Training 100km
Text: Michael Irrgang
Der 100km-Lauf ist die klassische Ultralauf-Disziplin.
Wettkampfklassiker wie in Biel (Schweiz) oder Passator (Italien) haben teilweise mehrere tausend Finisher. In Deutschland ist die Tendenz eher rückläufig, obwohl das Angebot zuletzt durch den Taubertal und WHEW super bereichert wurde.
Damit das nicht an mangelnden Trainingsideen liegt, möchte ich hier einmal verschiedene Ansätze aufzeigen:
Bild: Martina Stumpf-Irrgang
Der folgende Plan wurde zuerst in der ULTRAMARATHON 2/2015 veröffentlich. Er richtet sich an Läuferinnen und Läufer, die ohne viel Zeit zum Training mit vier Einheiten in der Woche und einem Aufwand von 8 Stunden gute Ergebnisse auf der 100km-Strecke erreichen wollen. Dass dieser sehr effektive Plan funktioniert, haben bereits einige Rückmeldungen bestätigt.
Trainingsplan für Leute ohne Zeit
Text: Michael Irrgang
Stress bei der Arbeit? Eine anspruchsvolle Familie? Zu kurze Tage und zu selten Wochenende? Das gibt es und ist dennoch manchmal gepaart mit sportlichen Ambitionen. Wenn man nur wenige Stunden Zeit für das wöchentliche Training hat, muss jede Minute möglichst effizient, d.h. zielführend genutzt werden.
In diesem Artikel möchte ich dazu ein paar Ideen liefern, wie sich „wenig Zeit“ und „hohe Ziele“ nicht ausschließen.
Zunächst drei Grundsätze:
- Ein Wochenrhythmus hilft. Also feste Zeiten blocken, die für das Training zur Verfügung stehen.
- Möglichst variabel trainieren. Je mehr man das Lauftempo, die Streckenlänge oder das Profil variiert, desto besser.
- Auch der Wenigtrainierer sollte nicht nur laufen, sondern unbedingt Athletiktraining machen.
Als Beispiel nehmen wir einmal einen Läufer, dem folgende Zeitscheiben für Training zur Verfügung stehen:
- Dienstagabend: 1h
- Donnerstagabend: 1,5h
- Samstagabend: 1,5h
- Sonntagvormittag: 4h
Normale Trainingswochen könnten dann folgende Struktur haben:
- Dienstag ist der Tempotag. Hier werden entweder intensive Widerholungsläufe oder ein schneller Tempodauerlauf gemacht.
- Donnerstag steht ein mittelintensiver Lauf im Plan.
- Samstag gibt es extensive Wiederholungsläufe oder einen mittelschnellen Dauerlauf.
- Sonntag wird ganz langsam gelaufen.
Der Plan ist dauergesteuert und gilt für alle Leistungsklassen:
Wettkampftraining | Woche 1 Belastung | Woche 2 Belastung | Woche 3 Belastung | Woche 4 Erholung |
Dienstag | 5 min m 17 x (1 min i, 2 min l) 4 min l | 5 min m 30 min i 5 min l | 5 min m 13 x (2 min i, 2 min l) 3 min l | 60 min l |
Donnerstag | 90 min m | 90 min m | 90 min m | 90 min l |
Samstag | 5 min m 80 min s 5 min l | 5 min m 8 x (9 min s, 1 min l) 5 min l | 5 min m 80 min s 5 min l | – |
Sonntag | 180 min l 60 min m | 90 min l 150 min m | 240 min m | 90 min m |
Die Tempowechselläufe sollten nicht zu schnell gelaufen werden! Man soll ja bei der stattlichen Anzahl von Wiederholungen nicht einbrechen.
Die erste Einheit wäre folgendermaßen zu lesen: zunächst 5 min in mittlerem Tempo einlaufen, dann 17 Wiederholungen jeweils 1 Minute intensives Tempo und 2 Minuten langsames Tempo, die verbleibenden 4 Minuten werden im langsamen Tempo ausgelaufen.
Die Wochenend-Kombination ist am effektivsten, wenn die Samstagseinheit abends und die Sonntagseinheit morgens gelaufen wird.
Zur Verdeutlichung ein Beispiel für jemanden, der für 10km 45 min benötigt, den Marathon in 3:30h läuft und bei einem 100km-Lauf eine 9:45h erreichen möchte:
i wäre etwa das 10km-Tempo, also 4:30 min/km, s entspricht dem Marathontempo, also 5:00 min/km, m wäre das 100km-Anfangs-Wettkampftempo 5:45 min/km und l = 6:30 min/km. Die Dauerläufe sind etwas langsamer als die Wiederholungsläufe.
Je nach Alter, Tempo, Koordinations- und Regenerationsfähigkeit können die Zeiten natürlich abweichen, insbesondere sind die Dauerläufe etwas langsamer als die entsprechenden Wiederholungsläufe.
Wichtig für die Effektivität von Trainingseinheiten ist das Ernährungsverhalten. Bei den abendlichen Läufen sollte im Idealfall die letzte Mahlzeit das Mittagessen gewesen sein. Nach den intensiven Läufen am Dienstag und Samstag bietet sich direkt nach dem Lauf eine eiweißhaltige Speise an. Vor der Sonntagseinheit sollte man am besten ganz auf das Frühstück verzichten, statt dessen etwas zum essen und zum trinken sowieso mitnehmen. Während der Einheiten am Dienstag, Donnerstag und Samstag sollte man nichts essen, aber nach Bedarf Wasser trinken und ggf. Salztabletten einplanen, für die Sonntagseinheit ist essen und trinken erforderlich.
Die Belastung wird in den drei Wochen kontinuierlich gesteigert. In der dritten Belastungswoche kann am Dienstag und Samstag ruhig „so schnell wie möglich“ gelaufen werden. Die folgende Sonntagseinheit ist die wichtigste Einheit in dem ganzen Block: Hier wird mit einer ordentlichen Vorermüdung im 100km-Wettkampftempo gelaufen; in dem obigen Tempo-Beispiel ein Marathon. Die Erholungswoche ist dann redlich verdient, bevor ein neuer Zyklus beginnen kann.
