ich in die 4:30er Gruppe gewechselt, derjenige, der zuvor für 3:30 eingeplant war, aber wegen eines krankheitsbedingten Trainingsrückstandes abgesagt hatte, hat sich kurzfristig bereiterklärt, 4:00 zu laufen und für die 3:00 haben wir ein Fahrradfahrer aus der Top-Athletenbetreuung abzweigen können. Gut, wenn man flexible Freunde hat!
Am Sonntagmorgen war ich megaaufgeregt! Würden die Teams gut harmonieren und durchkommen? Würde meine Wade halten? Viele Leute trainieren sehr hart und leben abstinent, um ihre Wunschzeit zu erreichen und vertrauen sich blind den Zugläufern an, die eine immense Verantwortung haben! Über die Leistung der Zugläufer und deren Renneinteilung wird jahrelang diskutiert, insbesondere wenn sie subjektiv schlecht war und die eigenen Ziele nicht erreicht wurden.
Morgens trafen wir uns, um die Shirts, Hosen, Startnummern und gute Tipps zu verteilen und ein Foto zu machen. Leider hatte ich mir eine falsche Startzeit gemerkt und trieb so etwas unnötig zur Eile. Aber schließlich brachten wir die Kleiderbeutel weg, wünschten uns gegenseitig viel Erfolg und begaben uns in die Startblöcke, um die Leute ein wenig kennenzulernen.
In der Situation heißt das Ziel „Zuversicht zu verbreiten“, was Sigrid Hoffmann und mir als 4:30-Zugläufer schon gelang, indem wir uns vorstellten und unseren Plan erläuterten. Die Fragen betrafen den Unterschied zwischen Brutto- und Nettozeit und wieviel man trinken muss. Ja, ja, die Hälfte der Leute um uns herum lief am Sonntag ihren ersten Marathon. Es knisterte vor Aufregung. Dann fiel der erste Startschuss, aber es dauerte noch ein wenig, bis auch wir loslaufen und die Startmatte überqueren durften. Der erste Kilometer ist der schwierigste. Ideal ist 15 bis 30 Sekunden über dem Durchschnittstempo, zumal es in Bonn direkt nach der ersten Kurve zum ersten Mal über die Kennedybrücke mit ein paar Höhenmeter geht.
Passte perfekt. Auch der zweite Kilometer ist nicht einfach. Jetzt geht es von der Brücke runter und die Beine wollen befreit loslaufen, aber auch jetzt gilt die Regel „Langsamer als gedacht ist meistens genau richtig“. Die Zeit war ebenfalls gut. Nun galt es langsam zu beschleunigen. Wir hatten Platz zum laufen, die Temperaturen waren angenehm. Start geglückt; wunderbar, alles im grünen Bereich. Wir hatten für jeden Kilometer ein ungefähres Lauftempo geplant und für alle 5 km eine Zwischenzeit. Die ersten 10 Kilometer waren wir etwas (im Sekundenbereich) zu langsam und wurden daher nach der zweiten Brückenquerung am Bonner Rheinufer mit Rückenwind etwas schneller. Bei km 20 waren wir noch 7 Sekunden hinter dem Plan, beim Halbmarathon hatten wir sekundengenau unsere geplante Durchgangszeit erreicht.
Aufgrund der zu erwartenden mittäglichen Wärme und des Kräfteschwundes wollten wir die erste Hälfte etwa 3 Minuten schneller als die zweite laufen, was für Anfänger sicherlich eine gute Strategie ist. Wir wurden auch langsamer, aber nicht langsam genug. Es fehlten stets 3 Sekunden pro Kilometer! Fanden wir nicht schlimm, da die in der Gruppe verbleibenden Leute das Tempo mühelos mitgehen konnten und wir im Abschnitt zwischen km 36 und 40 Gegenwind erwarteten. Aber wie es halt so ist als Zugläufer, einige bekommen Probleme und fallen zurück, während andere zum Endspurt starten. Und so mussten Sigrid und ich die letzten Meter alleine traben. Wir verzichteten auf taktische Spielereien, um die Zielzeit zu optimieren und liefen gleichmäßig durch und etwas früher als geplant in 4:28 über die Zielmatte.
Anschließend ging es ins Verpflegungsdorf, wo mit Speisen und Getränken die geleerten Speicher wieder aufgefüllt und nette Geschichten über das Erlebte ausgetauscht wurden. So traf ich die Vereinsmitglieder Jan Förster, der seinen fünfzigsten Marathon erfolgreich beendet hat und Mario Luther, der in der zweiten Hälfte schwer zu kämpfen hatte. Glückwunsch euch beiden!
Als Zugläufer liefen von der LG Ultralauf Katharina Bey und Stefan Henscheid gemeinsam und souverän 3:59 Stunden.
Stefan Beckmann mit seinem Partner Jürgen Mosler ebenso klasse 3:29.
Text Michael Irrgang, Bilder: Michael Irrgang, Stefan Beckmann und André Willems, 5.4.2017