Zusätzlich ist es vielleicht möglich, am Mittwoch oder Freitag abends eine Krafteinheit einzubauen. Hier gibt es einige Vorschläge, die nicht länger als die Nachrichten im Fernsehen dauern. In der Kurzversion, reicht ein Training nach Herrn Tabata von 4 Minuten Länge! Aber besser wäre schon, man würde regelmäßig ein laufspezifisches Athletikprogramm durchführen, in dem speziell die Rumpfstabilität, die Abduktoren und die Fußmuskulatur gestärkt werden.
Wer mal keine Lust auf die intensiven Dienstagslaufeinheiten hat, kann auch 30 Minuten Seilchenspringen oder Treppentraining machen. Das ist zwar nicht minder anstrengend, aber vielleicht eine willkommene Abwechslung. Auch hier schadet ein wenig warmlaufen nicht und nach intensiven und kräftigenden Einheiten ist Dehnen sowieso sinnvoll.
Die obigen Einheiten beschreiben die Phase des Wettkampftrainings, d.h. drei solcher Blöcke kann man etwa vor einem Wettkampf machen, aber natürlich trainiert man so nicht das ganze Jahr.
Speziell in der Grundlagenphase würde ich dienstags 90 (oder besser 120) Minuten langsames Tempo empfehlen. Natürlich kann man am Wochenende gerne einmal einen Wettkampf einstreuen, z.B. einen Marathon oder 50km-Wettkampf. Gut wäre auch, wenn man die Zeit hätte, einmal in der Vorbereitung 60 km im geplanten Wettkampftempo zu laufen. Wer ambitionierter und erfahrener ist, wird vielleicht ein langes Wochenende nutzen können, um in drei Tagen drei Marathons jeweils im 100km-Wettkampftempo zu laufen.
Nach diesen Ideen kann man sich recht solide auf einen 100km-Wettkampf vorbereiten. Wenn die Wochenendplanung nicht alle Einheiten zulässt, kann man gerne noch die ein oder andere Einheit streichen oder kürzen, aber man darf nicht vergessen, dass 100km, insbesondere bei einem engen Zeitfenster von nur 13 Stunden eine sehr gute Vorbereitung erfordert. Da ist ein 24h-Lauf, bei dem man beliebig pausieren oder gehen kann, viel einfacher zu gestalten.
Der nächste Plan richtet sich eher an die ambitionierten, leistungsstarken Läufer. Um die nötige Laufökonomie und einen perfekt funktionierenden Fettstoffwechsel zu haben, kommt man um ein paar Jahre Ultralauferfahrung und einen gewissen Trainingsumfang nicht herum. Möglicherweise sind die beschriebenen Einheiten für viele so nicht zu schaffen, aber man kann gewiss die Elemente modifizieren und die Struktur übernehmen.
Ambitioniertes 100km-Training
Text: Michael Irrgang Foto: Martina Stumpf-Irrgang
Viele sagen, für 100km trainiert man so, wie für einen Marathon. Viele Pläne ähneln auch den Marathonplänen sehr stark. Nach der Vorlage von Peter Greif gibt es drei Kernelemente jede Woche, den Tempodauerlauf, das Intervalltraining und den langen Lauf. Während man in der Grundlagenphase üblicherweise zunächst einen Block zur Steigerung der Ausdauer und dann der Schnelligkeit einlegt, geht es dann im Wettkampftraining darum, Tempoausdauer zu üben.
Um ein hohes Tempo über eine längere Zeit zu halten, muss man diese Bewegung sehr ökonomisch ausüben, im Idealfall mit einem geringen Energiebedarf und im optimalen Fall wird ein Großteil aus den Fettreserven bereitgestellt. Daraus folgt zwangsläufig:
- Man muss viele Kilometer im geplanten Wettkampftempo laufen, um diese Bewegung zu optimieren – was einem 100km-Läufer leichter als einem Marathonläufer fällt.
- Der Energieverbrauch pro Kilometer ist direkt proportional zum Gewicht. Also wer weniger Kilos mit sich rumschleppt, ist klar im Vorteil!
- Ein Trainingsziel sollte sein, den Fettstoffwechsel zu trainieren, also den Körper in die Lage zu versetzen, trotz hoher Belastung viel Fett zu verstoffwechseln.
Der 100km-Lauf ist eine sehr anspruchsvolle Disziplin. Um hier ansatzweise vorne mitlaufen zu können, muss man in der Lage sein, recht locker viele schnelle, lange Schritte zu machen, was eine enorme Koordination und Kraft erfordert. Daher ist ein Athletiktraining sehr wichtig. Ideen zum Fettstoffwechseltraining findet man im Kapitel zm 24h-Lauf, wo dieser Punkt noch viel wichtiger ist. Stichwörter dazu sind:
- lange, langsame Läufe
- Nüchternläufe
- Läufe mit Vorermüdung, z.B.: Doppeldecker
- Train-Low-Konzept
Wie man flinke Beine bekommt und an der Grundschnelligkeit arbeitet, findet ihr in den Texten zum Tempotraining. Nehmen wir nun an, dass ihr also über die nötigen Grundlagen verfügt und nun ein Programm für die letzten 10 Wochen sucht. Dazu hätte ich folgende Empfehlung für ambitionierte Läufer.
Der erste Trainingsblock erinnert noch stark an einen Marathonplan. Montags ist bei mir grundsätzlich trainingsfrei, freitags ist ein Erholungstag
Wettkampftraining | Woche 1 Belastung | Woche 2 Belastung | Woche 3 Belastung | Woche 4 Erholung |
Dienstag | 10 x (1000m s, 400m l) * | 6 x (2000m s, 400m l) * | 5 x (3000m s, 400m l) * | |
Mittwoch | 10km l | 10km l | 10km l | 10km l |
Donnerstag | 2km m, 8 km s, 1km sl | 2km m, 10 km s, 1km sl | 2km m, 12 km s, 1km sl | 10km m |
Freitag | 10km sl | 10km sl | 10km sl | |
Samstag | 20km m | 25km m | 25km m | 15km m |
Sonntag | 35km l | 40km l | 45km l | 40km l |
Gesamtkilometer | 18km s, 22km m, 64km l | 22km s, 27km m, 67,4km l | 27km s, 27km m, 72km l | 25 m/ml, 50 l |
Die Gesamtkilometer sind in die Bereiche schnell, mittel und langsam zusammengefasst.
Der Marathonläufer macht bei seinen Intervallläufen weniger Wiederholungen, läuft dafür schneller. Der klassische lange Lauf beim Marathontraining geht über 35 km und hat nach eine Endbeschleunigung. Wird der erste Teil etwa 45 sek pro km langsamer als das Marathontempo gelaufen, so wird der letzte Teil im Marathontempo gelaufen. Für den 100km-Läufer ist es wichtig, oft das 100km-Renntempo zu üben, möglichst oft sogar mit einer Vorermüdung. Das 100km-Tempo wird am Mittwoch und Sonntag gelaufen.
Die Gesamtkilometer sind in die Bereiche schnell, mittel und langsam zusammengefasst.
Der Marathonläufer macht bei seinen Intervallläufen weniger Wiederholungen, läuft dafür schneller. Der klassische lange Lauf beim Marathontraining geht über 35 km und hat nach eine Endbeschleunigung. Wird der erste Teil etwa 45 sek pro km langsamer als das Marathontempo gelaufen, so wird der letzte Teil im Marathontempo gelaufen. Für den 100km-Läufer ist es wichtig, oft das 100km-Renntempo zu üben, möglichst oft sogar mit einer Vorermüdung. Das 100km-Tempo wird am Mittwoch und Sonntag gelaufen.
Der zweite Trainingsblock ist jetzt ein typisches 100km-Training für leistungsorientierte Läufer. Jetzt stehen die wichtigsten und schwersten 3 Wochen der Vorbereitung bevor!
Wettkampftraining | Woche 1 Belastung | Woche 2 Belastung | Woche 3 Belastung | Woche 4 Erholung |
Dienstag | 20 x (700m s, 300m l) * | 20 x (800m s, 200m l) * | 20 x (1000m s, 200m l) * | |
Mittwoch | 10km l | 10km l | 10km l | 10km l |
Donnerstag | 1km m, 18 km s, 1km sl | 1km m, 20 km s, 1km sl | 1km m, 22 km s, 1km sl | 10km m |
Freitag | 10km sl | 10km sl | 10km sl | |
Samstag | 20km m | 25km m | 25km m | 15km m |
Sonntag | 50km l | 55km l | 60km l | 30km l |
Gesamtkilometer | 32km s, 21km m, 81km l | 36km s, 26km m, 84km l | 42km s, 26km m, 89km l | 25 m/ml, 40 l |
Das Training ist schon sehr fordernd und kostet auch viel Zeit, allerdings ist der Schwerpunkt klar auf den langen Läufen und daher die orthopädische Belastung nicht zu hoch. Die Umfänge liegen mit 134km bis 157km schon recht hoch und sind vermutlich nach am Maximum, was man neben Arbeit und Familie leisten kann.
Am Ende der Woche 5 folgt der Wettkampf, d.h. zwischen der letzten Belastungswoche und dem Wettkampf liegen etwa 2 Wochen.
Die Tempowechselläufe sollten nicht zu schnell gelaufen werden! Man soll ja bei der stattlichen Anzahl von Wiederholungen nicht einbrechen.
Die erste Einheit wäre folgendermaßen zu lesen: zunächst 2 km einlaufen. Danach im günstigsten Fall ein paar Mobilisierungsübungen, Lauf-Abc und Steigerungsläufe, bevor der Hauptteil beginnnt. Dieser besteht darin zwanzigmal zunächst 700m schnell zu laufen, dann 300m langsam, schließlich wird noch etwa 2 km sehr langsam ausgelaufen.
Die schnellen Teile werden etwa im 10km-Tempo gelaufen, eher sogar etwas langsamer. Durch den häufigen Wechsel schafft man es sehr schnell die Bewegung des ökonomischen, schnellen Laufens zu finden. Das ist viel wirksamer als ein Tempodauerlauf im gleichen Tempo.
Der Tempodauerlauf am Donnerstag darf auch etwas länger ausfallen. Ich finde sogar zwei Stunden ideal, aber das ist dann recht heftig.
Wie in dem anderen Text notiert, ist die Ernährung für die Effektivität und Regeneration der Belastungseinheiten sehr wichtig. In dieser Hochbelastungsphase sollte man das Athletiktraining stark reduzieren.
Die Anforderungen an einen 100km-Läufer sind recht anspruchsvoll und daher ist es auch zweckmäßig, sehr variabel zu trainieren. Viele sehr gute 100km-Läufer sind auch hervorragende Trail-Läufer, so lange es nicht zu technisch, sprich steil wird. Ein Ultratrail im Bereich 40 bis 60 km sind als Trainingslauf hervorragend geeignet und passen fast immer in den Plan. Da wird einfach samstags pausiert und am Sonntag kann der Wettkampf gelaufen werden. Auch einen schnellen Marathon oder 50km-Lauf passt fast immer. Einzig der 6h-Lauf wird von den Top-Männern gemieden, da sie ja 80km oder sogar deutlich mehr laufen würden. Wenn überhaupt, dann kann man das nur als ein Lauf mit Endbeschleunigung machen, dass man beispielsweise 4h gemütlich joggt und dann 2h Tempo macht. Wer so etwas macht, sollte sich allerdings sicher sein, dass er solche Belastungseinheiten gut regenerieren kann. Daher ist ein idealer Zeitpunkt für solche Wettkämpfe am Ende eines dreiwöchigen Belastungsblockes und vor der Erholungswoche.
Das Training ist die Vorbereitung, aber der Wettkampf ist ja erst das Entscheidende. Hier ist es nicht einfach, das richtige Tempo zu finden und Konzentration und Willenskraft aufzubieten, um sein Potential abzurufen. Sehr hilfreich ist eine Mannschaft, die dem Kampf um Sekunden einen Sinn gibt und eine Betreuungsmannschaft, die einem durch die Krisen manövriert.
Da ein 100km-Wettkampf oft auf Runden gelaufen wird, können die Betreuer den Läufern gut helfen und das Rennen sehr gut verfolgen.
Viel Erfolg!
Als Erweiterung zum Ambitionierten Trainining gibt es die 100km-Trainingsoptimierung nach der F-AS-T-Formel
100km-Trainingsoptimierung nach der F-AS-T-Formel
Text und Foto: Michael Irrgang
Trainieren zwei Personen bei gleichen Voraussetzungen nach dem gleichen Plan, so können die Wettkampfergebnisse recht unterschiedlich sein. Die Gründe können vielfältig sein, z.B. der Zeitpunkt des Trainings oder die Mahlzeiten vor, während und nach dem Training. Überhaupt spielt die Ernährung eine wichtige Rolle. Jeder vermutet einen starken Einfluss auf den Trainingseffekt und die Regeneration, aber was ist nun richtig?
Übliche Trainingspläne sehen etwa so aus: Montag 1 h Tempodauerlauf, Dienstag 1h langsam, Mittwoch Wiederholungslauf 6 x 1km. Neben den Überlegungen zur Ernährung stellt sich durchaus die Frage, was die ideale Tageszeit für die Einheit ist. Morgens oder abends? Oder sollte man die Einheit gar aufteilen? Und dann gibt es noch das unausgesprochene Geheimnis, dass gute Läufer im Training gar nicht ausschließlich laufen, sondern durchaus auch mal Krafttraining oder Alternativtraining ausprobieren. Effektives Lauftraining ist also sehr komplex.
Eins der für mich wichtigsten Bücher zu dem Thema Lauftraining ist das Buch „Die F-AS-T-Formel – was erfolgreiche Sportler anders machen“ von Dr. Feil.
In diesem Artikel möchte ich die wesentlichen Konzepte des Autorenteams kurz vorstellen und beschreiben, wie man einen Standardtrainingsplan für 100km nach der F-AS-T-Formel anpasst.
Die F-AS-T-Formel
Das F steht für Fettstoffwechsel. Die Verbesserung des Fettstoffwechsels ist das primäre Ziel von Ultramarathontrainingseinheiten, da es der wichtigste, leistungsbestimmende Parameter ist. Mit einem guten Fettstoffwechsel wird mehr Energie durch den Abbau von Fetten gewonnen, was die Kohlenhydratvorräte schont und die Muskelübersäuerung verhindert. Um dies zu erreichen, müssen gleich mehrere Körpersysteme angepasst werden, angefangen von der Sauerstoffaufnahme und dessen Transport in die Muskelzellen, sowie die Ausstattung der Muskelzellen mit Mitochondrien.
Anpassungen im Körper passieren nur aufgrund von Reizen, wobei die richtig dosierten Impulse eine schnellere, bzw. höhere Anpassung bewirken als zu schwache. Und dann müssen natürlich auch noch die richtigen „Bausteine“ wie Eiwei0e oder andere Nährstoffe verfügbar sein, um beispielsweise Zellen zu stärken.
Der Fettstoffwechsel wird insbesondere verbessert durch:
- Training bei niedrigen Kohlenhydratspeichern. Je weniger Energie zur Verfügung steht, desto sparsamer geht der Körper damit um.
- Training mit niedrigem Blutzuckerspiegel. Die Verstoffwechselung von Kohlenhydraten setzt Insulin frei, was den Fettstoffwechsel hemmt.
- Hochintensives Intervalltraining. Dass diese Trainingsform die Sauerstoffaufnahme und -verwertung verbessert, ist naheliegend, aber die Effekte kommen auch dem Langsamläufer zugute, denn durch das hohe Energiedefizit wird die Bildung von Mitochondrien ebenfalls angeregt.
Das F-AS-T-Konzept enthält einige wesentliche Schlagwörter. Die letzte Mahlzeit vor dem Fettstoffwechsel-Training wird EAT-LOW gestaltet, d.h. kohlenhydratarm, um mit gering gefüllten Speichern das Training zu beginnen, was dann entsprechend auch TRAIN-LOW genannt wird. Unmittelbar nach dem Training sollte man einen Eiweißshake zu sich nehmen, der wertvolle Inhaltsstoffe hat und schnell aufgenommen wird. Möchte man seine Mitochondrienproduktion optimieren, würde man auch bei dem Shake Kohlenhydrate reduzieren.
Allerdings gibt es auch die Begriffe EAT-HIGH und TRAIN-HIGH. Wenn man nämlich Tempo- oder Krafteinheiten plant, so sollten diese mit vollen Speichern bestritten werden, um bis zum Ende der Einheit durch eine hohe Energieverfügbarkeit eine hohe Leistungsfähigkeit zu haben. Entsprechend würde man sich bei der letzten Mahlzeit vor der Einheit kohlenhydratreich ernähren.
AS im F-AS-T-Begriff steht für Allgemeine Stabilität. Im Wesentlichen ist hier die Belastbarkeit gemeint. Wenn man einen ambitionierten Trainings-Plan umsetzen will, setzt das einerseits eine funktionale Muskulatur, starke Bänder und Gelenke und andererseits eine gute Regenerationsfähigkeit voraus.
Hier empfehlen die Autoren ein zweimaliges intensives Krafttraining pro Woche, regelmäßiges Dehnen und Ausrollen der Muskulatur und geben zahlreiche Tipps zur Ernährung, um Entzündungsprozesse zu reduzieren und Wachstumsprozesse zu fördern.
T für Top-Leistung im Wettkampf handelt vom Tapern, dem Füllen der Speicher und der Ernährung während des Wettkampfes. Auch wenn hier bedauerlicherweise viele Fehler gemacht werden und so manch gut trainierter Athlet im Wettkampf nicht seine mögliche Leistung abrufen kann, möchte ich auf dieses Thema nicht weiter eingehen.
Trainingsplananpassung
Im zweiten Teil des Beitrages beschreibe ich, wie ein Trainingsplan gemäß des F-AS-T-Konzeptes angepasst werden kann, um ohne Mehraufwand die Effektivität des Trainings zu erhöhen.
Als Beispielwoche nehme ich den Plan „Ambitioniertes 100km-Training“, der ebenfalls auf dieser Seite veröffentlich ist.
Hier empfehlen die Autoren ein zweimaliges intensives Krafttraining pro Woche, regelmäßiges Dehnen und Ausrollen der Muskulatur und geben zahlreiche Tipps zur Ernährung, um Entzündungsprozesse zu reduzieren und Wachstumsprozesse zu fördern.
Wettkampftraining | Woche 1 | Inhalt |
Montag | Pause | |
Dienstag | 1km l, 20 x (700m s, 300m l), 1km sl | extensiver Wiederholungslauf |
Mittwoch | 10km l | langsamer Dauerlauf |
Donnerstag | 1km m, 18 km s, 1km sl | Tempodauerlauf |
Freitag | 10km sl | regenerativer Dauerlauf |
Samstag | 20km m | mittelintensiver Dauerlauf |
Sonntag | 50km l | lange Einheit |
Gesamtkilometer | 134 km, davon 32km s, 21km m, 81km l |
Zur Klarstellung: Dieser Plan beschreibt das Wettkampftraining, etwa 10 bis 2 Wochen vor dem Zielwettkampf und nicht ein Ganzjahrestraining. In der vorangehenden Trainingsphase, in der die Grundlagen vorbereitet werden, gibt es auch intensive Tempoeinheiten und der lange Lauf wird deutlich langsamer gelaufen.
Die vorgestellte Woche ist die erste Woche des zweiten Blocks, d.h. die erste von drei Belastungswochen, in denen die Intensität der Kerneinheiten noch etwas gesteigert werden.
Im ausgeruhten Zustand nach dem Ruhetag kommt die wichtigste Tempoeinheit, der extensive Wiederholungslauf, der gerne 2 Stunden dauern darf. Er enthält diese Woche 14 km etwa im Halbmarathontempo. Es folgt am Dienstag ein eher langsamer Dauerlauf, bevor am Donnerstag der Tempodauerlauf folgt, der mit 18km zwar lang, aber noch nicht lang genug ist. Diese drei Einheiten bilden einen ersten Block. Am Freitag folgt ein regenerativer Lauf mit sehr langsam gelaufenen 10 km. Samstag und Sonntag kommt ein zweiter Block. Er beginnt am Samstag mit mittelschnellen 20km und setzt sich am Sonntag mit 50 eher langsam gelaufenen Kilometern fort. 70km an zwei Tagen ist recht anspruchsvoll und so hat man sich am Montag die Pause verdient.
Beim Training nach dem F-AS-T-Konzept ist es wichtig, wann eine Trainingseinheit stattfindet und ob sie mit vollem oder leerem Speicher begonnen wird. Daher ist die Mahlzeit davor entsprechend zu planen.
Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag | Samstag | Sonntag | |
morgens | 10km l | 10km sl | 50km l | ||||
zum Mittag | EAT HIGH | EAT HIGH | EAT HIGH | EAT HIGH | EAT LOW | ||
nachmittags | Athletik | 20 x (700m s, 300m l) | 18 km s | Athletik | 20km m | ||
zum Abend | EAT LOW | EAT LOW | EAT LOW | EAT HIGH |
Die Trainingszeiten sind entweder morgens vor dem Frühstück oder nachmittags, mindestens 4h nach dem Mittag. Morgens die Einheiten sind recht kurz und für die meisten vermutlich trotz Arbeit zu organisieren.
Es sind die identischen Laufeinheiten, wie im obigen Plan. Die schnellen Einheiten am Dienstag und Donnerstag werden mit vollem Speicher gelaufen (TRAIN HIGH, rote Farbe), daher werden mittags mehr Kohlenhydrate gegessen (EAT HIGH). Gleiches gilt für Montag und am Freitag, an denen abends ein intensives Athletiktraining gemacht wird. EAT LOW ist keine Diät, bei der es darum geht, Kalorien zu sparen, sondern bei diesen Mahlzeiten ist der Energieanteil aus Eiweiß und Fett höher. Durchaus gewünscht ist, dass die Regenerationszeit vor den langsamen Einheiten am Mittwoch und Freitag sehr kurz und vor den Tempoeinheiten am Dienstag und Donnerstag sehr lang ist, denn neben der Energieversorgung spielt auch die Muskelermüdung eine große Rolle für die Effektivität des Trainings und für die Verletzungsvermeidung. Eine Besonderheit ist am Wochenende zu erkennen. Hier würden vermutlich einige abends eine EAT-LOW-Mahlzeit erwarten. Aber das funktioniert nicht, denn die Sonntagseinheit, die ebenfalls vor dem Frühstück gestartet und im 100km-Renntempo (ca Marathonrenntempo plus 1 min pro km) gelaufen wird, ist recht fordernd. Bei dieser Einheit kann man dann je nachdem, wie gut der Fettstoffwechsel trainiert ist, ab ca km 20 bis 30 seine Wettkampfernährung ausprobieren.
Noch zwei Anmerkungen: Man kann den Plan natürlich um einen Tag verschieben und am Sonntag seinen freien Tag haben. Am Mittwoch würde ich 15km, bzw. 1,5 Stunden bevorzugen, da hier 50% mehr Aufwand einen doppelt so großen Effekt hat. Am Freitag allerdings nicht, da sonst der regenerative Charakter verloren gehen würde.
Der Plan ist sicher nicht für Einsteiger geeignet, sondern eher für „ambitionierte 100km-Läufer“, wie der Name schon sagt, aber einen 100km-Lauf hält wohl eh niemand der Leser hier für eine Breitensportveranstaltung. Selbstverständlich kann man die Einheiten am Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag vereinfachen und so ein moderates Marathontraining gestalten. Es geht bei diesem Beispiel darum, das F-AS-T-Konzept an einem konkreten Traininigsplan zu erläutern.
Wenn ihr euer Training umstellt, gebt euch ein wenig Zeit dafür. TRAIN-LOW-Einheiten fühlen sich „nicht so gut“ an und oft denkt man sich, dass jetzt ein Riegel helfen würde, was zweifellos sogar stimmt. Aber es geht im Training nicht darum, schnell zu sein oder sich stets gut zu fühlen, sondern sich gut für den Wettkampf vorzubereiten und dort steht „COMPETE HIGH“ im Plan und wer im Training ein wenig leidet, kann im Wettkampf möglicherweise triumphieren.
Auf das Thema Ernährung bin ich sehr wenig eingegangen. Wer sich für das Thema interessiert, dem sei die Lektüre des Buches wärmstens empfohlen.
Für das Training und die anstehenden Wettkämpfe wünsche ich euch gutes Gelingen, beste Gesundheit und eine hohe Motivation.
Ob sich der Erfolg bei einem 100km-Wettkampf einstellt, hängt nicht nur vom Training ab, sondern auch vom Verlauf des Rennes, der Renntaktik. Hier werden oft haarsträubende Fehler gemacht, die oftmals nicht nur dazu führen, dass das Potential nicht ausgeschöpft wird, sondern im Extremfall zu einem DNF, dem vorzeitigen Rennabbruch.
Nach Tipps zum Training, Auswertungen zu den Meisterschaften und Mannschaftswertungen ist dies nun der letzte Teil der Berichterstellung zur Vorbereitung auf die 100km DM in Rheine. Er soll euch motivieren, einen für euch passenden Plan zu entwerfen und euch dadurch helfen, in Rheine realistische Erwartungen sowie eine Idee für eine erfolgreiche Umsetzung zu haben.
Renntaktik 100 km
Text: Michael Irrgang, Bilder: Michael Irrgang, Tabellen: Raceresult,
Mentales Training
Mentales Training beschreibt zum einen das Erlernen von mentalen Techniken. Aber zum anderen auch das Simulieren des kompletten Wettkampfes als Kopfkino. Ich stelle mir vor, wie ich mich am Start fühle, wie und mit welchem Tempo ich loslaufe, überlege, worauf habe ich nach 2 und nach 15 Runden Hunger, wieviel werde ich essen und trinken? Wie wird sich das anfühlen, wenn ich Besuch vom Mann-mit-dem-Hammer bekomme? Wie reagiere ich dann? Was mache ich, falls es kalt wird, wenn ich eine Blase bekomme? Werde ich eine Sonnenbrille brauchen?
Gut wäre, wenn es keine Überraschungen gibt. Manche Punkte sind einfach fixiert, z.B. das Tempo der ersten 60 km sowie das Essen in den ersten 5 Stunden – egal was für ein Wetter ist und wie es sich anfühlt. Plandisziplin ist ein Schlüssel zum Erfolg. Warum? Zunächst sollte jedem klar sein, dass die ersten 60 km die einfachere Hälfte ist. Habe ich einen Plan für die erste Hälfte, so kann ihn im Training mindestens einmal ausprobiert haben – und es sollte sich gut angefühlt haben.
In der zweiten Rennhälfte gibt es dann einige Optionen. Tempo, Ernährung, Kleidung muss situativ variiert werden. Hier können die Betreuer helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und ohne Zeitverlust umzusetzen. Entsprechend muss man ja auch seine Tasche packen und die Eigenverpflegung mitnehmen. Wichtig bei dem mentalen Training ist auch die Strategie gegen Ermüdung. Einfach haben es da die gut trainierten Spitzenläufer, für die es gilt, das Tempo zu halten und sich durchzubeißen. Alle anderen müssen abwägen zwischen langsamer werden und Gehabschnitte einlegen. Jene Strategie ist die bessere, bei der man am frühesten im Ziel ist und oftmals sind kurze Gehabschnitte das bessere aber unbeliebtere Mittel.
Vorbereitung auf den Start
Die Taperingphase sind die letzten beiden Wochen vor dem Wettkampf. Auch hier gilt es, die richtigen Trainingsreize zu setzen, auch wenn der Schwerpunkt der Regeneration gilt.
Wichtig ist eine stressfreie Arbeitswoche, eine entspannte Anreise, eine Übernachtung vor Ort und auch morgens weder Hektik noch irgendwelchen, negativen Gedanken Raum zur Entfaltung zu lassen. Man ist rechtzeitig vor dem Start im Startgelände, schaut, was es am offiziellen VP gibt, wie die Sachen angeordnet sind, wo die Toiletten sind und baut sich eventuell seinen Stand mit eigener Verpflegung auf und überlegt sich, wo man die Tasche mit Wechselsachen deponieren kann. Das Netzwerk-Pflegen und Bekannte begrüßen ist ein Luxus, den man sich leisten muss. Zuerst müssen alle Sachen hergerichtet sein und man sollte sich noch einmal seine Renntaktik vergegenwärtigen, insbesondere das Tempo der ersten Kilometer!
Obligatorisch ist das unvollständige Gruppenfoto vor dem Start. Perfekt ist, wenn man 15 Minuten vor dem Start bereit ist und sich dann im Team noch einmal einstimmen kann.
Ganz witzig finde ich die typischen Antworten vor so einem Lauf auf die Frage: Wie war dein Training? Oft hört man ein Gejammere über ausgefallene Einheiten, schlechte Umfänge und Tempi, ungünstige Gewichtskurven, Verletzungen und Krankheiten und so weiter. Und entsprechende Erwartungen: Irgendwie ankommen. Mit dem Startschuss scheint es eine Wunderheilung gegeben zu haben, denn diese Leute starten oftmals im 10km-Wettkampftempo.
Wenn man mal die Bluff-/Ironie-Variante außen vorlässt, sind solche Antworten und Startverhalten aus zwei Gründen unvorteilhaft: Keine negativen Gedanken vor dem Start! Daher lautet die Antwort auf die Frage: Gut. Oder wer mehr Wörter benutzen möchte: Ich bin zufrieden und fühle mich gut vorbereitet.
Zwei Dinge sind vor dem Start sehr wichtig: Optimismus und ein Plan. Und wenn der Plan ist, den ersten Kilometer in 6:30 zu laufen, dann sollte auch der erste Kilometer in 6:30 gelaufen werden und nicht 1 Minute schneller!
Selbstverständlich sollte sein, dass man ausgeruht am Start steht mit vollen Energiedepots. Meist hat man einen stimulierenden, aber sehr störenden Hormoncocktail intus, dessen Stresshormone dazu führen, dass viel Kohlenhydrate verbrannt werden und sich ein moderates Tempo echt langsam anfühlt. Das ist der Grund, warum fast alle Leute zu schnell starten. Dieses „nach-Gefühl-loslaufen“ geht eigentlich immer schief, da die verpulverte Energie weg ist und in der zweiten Rennhälfte fehlt.
Realistische Ziele – angemessene Pläne
Idealerweise setzt man sich gleich mehrere Ziele. Gut wäre z. B. wenn man sich einen Zeitkorridor für die Endzeit überlegt, ein optimistisches, ein realistisches und ein minimales Zeitziel. Man sollte dann eine mutige Renntaktik wählen, die das optimistische möglich lässt, aber natürlich nur bei einem günstigen Rennverlauf. Das minimale setzt eine untere Grenze für die eigene Zufriedenheit. Diese könnte das Fininshen im Zeitlimit sein.
Ein realistisches Ziel kann man aus der aktuell möglichen Marathonzeit berechnen. Eine weit verbreitete Formel besagt: dreimal die Marathonzeit. Damit würde ein 3:00-Läufer 9 Stunden und ein 3:30-Läufer 10:30 benötigen. Bei schnelleren Läufern ist die Zeit etwas zu hoch und gemäß Daumenregel, kann man die Minuten unter 3h noch einmal abziehen, also wer 2:40 laufen kann, käme mit der dreifachen Zeit auf 8 Stunden mit der korrigierten Zeit auf 7:40h.
Möglicherweise passen die Formeln für Marathonläufer, die zum ersten Mal 100km laufen, aber ein Ultramarathonläufer, der sich auf die langen Strecken spezialisiert hat, kann schneller laufen. Eine brauchbare Formel ist Marathonrenntempo plus 1 Minute pro km. Der 3:00-Läufer käme dann bei einem Tempo von 5:15 min/km auf 8:45, der 3:30-Läufer auf 10 Stunden.
Meine Beobachtung geht sogar noch etwas weiter, dass jemand, der sich spezifisch auf die 100km vorbereitet, nur 45 sek pro Kilometer abfällt, also ein 3:00-Läufer durchaus ein 5er-Schnitt halten und in 8:20 ins Ziel kommen kann. Da allerdings kaum jemand „sein Marathontempo“ kennt, sind das alles nur Zahlenspielereien.
Ich halte einen Testlauf über die Marathonstrecke oder 50 km, der flott, aber nicht ganz am Limit gelaufen wird, daher in der unmittelbaren Vorbereitung für sehr sinnvoll. Auch kann man das anvisierte Renntempo in den 50- und 60-Kilometereinheiten ganz gut testen.
Über verschiedene Wege habe ich also meine optimale Zielzeit und das entsprechende Tempo berechnet und validiert. Das ist doch schon einmal ein Anfang.
Klar ist, dass jemand, der 10 Stunden als sein optimales Ziel ansieht, nicht im 5er Schnitt lospreschen sollte. Gleichmäßig schnell – also jede 5km-Runde in 30 Minuten ist eine gute Idee – klappt nur nicht.
Zum einen würde ich immer eine gewisse Zeit Puffer für Toilettenbesuche oder zum Umziehen einplanen. Falls hier eine Pause anfällt, darf man die verlorene Zeit nicht durch einen Sprint kompensieren, um die Rundenzeit zu retten. Die Zeit ist einfach weg. Wer also hier 5 Minuten (= 300 Sek) einplant, sollte die Kilometer alle 3 sek schneller als der geplante Bruttodurchschnitt laufen.
Doch was heißt eigentlich „gleichmäßig laufen“? Gleiches Tempo wäre naheliegend, ist aber vermutlich nicht optimal. Ist euch schon einmal aufgefallen, dass euer Puls trotz konstantem Tempo im Laufe der Stunden hochgeht? Hierzu gibt es drei Erklärungsansätze: 1. Die Bewegungsökonomie leidet durch Muskelermüdung. 2. Man dehydriert und das Blut wird dicker. Und 3. der Stoffwechsel verschiebt sich hin zu mehr Fetten und benötigt daher mehr Sauerstoff.
Wenn ihr ohne Puls lauft, merkt ihr auf jeden Fall, dass es immer anstrengender wird, das gleiche Tempo zu halten. Andere Vorschläge zu „Gleichmäßig-Laufen“ wären dementsprechend: „Mit konstantem Puls“ zu laufen und „mit dem gleichen mentalen Einsatz“ zu laufen. Beides würde dazu führen, in der zweiten Rennhälfte etwas langsamer zu werden.
Der Plan der Meister
Möglicherweise wird die Idee, sich an den Plänen von Meistern zu orientieren, die über viel Erfahrung, viel Talent und einen sehr hohen Trainingsumfang verfügen, grandios bei euch scheitern, aber die statistische Auswertung von 100km-Volksläufen wie in Biel, bei denen man davon ausgehen muss, dass sich die meisten ihre Rennen nicht gut einteilen, ist sicher noch weniger hilfreich.
Schauen wir uns einmal die Weltmeisterschaft vom 27.11.2016 in Los Alcazares (ESP) an:
Gewonnen hatte HIDEAKI YAMAUCHI (JAP) in einer super Zeit von 6:18:22.
Vermutlich waren seine langsamsten Kilometer die ersten 3.
Er ist konstant schneller geworden und hatte seine schnellste Runde zwischen 50 und 60 Kilometer, er wurde anschließend kontinuierlich etwas langsamer.
Bei einer WM spielen natürlich auch taktische Überlegungen eine große Rolle. Er übernahm die Führung Anfang der 7. Runde und war sich nach km 90 vermutlich seines Sieges bewusst.
GIORGIO CALCATERRA (ITA) läuft seit über 10 Jahren in der Weltspitze mit und galt ebenfalls als Mitfavorit.
Die erste Runde lief er mit dem späteren Sieger gemeinsam, hat aber bereits in der zweiten etwas abreißen lassen.
Auch er hat die ersten drei Runden bis zu seinem Wettkampftempo beschleunigt.
Dieses versucht man dann im Idealfall möglichst lange zu halten, meist bis km 50 oder 60. Dann muss man schauen, wie die Tagesform aussieht.
Er ist dann doch von Runde zu Runde langsamer geworden. Auch hier spielt es sicher eine Rolle, dass er mit dem Ausgang des Rennens nichts zu tun hatte, denn er wurde letztendlich 7.
Zweiter wurde BONGMUSA MTHEMBU (RSA).
Er lief die ersten drei Runden als schnellster und hatte nach 40 km fast 3 Minuten Vorsprung. Auch bei ihm waren die 3. und 4. Runde die schnellsten, aber er lief die ersten 90 Kilometer recht konstant.
Hier kann man nur ahnen, was im Kopf des jungen Läufers aus Südafrika vorging, als er bei hoher Geschwindigkeit in der 7. Runde überholt wurde.
Er hat am Ende mit 11 Minuten Vorsprung seien zweiten Platz verteidigt und hätte vermutlich die letzte Runde auch 5 Minuten schneller laufen können.
ANDRÉ COLLET (GER) wurde mit Platz 13 bester Deutscher und verbesserte etwa in seinem 10. 100km-Jahr seine persönliche Bestzeit etwas.
Auch er startete verhalten und lief ab km 20 ein gleichmäßig hohes Tempo bis km 60, dann wurde er etwas langsamer.
Möglicherweise ist er das Tempo bis zum Ende gelaufen und war in der vorletzten Runde auf Toilette.
Auf jeden Fall hat er einen tollen Endspurt hingelegt – seine PB vor Augen.
KARSTEN FISCHER (GER) lief erst seit einem Jahr, als er sich in Biel mit der P-Norm für die WM empfahl.
Zuvor war er zweimal in Rodgau gelaufen und glänzte 2016 mit dem dritten Platz, einer Zeit von 3:09:30, was einem Tempo von 3:47 auf dem Kilometer entspricht.
In Biel war sein Tempo 4:25 pro km. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es bei der WM sein Plan war, mit 4:10 pro km anzufangen, das Tempo möglichst lange zu halten mit dem optimistischen Ziel seine Bestzeit auf unter 7:00 Stunden zu drücken. Das Rennen lief für ihn perfekt.
Fazit
Aus verschiedenen Gründen sollte man die ersten 2 bis 5 Kilometer wirklich langsam beginnen, durchaus 10 bis 15 Sekunden über dem optimalen Tempo und dann langsam auf das Wettkampftempo beschleunigen. Wenn manche erst zur Rennhälfte ihre schnellsten Runden laufen, dann liegt das daran, dass sie anfangs diszipliniert nach Tempotabelle gelaufen sind und erst anschließend nach Gefühl ihr Tempo gesucht haben.
Meine Empfehlung wäre allerdings, etwa ab km 5, spätestens aber nach 10 km das geplante Wettkampftempo zu laufen. Bis km 50 können und wollen die Beine schneller – hier muss man mit Geduld ein wenig bremsen.
Ab km 50 kommt dann die Erkenntnis, dass das Tempo gar nicht so schlecht ist, ab Kilometer 60 wird es schwer, es zu halten. Wer viele Einheiten mit Endbeschleunigung gelaufen ist, hat eine gewisse Erfahrung darin, was jetzt noch möglich ist und kann ein entsprechendes Tempo wählen.
Wer jetzt beschleunigt, sollte sich sicher sein, das neue Tempo auch bis zum Schluss halten zu können. Einen negativen Split sieht man bei 100km-Läufen allerdings ausgesprochen selten. Auch hierfür sind die Gründe bei dem Thema „Gleichmäßig laufen“ erläutert. Bei Anfängern kann es allerdings sinnvoll sein, sich bis km 50 oder 60 zu bremsen und die Bremse erst dann zu lösen. Dann ist es nur noch einmal „die lange Runde“, also eine Streckenlänge, die einem vertraut ist.
Betreuer haben gleich zahlreiche Funktionen. Sie reichen an, nehmen ab, kontrollieren das Tempo, geben Renninformationen und – das wichtigste – sie motivieren und helfen schwierige Phasen zu überwinden.
Spannend sind überraschenderweise noch einmal die letzten 10km. Es ist bei weitem nicht so, dass hier alle noch einmal einen Endspurt hinlegen – manche, weil sie nicht können, andere, weil sie nicht wollen. Das ist dann eine Frage der Motivation oder des Charakters.
Florian Neuschwander hat bei der WM 2015 in Winschoten alle durch eine megaschnelle Runde verblüfft. Es war seine schnellste und die schnellste letzte Runde im ganzen Feld. Auch Michael Sommer hat manchmal zum Ende hin eine sehr schnelle 10km-Zeit abgeliefert.
Hier können durchaus noch einmal ein paar Minuten gewonnen oder auch – und das ist weit häufiger der Fall – verloren werden.
Ob so ein Plan funktioniert, hängt übrigens auch ganz stark von der Ernährung ab. Ihr müsst das richtige essen, zum richtigen Zeitpunkt und die richtige Menge.
Für euren Lauf in Rheine oder wo auch immer wünsche ich euch viel Erfolg. Ist doch ganz einfach oder? Schätzt euer Leistungsvermögen richtig ein, setzt euch ein realistisches Ziel, macht euch einen passenden Plan, der in der zweiten Rennhälfte etwas flexibel ist, überlegt euch eine Ernährungsstrategie und wenn möglich, eine gute Betreuung, die anreicht, mitdenkt und motiviert.